Freistoß-Experte Junuzovic:"So wie Ronaldo mache ich das sicher nicht"

Freistoß von Zlatko Junuzovic Werder Bremen Bundesliga

Um die Ecke: Zlatko Junuzovic trifft per Freistoß gegen Mönchengladbach - in der Vorrunde fanden noch zwei weitere seiner Schüsse den Weg ins Tor.

(Foto: Moritz Müller/imago)

Seit das Freistoßspray in der Bundesliga eingeführt ist, hat der Bremer Zlatko Junuzovic drei direkte Freistöße verwandelt. Ein Gespräch über den Abstand der Mauer, die Schusstechnik von Cristiano Ronaldo und Standardsituationen im Abstiegskampf.

Von Thomas Hummel

Zlatko Junuzovic, 27, spielt seine beste Saison für Werder Bremen. Nach dem Weggang von Aaron Hunt ist der Österreicher der Fixpunkt im Mittelfeld. Obwohl der Klub mit Rang 16 eine bedenklich schwache Vorrunde hinter sich hat, liegt Junuzovic in der Statistik der Torschussvorlagen sowie der Assists hinter Wolfsburgs Kevin De Bruyne auf Rang zwei der Bundesliga-Rangliste. Bei Flanken und Standards ist nur Leverkusens Hakan Calhanoglu besser. Zudem hat Junuzovic bereits drei Freistöße direkt verwandelt.

SZ: Herr Junuzovic, kennen Sie Pablo Silva aus Argentinien und Heine Allemagne aus Brasilien?

Zlatko Junuzovic: Nein.

Das sind die Erfinder des Freistoßsprays.

Ah, okay. Nein, von denen hab' ich noch nichts gehört.

Seitdem deren Spray im Oktober in der Bundesliga eingeführt wurde, haben Sie drei Freistöße direkt in den Winkel gesetzt. Gibt es da einen Zusammenhang?

Es sind seitdem generell mehr Freistoßtore gefallen. Durch die gesprühte Linie hält die Mauer den Abstand ein, und das sind die Zentimeter, die den Unterschied ausmachen können. Das ist sehr wichtig für uns Schützen. So hat der Ball mehr Zeit, um die nötige Höhe zu erreichen, damit die Flugkurve stimmt. Wenn die Mauer zu nah dran ist, wird der Schuss oft abgeblockt.

Früher war's ja so: Schaut der Schiri weg, kommt die Mauer zwei Schritte näher.

Am stärksten habe ich den Unterschied bei meinem Freistoßtor gegen Hannover gemerkt. Ich war mir da einfach sicher, ich komme über die Mauer. Der zweite Gedanke war: Wenn er über die Mauer geht, dann ist er auch drin. Die Sicherheit ist jetzt ein wenig größer als ohne Spray.

In Österreich kannte man Sie schon länger als Freistoßspezialisten, in der Bundesliga kennt man Sie als solchen erst seit Oktober. Liegt's nur am Spray?

Nein. Jetzt darf ich die Freistöße halt auch schießen in Bremen. Bislang war Aaron Hunt da, davor Kevin De Bruyne. Und wenn ich mal eingeteilt war, gab es keine Freistöße für uns. Dann hab ich den Freistoß gegen Paderborn verwandelt, wobei ich da eine Schaufel Glück gebraucht habe, denn der war sehr weit weg. Seitdem kriege ich plötzlich mehrere Möglichkeiten.

In Österreich haben Sie sich einmal per Schnick-Schnack-Schnuck durchgesetzt. Am vorletzten Spieltag 2010 in Salzburg mussten Sie mit Austria Wien gewinnen, um noch Chancen auf die Meisterschaft zu haben. In der Nachspielzeit gab es Freistoß am Strafraum .

. . Wir waren eigentlich richtig unterlegen, es ist aber 0:0 geblieben. Liendi (Michael Liendl, heute Profi bei Fortuna Düsseldorf; Anm. d. Red.) und ich waren als Schützen eingeteilt, natürlich wollten wir beide schießen. Wer lässt sich so einen Moment entgehen? Danach sehnt man sich doch: aus so einer Position in einem wichtigen Spiel schießen zu dürfen. Da mussten wir uns was einfallen lassen. Ich hab' mit Stein gegen Schere gewonnen, und der Ball war dann Gott sei Dank drin.

Es gab Spieler, die haben in solchen Momenten schon zurückgezogen.

So was darf man sich nicht aus der Hand reißen lassen. Solche Momente vergisst du nie mehr. Beim Elfmeter ist es das Gleiche. Da ist der Druck auf den Schützen noch größer, trotzdem würde ich hingehen.

Elfmeterschütze sind Sie in Bremen aber nicht.

Nein, das ist Franco di Santo.

Seit der Weltmeisterschaft haben Standardsituationen einen großen Stellenwert im Land, weil die deutsche Mannschaft in Brasilien daraus einige Treffer erzielt hat. Schafft Werder Bremen den Klassenerhalt wegen Ihrer Standards?

Es kann ein entscheidender Faktor sein. Viele enge Spiele werden durch Standards entschieden, egal, ob durch einen Direktschuss, eine Flanke oder einen Trick. In der Bundesliga musst du Standards trainieren und sie im Spiel anwenden. Auch in der Defensive muss man bei Standards gut stehen, sonst verliert man schnell Spiele.

"Wenn ich so schießen würde, würde ich mir das Knie verrenken"

Legt Ihr Trainer Viktor Skripnik viel Wert darauf?

Wir haben noch ein paar Tage bis zum ersten Rückrundenspiel. Da werden wir sicher noch den Fokus drauf legen. Auch auf das Umschalten danach, im Test gegen Duisburg haben wir zwei Kontertore nach eigenen Standards bekommen. Vorne haben wir sehr gute Kopfballspieler, richtige Türme, die gut Richtung Ball gehen. Für mich als Schützen ist es leicht, wenn ich weiß, ich muss den Ball nur Richtung Tor bringen und da sind drei, vier, fünf Mann, die ihn unbedingt reinköpfeln wollen.

Der auffälligste Freistoß-Schütze ist Cristiano Ronaldo. Er läuft schnurgerade an, trifft den Ball per Vollspann, zieht das Schussbein nicht voll durch, und dann flattert der Ball. Schaut man sich das ab?

Ich hab' es im Training mal ausprobiert, aber ich weiß ganz genau: So wie Ronaldo mache ich das im Spiel sicher nicht. Da gelingt mir einer von zehn, der Rest geht zehn Meter drüber. Ich habe meine eigene Art. Ich ziehe auch nicht voll durch, treffe den Ball aber anders. Mehr mit der Innenseite als mit dem Spann, dazu laufe ich schräg an. Calhanoglu oder De Bruyne schießen ähnlich wie ich. Ein paar wenige machen es anders: Vor einigen Jahren war Juninho der Wahnsinn. Der schoss komplett mit der Innenseite, ist aber gerade angelaufen. Total komplexe Schusstechnik, so wie David Luiz. Wenn ich so schießen würde, würde ich mir das Knie verrenken.

Sie meinen das Tor des Brasilianers Luiz im Viertelfinale gegen Kolumbien. Das sah so aus, als bräuchte man dafür eine stramme Adduktoren-Muskulatur.

Da braucht man spezielle Adduktoren, Knie und Knöchel, ich weiß auch nicht, wie das geht. Es ist ungewöhnlich, wie er anläuft. Aber jeder hat seine eigene Technik, mit der er sich am sichersten fühlt.

Sie sind einer der besten Vorlagengeber der Liga. Muss ein Mittelfeldspieler sozial veranlagt sein?

Ja. Er muss den besser Postierten sehen. Ein Mittelfeldspieler entwickelt einen Instinkt, wo ein Mitspieler sein könnte. Dafür trainiert man Laufwege, aber auch das periphere Sehen. Mittelfeldspieler wollen oft andere in Szene setzen, in manchen Situationen muss man aber selbst durchziehen. Die richtige Balance ist wichtig.

Der Torschütze kriegt aber die größte Aufmerksamkeit und Anerkennung. Ist das manchmal schwierig?

Für Tore kommen die Zuschauer in die Stadien, aber für einen Mittelfeldspieler ist entscheidend, wie du dich auf dem Platz bewegst, wie du präsent bist, wie du dem Spiel den Stempel aufdrückst. Da gehen wir anders in ein Spiel als ein Stürmer.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: