1. FC Köln als Karnevalsverein:Mehr als eine Pappnasen-Idee

FC Köln will offizieller ´Karnevalsverein" werden

Auch er kann Karneval: Kölns österreichischer Trainer Peter Stöger.

(Foto: dpa)

"Wir sind nur ein Karnevalsverein", die Anhänger des 1. FC Köln wissen es längst. Deshalb ist es nur folgerichtig, dass der Klub jetzt auf formellem Weg die amtliche Anerkennung anstrebt.

Kommentar von Philipp Selldorf, Köln

Beinahe wäre es Matthias Scherz damals gelungen, seine Chefs zu überlisten. Er hatte sich als Araber verkleidet, eine Sonnenbrille aufgesetzt und irgendwo in der Stadt an den Straßenrand gestellt, um den Rosenmontagszug zu gucken. Aber dann hat ihn halt doch ein Jeck erkannt und mit seinem Handy fotografiert, und dieses Foto hat der Mann gleich an die örtliche Boulevardzeitung weitergeleitet. Vielleicht hat er das getan, weil er eine niederträchtige Petze ist und ein paar Silberlinge fürs Fotohonorar einsacken wollte.

Vielleicht war er aber auch nur aufrichtig empört, dass sich Scherz im Karneval vergnügte, obwohl er tags zuvor mit dem 1. FC Köln das Zweitligaspiel in Essen 0:5 verloren hatte. Scherz wurde vom Klub bestraft, weil er das Ausgehverbot missachtet hatte, aber bereut hat er den Gang auf die Straße trotzdem nicht, weil er mit Recht die Frage stellte: Was macht ein Mensch falsch, wenn er sich das größte Ereignis Kölns mit ungefähr einer Million anderen Menschen anschaut?

Die Symbiose des Kölners mit dem Karneval, dem Dom und dem FC ist gegeben. Diese Präambel zur Kölner Brauchtumslehre hat jetzt weder Tünnes noch Schäl und auch nicht der große Heimatdichter Willi Ostermann formuliert, sondern der FC-Geschäftsführer Alexander Wehrle, ein zugewanderter Schwabe, der nicht jahrelang in der Stadt hat leben müssen, um zu begreifen, dass der Karneval mehr ist als ein Volksfest und ein großes Geschäft. Der Karneval gehört wie der FC zum Kultur- und Seelenleben der Kölner, das werden auch die Karnevals- und Fußballmuffel nicht bestreiten. Deshalb ist es nur folgerichtig, dass der 1. FC Köln jetzt auf formellem Weg die amtliche Anerkennung als Karnevalsverein anstrebt. Die Anhänger des Klubs wissen es längst: "Wir sind nur ein Karnevalsverein", pflegen sie nicht erst dann zu singen, wenn die Gegenseite sie entsprechend provoziert hat.

Die böse Niederlage in Essen liegt zwar erst wenige Jahre zurück, und die jüngste Zweitligasaison ist auch noch nicht lang her, doch der offizielle Antrag der Klubleitung auf Beförderung zum Karnevalsklub macht in Köln keinen mehr misstrauisch. Die Kölner glauben, dass der gegenwärtige FC ein anderer FC ist, als er zu Zeiten des falschen Arabers Scherz war, sie halten die Verantwortlichen im Geißbockheim nicht mehr für Pappnasen.

Der Verein kann es sich jetzt erlauben, den Kauf des prominenten Brasilianers Carlos Eduardo voranzutreiben und dafür nicht nur ein paar Millionen Euro zu riskieren, sondern auch die eine oder andere Bescheidenheits-Geste aufzugeben. Der FC besitzt inzwischen genügend Vertrauen in seinem Publikum.

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