Medizin:Entscheidende Minuten

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Niedergelassene Mediziner, die auch Notarzteinsätze fahren, werden durch eine Neuregelung finanziell schlechter gestellt. Dabei kann ihr freiwilliger Dienst lebensrettend sein

Von Kristina Kreisel, Bad Tölz

Als "gravierenden finanziellen Einschnitt" beschreibt Notarzt Sebastian Forstner, 34 Jahre, aus Lenggries die neugeregelte Honorarsystematik für Notdienste, auf die sich die Kassenärztliche Vereinigung Bayern (KVB) mit den Krankenkassen zum Jahreswechsel verständigt hat. Dabei sollte die Veränderung eine "Angleichung der teilweise eklatanten Einkommensunterschiede der Standorte" bewirken, wie es von der KVB heißt. Profitieren sollten gerade die ländlichen Gebiete.

Doch nun klagen ausgerechnet die sogenannten Außenstellennotärzte, die in die abgelegenen Winkel des Landkreises fahren, über die neue Regelung. "Ein Teil der Notärzte wird sicherlich profitieren", sagt Forstner. Für den Außenstellennotarzt selbst gleiche das neue System jedoch "einem Schlag ins Gesicht". Erhöht wurde die stündliche Grundpauschale. Doch die hätten Notärzte in den Außenstellen nie erhalten. Dafür lag ihre Vergütung pro Einsatz etwas höher als die der Kollegen, die reguläre Notarztdienste leisten.

Sebastian Forstner hat eine Arztpraxis in Lenggries. Gerne fährt er Notarzteinsätze in den eher entlegenen Gebieten südlich von Bad Tölz. (Foto: Manfred Neubauer)

Vor allem aber erhielten die Außenstellennotärzte erhebliche Zuschläge für Nacht- und Wochenenddienste sowie Kilometergeld. Diese Zahlungen sind nun nicht mehr vorgesehen. Allein die Einsatzvergütung pro Patient ist von 40 Euro auf 70 Euro gestiegen. Die bisherigen Zuzahlungen wiege dies jedoch bei Weitem nicht auf, sagt Forstner. "Für mich als niedergelassenen Arzt ist es eine ziemlich katastrophale Nachricht, dass jetzt ein Großteil meines Honorars wegfallen soll. Denn während ich bei einem Noteinsatz bin, steht meine Praxis still."

Diese Verluste wurden bisher durch Zuzahlungen ausgeglichen. Forstners Haupteinsatzgebiet erstreckt sich auf den Bereich, der circa auf halbem Weg zwischen Tölz und Lenggries beginnt, und schließt dann alles südlich davon ein, bis in die Jachenau und an den Walchensee, sowie isaraufwärts bis Fall, Vorderriss und auch bis in die Eng.

Miklas Drüeke, der Sprecher des Kreisverbands der Notärzte Bad Tölz, lobt das Engagement von Außenstellennotärzten wie Forstner, auch könne er die Unzufriedenheit nachvollziehen. "Doch diese Ärzte wissen, worauf sie sich einlassen", verweist er auf die Freiwilligkeit der Dienste. "Das Gebiet würde auch durch die rund 15 Tölzer Notärzte abgedeckt werden."

"Natürlich leisten wir diese Dienste freiwillig, doch können wenige Minuten Leben retten", sagt dazu Jakob Bernlochner, der seit 1994 als Notarzt der Außenstelle Deining unterwegs ist. Forstner erklärt: "Wenn es in der Jachenau pressiert, dann brauche ich eben sieben bis acht Minuten kürzer dorthin als mein Tölzer Kollege." Eine Zeitspanne, die im Notfall über Leben und Tod entscheiden könne. Im Oberland, das den Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen einschließt, gibt es nur noch wenige solcher Außenstellen-Ärzte, die meisten in geografisch exponierter Lage wie eben in Lenggries. Das Entscheidende sei der deutliche Zeitvorteil gegenüber dem nächstgelegenen planmäßig besetzten Standort. "Die Motivation erhöht die Neuregelung sicherlich nicht", sagt Forstner.

Bernlochner bezweifelt zudem, dass die veränderte Abrechnung die Gesamtsituation wirklich verbessere. Denn das Budget werde nicht aufgestockt, das Geld werde lediglich umverteilt. Dem stimmt Drüeke zu. Eine Aufwertung der einsatzschwächeren Standorte sei aber notwendig, sagt er.

Die Krankenkassen, die die Dienste bezahlen, verweisen für Fälle, in denen die Umstellung mit Verlusten verbunden ist, auf eine in Kooperation mit der KVB getroffene Regelung. Damit sollen finanzielle Nachteile aufgefangen werden. Auf Antrag werde dazu die Abrechnung des ersten Quartals 2015 einmal nach der alten und einmal nach der neuen Honorarsystematik durchgerechnet. Ein Verlust, der über 15 Prozent hinausgeht, soll nach Abschluss des Abrechnungsquartals ausgeglichen werden. "Der genannte Zeitpunkt entspricht jedoch ungefähr dem August. Bis dahin werde ich noch zu vielen Einsätzen gerufen werden", sagt Forstner.

"Die KVB unternimmt seit Jahren viel zu wenig, um die Interessen der Notärzte durchzusetzen", kritisiert Bernlochner. "Wenn aber die Notdienst-Versorgung, insbesondere auf dem Land, irgendwann nicht mehr gewährleistet werden kann, ist das Geschrei groß."

© SZ vom 28.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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