Kabinett in Griechenland:Alexis Tsipras und seine Ökonomen

Nicht eine Frau, aber ein Rechtspopulist und vier Wirtschaftswissenschaftler. Mit diesem Kabinett will der neue griechische Regierungschef Tsipras die internationalen Geldgeber von einer Neuverhandlung des Sparpakets überzeugen.

Wichtige Mitglieder im Überblick

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Alexis Tsipras - Premierminister

Swearing-in ceremony of the new government in Greece

Quelle: dpa

Er ist der neue starke Mann Griechenlands (ein ausführliches Porträt lesen Sie hier). Ein Showtalent, rhetorisch brillant, freundlich, jugendlich, das ist Alexis Tsipras. Der 40-Jährige versteht es, die Menschen für sich und seine Ideen zu begeistern. Mit offenem Hemdkragen, einem breiten Lächeln, mit großen, ausladenden Gesten. "O Alexis" (Der Alexis), so nennen sie ihn in seiner Heimat.

Auf ihn hoffen nun viele Menschen in Griechenland, die ihren Job verloren haben und sich Sorgen um die Zukunft ihrer Kinder machen. Unter seiner Führung erlebte das Bündnis der radikalen Linken (Syriza) einen fulminanten Aufstieg - von 4,6 Prozent im Jahr 2009 auf 36,3 Prozent 2015.

Seine politische Laufbahn begann er in den neunziger Jahren als Anführer von Schülerprotesten. Schnell stieg Tsipras bis an die Spitze der ehemaligen "Eurokommunisten" auf. 2004 wurde er zum Syriza-Präsidenten gewählt. Jetzt ist er Premierminister.

Die Vereinbarungen Griechenlands mit den Kreditgebern von EU und Internationalem Währungsfonds (IWF) kritisiert Tsipras als "Barbarei" und als "großes Verbrechen", begangen am griechischen Volk. Die Vorsitzenden der vor ihm regierenden Traditionsparteien, Antonis Samaras (ND) und Evangelos Venizelos (Pasok) nannte Tsipras "politische Verräter". Ihnen wirft er vor, das Spardiktat der Geldgeber ohne großen Widerstand umgesetzt zu haben.

Im Wahlkampf hat er angekündigt, eine Allianz gegen Deutschland schmieden zu wollen. Spanier, Portugiesen, Italiener, Franzosen und Griechen sollen sich gemeinsam erheben, um gegen die Vorgaben aus Berlin kämpfen. Besonders die deutsche Kanzlerin Angela Merkel wurde von Tsipras immer wieder verbal angegriffen.

Kurz vor der Wahl gab er sich allerdings fast zahm. Den Euro wolle er retten, nicht zusammenbrechen lassen. Seine Partei sei "kein Ungeheuer". Um diplomatische Kontakte zu knüpfen, reiste Tsipras durch Europa, versuchte Ansprechpartner auch in Berlin zu finden. Vorerst aber ohne Krawatte, die will Tsipras erst anziehen, wenn er für Griechenland einen Schuldenschnitt erreicht hat.

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Yanis Varoufakis - Finanzminister

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Quelle: AFP

Yanis Varoufakis gilt in seinem Heimatland als Popstar der Ökonomie. Der 53 Jahre alte Mann aus Athen ist weit herumgekommen. Als Wirtschaftsprofessor hat er unter anderem in Sydney und Glasgow gelehrt. Zudem war er an der Universität von Texas in Austin angestellt. An der Universität Athen ist er Professor für Wirtschaftswissenschaften und Ökonomische Theorie. Er besitzt neben der griechischen auch die australische Staatsbürgerschaft.

Im Internet betreibt Varoufakis seit Jahren ein populäres englischsprachiges Blog. Dort machte er seine Berufung zum Finanzminister schon vor der offiziellen Bekanntgabe publik. Er werde "weiter bloggen", auch wenn solche Kommunikationsformen für einen Finanzminister sonst nicht üblich sein. Der Mann zelebriert sein Rebellen-Image vom ersten Tag an.

Varoufakis treibt viel Sport und präsentierte sich schon in der Vergangenheit im Fernsehen oft breit grinsend. Er gilt als streitlustig und ist dafür bekannt, seine Gesprächspartner zu provozieren. Eine seiner bekanntesten Aussagen: "Wenn es in Griechenland kein Wirtschaftswachstum gibt, werden die Kreditgeber keinen Cent sehen." Es wird erwartet, dass Varoufakis in den bevorstehenden Verhandlungen mit den internationalen Geldgebern eine führende Rolle übernehmen wird.

In mehreren Interviews hat der temperamentvolle Redner, der nicht Mitglied von Syriza ist, die Sparvorgaben für Griechenland verurteilt. Zudem kündigte er an, als Minister werde er die Fundamente zerstören, auf die sich die griechische Oligarchie stütze. Varoufakis hat aber auch erklärt, Griechenland müsse in der Euro-Zone bleiben. Er wolle deshalb "Vorschläge machen, die nicht einmal Wolfgang Schäuble ablehnen kann".

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Giannis Dragasakis - Vize-Premierminister

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Quelle: AFP

Der 1947 auf Kreta geborene Ökonom ist das Gegenstück zu dem draufgängerischen Varoufakis. Er leitet kein eigenes Ressort, Dragasakis soll als Vize-Premier aber alle Ministerien beaufsichtigen. Bei seinen seltenen Interviews oder Auftritten gibt er sich überlegt und höflich.

Es wird erwartet, dass Dragasakis sich in den Verhandlungen mit den internationalen Geldgebern zunächst eher im Hintergrund halten wird. Von ihm stammt maßgeblich der Vorschlag einer europäischen Schuldenkonferenz nach dem Vorbild der Londoner Konferenz 1953, die Deutschland seine Kriegsschulden erließ. Wie Varoufakis setzt er sich für das sofortige Ende der Sparpolitik ein und sieht einen Schuldenschnitt als einzige Lösung für den Schuldenberg Griechenlands.

Seine politische Laufbahn startete der Wirtschaftsexperte vor 50 Jahren in der Kommunistischen Partei. Jahrzehntelang wirkte er dabei vor allem als Stratege. Dragasakis bringt als einziger im neuen griechischen Kabinett Erfahrung als Regierungsmitglied mit. 1989 war er stellvertretender Wirtschaftsminister in einer überparteilichen Übergangsregierung des konservativen Ministerpräsidenten Xenophon Zolotas. Dragasakis engagierte sich jahrelang in verschiedenen Vorgängerbewegungen der Linkspartei Syriza, heute ist er einer ihrer wichtigsten Protagonisten.

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Nikos Kotzias - Außenminister

Greece's new government

Quelle: dpa

Für die Außenpolitik ist der Technokrat Nikos Kotzias zuständig - wie auch Yanis Dragasakis ein früherer Kommunist. Er ist Politik-Professor an der Universität Piräus. Mit seiner Ernennung wolle Tsipras signalisieren, dass er einen ruhigen Kurs in außenpolitischen Themen verfolge, sagten Analysten in Athen. Kotzias hat in Marburg studiert und lange unter dem Sozialisten Giorgos Papandreou im Außenministerium gearbeitet.

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Panos Kammenos - Verteidigungsminister

New government in Athens

Quelle: dpa

Panos Kammenos - geboren 1965 - ist das einzige Regierungsmitglied, das nicht Mitglied von Syriza ist oder von Syriza vorgeschlagen wurde. Er gehört der rechtspopulistischen "Partei der Unabhängigen Griechen" (Anexartitoi Ellines) an, dem einzigen Koalitionspartner von Tsipras' Linkspartei, seine 13 Abgeordneten sichern dem neuen Regierungschef die Macht.

Gemeinsam haben beide eigentlich nur die strikte Ablehnung der aktuellen Sparpolitik. Kammenos fällt ansonsten vor allem durch nationalistische Töne auf. Athen solle nicht nur nichts an seine Gläubiger zahlen, Deutschland solle darüber hinaus auch Reparationen für die Besatzung Griechenlands während des Zweiten Weltkriegs leisten. Die Kontrolleure der Troika aus EU, IWF und EZB nennt der Ökonom ebenfalls "Besatzer", von denen es Griechenland zu befreien gelte.

Kammenos startete seine politische Karriere als Mitglied der Parteijugend der konservativen Nea Dimokratia (ND). Er stieg schnell auf und wurde mehrfach ins Parlament gewählt. 2011, als die Finanzkrise in Griechenland ihren Höhepunkt erreichte und die Konservativen ein hartes Sparpaket verabschiedeten, verweigerte er seiner Partei die Stimme und wurde aus der ND ausgeschlossen. 2012 gründete er die Anexartitoi Ellines.

Der Sohn einer reichen Athener Händlerfamilie, die enge Beziehungen zur orthodoxen Kirche pflegt, spricht fließend Französisch und fährt im Sommer gerne per Yacht durch die Ägäis.

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Giorgos Stathakis - Wirtschaftsminister

Greece's New Finance Minister Yanis Varoufakis

Quelle: Bloomberg

An der Spitze des Ministeriums für Wirtschaft, Infrastruktur, Handelsmarine und Tourismus steht der Syriza-Politiker Giorgos Stathakis. Der dritte Syriza-Ökonom in der Regierung ist Sohn eines Reeders, hat in England studiert und seine politische Karriere wie Vize-Premier Dragasakis bei den Kommunisten begonnen. Schon mit seiner ersten Amtshandlung machte er auf sich aufmerksam: Er stoppte die vollständige Privatisierung des Hafens von Piräus, die Privatisierung von Staatseigentum gehört allerdings zu den Auflagen der internationalen Geldgeber.

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320 Milliarden Euro Schulden

Greek Prime Minister Alexis Tsipras (3rd L) attends the first meeting of the new cabinet in the parliament building in Athens

Quelle: REUTERS

Tsipras, hier bei der ersten Sitzung mit seinem neuen Kabinett, steht vor gewaltigen Herausforderungen. Griechenland hat 320 Milliarden Euro Schulden angehäuft. Einen Schuldenerlass lehnen die EU-Partner derzeit ab.

© Süddeutsche.de/dpa/AFP/mane
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