Verdi gegen Deutsche Post:"Sozialpolitischer Skandal erster Güte"

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  • Die Gewerkschaft Verdi will sich gegen Pläne der Deutschen Post wehren.
  • Die Post plant, Tausende neue Paketzusteller zu beschäftigen.
  • Die sollen allerdings zu niedrigeren Löhnen als bisher arbeiten.

Von Kirsten Bialdiga, Düsseldorf

Bis zum Äußersten will Andrea Kocsis noch nicht gehen im Streit mit der Deutschen Post um Billigjobs für Paketboten. Ein Streik sei die Ultima Ratio, das letzte Mittel, sagt die stellvertretende Verdi-Vorsitzende. Die Enttäuschung und Verärgerung über das Vorgehen des einstigen Staatsbetriebes aber ist groß. Der Vorwurf: Die Post breche geltende Tarifverträge und senke das Lohnniveau für die Paketboten deutlich ab und erziele gleichzeitig hohe Gewinne. "Das ist ein sozialpolitischer Skandal erster Güte", sagt Kocsis.

Die Gewerkschaft werde nun beraten, "was wir tarifpolitisch tun werden". Es könne eine Forderung an die Post aufgestellt werden, die sich "außerhalb der bisherigen Bedingungen bewegen kann". Die Gewerkschaft prüft zudem rechtliche Schritte gegen das Vorgehen der Post und erwägt, die Bundesregierung einzuschalten.

Der Post gehe es wirtschaftlich prächtig, trotzdem sollten nun ausgerechnet die schwächsten Beschäftigten dafür zahlen, moniert die Gewerkschaft.

Verdi hat berechnet, dass die Paketboten in den neuen Gesellschaften nur 65 bis 85 Prozent ihres bisherigen Lohnes verdienen. Auch jetzt sei der Stundenlohn mit 13,90 Euro für Einsteiger und 17,61 Euro für erfahrene Austräger nicht gerade üppig. "Es muss doch das Ziel sein, dass ein Paketbote, der Vollzeit arbeitet, von seinem Lohn eine Familie ernähren kann", sagte Verdi-Tarifexperte Stephan Teuscher.

Das Vorhaben der Post

Die Deutsche Post will in den kommenden fünf Jahren nach eigenen Angaben in der Paketzustellung bis zu 10 000 Stellen schaffen. Bis 2025 könnten es sogar 20 000 Arbeitsplätze sein, hieß es. Die neuen Mitarbeiter sollen allerdings nicht bei der Post selbst angestellt werden, sondern bei neu gegründeten Firmen. Dafür wurden 49 Gesellschaften unter dem Namen DHL Delivery GmbH gegründet.

Die Streitpunkte

Bezahlt wird dort nicht nach dem Haustarifvertrag der Post, sondern nach den für das Unternehmen meist sehr viel günstigeren regionalen Tarifverträgen der Speditions- und Logistikbranche. Auch Überstunden und flexiblere Arbeitszeiten dürften dann leichter durchsetzbar sein. Dafür soll die Befristung der Verträge wegfallen. Ein Viertel der insgesamt 14 700 Paketausträger haben zurzeit nach Gewerkschaftsangaben befristete Verträge.

Verdi widerspricht dieser Darstellung des Konzerns. Die Post plane mitnichten, 10 000 neue Arbeitsplätze zu schaffen. Vielmehr gehe es dem Konzern um eine Verlagerung von Jobs in die neuen Gesellschaften. Und das, obwohl die Paketboten überwiegend am selben Ort und mit denselben Aufgaben betraut seien wie vorher, ja sogar zum Teil dasselbe Lieferfahrzeug benutzten, sagt Verdi-Tarifexperte Teuscher.

Die Post findet, sie zahlt genug - Verdi sieht den Konzern im Vorteil

Die Post verteidigt ihren Plan damit, dass die Lohnkosten weit über denen von Wettbewerbern wie UPS oder TNT lägen. Die Konkurrenten zahlten demnach deutlich niedrigere Löhne. Verdi hingegen sieht die Post im Vorteil: Anders als bei Wettbewerbern könnten die Zusteller sowohl Briefe als auch Pakete austragen, dies ermögliche Synergien. Mit einem Marktanteil von 46 Prozent sei die Post in Deutschland zudem klarer Marktführer. Es sei auch in anderen Branchen üblich, dass der Marktführer übertarifliche Löhne zahle. "Es gibt keinen Grund über eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen zu verhandeln", sagt Kocsis. Die Post habe ihren Investoren zugesagt, bis 2020 ihren Gewinn auf fünf Milliarden Euro zu verdoppeln. Die Beschäftigten dürften dabei nicht leer ausgehen. "Der Haustarifvertrag steht nicht zur Disposition", sagt Kocsis.

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