Depressionen:Entzündungen im Gehirn

Wissenschaftler haben im Gehirn depressiver Patienten Entzündungen nachgewiesen. Diese chronische Abwehrreaktion könnte auch erklären, warum Antidepressiva häufig nicht wirken.

Von Werner Bartens

Warum manche Menschen trotz harter Schicksalsschläge nicht zur Schwermut neigen, andere hingegen scheinbar grundlos in eine Depression verfallen, ist noch immer ein Rätsel der Medizin. Zwar sind genetische Konstellationen und prägende Erfahrungen bekannt, die das Risiko erhöhen, vollständig erklären können sie aber nicht, warum es im einen Fall zur Krankheit kommt, im anderen nicht. Psychiater und Radiologen aus Toronto zeigen im Fachmagazin Jama Psychiatry (online), dass bei Patienten mit schwerer Depression häufig entzündliche Prozesse des Gehirns vorliegen.

Das Ärzteteam um Elaine Setiawan und Jeffrey Meyer hat Gesunde und Patienten mit schwerer Depression im Positronen-Emissions-Tomograph (PET) untersucht. Mit der Schnittbildmethode können Stoffwechselveränderungen und krankhafte Vorgänge sichtbar gemacht werden. Im Gehirn der Depressiven entdeckten die Forscher, dass die Immunzellen der Mikroglia entzündlich aktiviert waren. Dieses Gewebe befindet sich zwischen den Nervenzellen und übernimmt Abwehrfunktionen. Zudem unterstützt es Reparaturvorgänge nach Verletzungen. In der aktuellen Studie waren die Entzündungswerte in der Mikroglia um 30 Prozent im Vergleich zu den Gesunden erhöht.

"Wir können direkt beweisen, dass es während einer Depression zu Entzündungen im Hirn kommt", sagt Meyer. "Zuvor wurden in Studien stets nur indirekte Hinweise gefunden wie erhöhte Entzündungsmarker im Blut." Die Forscher konnten zudem zeigen, dass die Mikroglia umso stärker entzündlich verändert war, je stärker die Symptome bei den Patienten vorlagen.

Chronische Entzündungen werden als Auslöser für zahlreiche Leiden diskutiert. Schon länger ist bekannt, dass erhöhte Entzündungswerte mit gedrückter Stimmung, Antriebsmangel, Appetitverlust und anderen Anzeichen einhergehen, wie sie für Depressionen typisch sind. Meyer weist darauf hin, dass die permanente Entzündungsreaktion auch erklären könnte, warum Antidepressiva bei der Hälfte aller Patienten kaum oder gar nicht wirken. Womöglich werden die Pharmaka durch die stetige Immunreaktion an ihrer Wirkung gehindert.

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