Deutsches Davis-Cup-Team:Vier Wege aus der Krise

Philipp Kohlschreiber und Carsten Arriens

Philipp Kohlschreiber (li.) und Carsten Arriens: Lieber getrennt als zusammen

(Foto: dpa)

In Melbourne lässt Davis-Cup-Teamchef Carsten Arriens ein Treffen mit Philipp Kohlschreiber platzen, die Beziehung ist von Querelen geplagt. Boris Becker fordert eine Rückkehr Kohlschreibers. Selber als Anführer helfen will er nicht - vorerst.

Von Gerald Kleffmann, Melbourne

Noch ist kein Urteil in der Causa Carsten Arriens gefallen, aber es mehren sich die Zeichen, dass noch in dieser Woche über die Zukunft des derzeitigen Davis-Cup-Kapitäns entschieden wird. Zufällig findet am kommenden Wochenende ein Treffen der Präsidiumsmitglieder des Deutschen Tennis-Bundes (DTB) in anderer Angelegenheit statt, eine ideale Gelegenheit, um zu diskutieren, ob es noch eine gemeinsame Basis mit Arriens gibt.

Der 45-Jährige hatte vergangene Woche eine Aussprache mit dem zurzeit besten deutschen Profi Philipp Kohlschreiber platzen lassen, er war zu einem verabredeten Termin im Spielercafe während der Australian Open in Melbourne nicht erschienen. Der DTB hatte ihm zuvor den Auftrag gegeben, nach diversen internen Querelen im deutschen Team im vergangenen Jahr wieder einen Neuanfang zu moderieren, es müssten die besten Deutschen Anfang März in Frankfurt gegen Frankreich spielen. Doch zu offensichtlich ist zu viel vorgefallen zwischen Arriens und dem 31-jährigen Kohlschreiber.

Beckers klare Ansage

Nun hat sich auch Boris Becker kritisch zu dem nicht zustande gekommenen Gespräch geäußert. Und seine Argumenten machen die Lage für Arriens nicht leichter.

"Ich weiß nicht, warum Carsten nicht erschienen ist", sagte der Trainer des Serben Novak Djokovic, der in Melbourne am Freitag sein Halbfinale gegen den Titelverteidiger Stan Wawrinka aus der Schweiz bestreitet. "Es ist unmöglich, dass die deutsche Nummer eins nicht im Davis Cup spielt." Denn Becker, der Arriens durchaus als Trainer schätzt, ahnt: "Ohne Kohli hat das Team eine viel kleinere Chance." Becker kennt den Weltranglisten-24., gebürtig aus Augsburg, inzwischen ganz gut, er traf ihn bei Trainingssessions von Djokovic mit Kohlschreiber.

Angesichts der heiklen Situation im Davis-Cup-Team wurde Becker natürlich gefragt, ob er aushelfen würde, falls ein neuer Kapitän gebraucht würde. "Das kann ich mir momentan nicht vorstellen", sagte der dreimalige Wimbledonsieger, "ich habe einen Job, ein Büro in London, eine Familie." Aber er ergänzte auch: "Obwohl ich natürlich Patriot bin. Aber alles zu seiner Zeit."

Vielleicht kommt diese Zeit doch eher früher als später. Zumindest herrscht Krisenstimmung beim Thema deutsches Davis-Cup-Team.

Wie es weitergehen könnte

Im Raume stehen vier Möglichkeiten, wie der DTB die Krise lösen könnte. Präsident Ulrich Klaus, seit Ende 2014 im Amt, hatte Gespräche angekündigt, und diese könnten dazu führen, dass Arriens bleibt. Diese Option gilt als die unwahrscheinlichste. Schon in Melbourne hatte der Trainer, der seit 2013 das Davis-Cup-Team verantwortet (nach Querelen um Philipp Kohlschreiber und Patrik Kühnen musste letzterer damals gehen), ein Sechs-Augen-Gespräch offenbar ausgeschlagen; er wollte nur unter vier Augen mit Kohlschreiber reden und ohne Vizepräsident Dirk Hordorff. Auf Anfrage wollte Arriens keinen Kommentar abgeben.

Bereits beim Erstrundensieg gegen Spanien in Frankfurt hatte ein Eklat für negative Schlagzeilen und auch Reaktionen bis in die höchsten DTB-Gremien gesorgt. Weil zu den belanglosen beiden Schlusseinzeln kein zweiter DTB-Spieler gefunden wurde, der auf den Platz geht und spielt, ließ Arriens den Kreis der Kandidaten per Los eine Entscheidung fällen.

Arriens bevorzugt jüngere Spieler

Dies wurde ihm als Führungsschwäche ausgelegt, zumal jener Profi, der dann gezogen wurde in der sogenannten Strohhalm-Affäre, sich weigerte, das Los zu akzeptieren. Kohlschreiber soll verloren haben. Unter Pfiffen musste Arriens vor den Zuschauern bekanntgeben, dass ein Einzel nicht gespielt werden könne. Beim Viertelfinale in Nancy gegen Frankreich (2:3) hatte Arriens auf Kohlschreiber verzichtet.

Die zweite Option besteht darin, dass Arriens bleibt, aber nicht als Davis-Cup-Kapitän. Es ist kein Geheimnis, dass seine Stärken vor allem im Umgang mit jüngeren Spielern liegen. Gerade von Profis wie Tim Pütz, Matthias Bachinger, Tobias Kamke und Peter Gojowczyk sind nur positive Worte über Arriens zu hören. Demnach könnte er als Coach quasi abbeordert werden und sich innerhalb des DTBs um Profis der zweiten Reihe kümmern. Dies wäre eine elegantere Lösung, aber sie hängt davon ab, ob der DTB überhaupt finanzielle Kapazitäten hat und ob Arriens diesen Weg begrüßen würde.

Die dritte Option ist die, dass Arriens beurlaubt wird oder man sich auf eine sofortige Trennung einigt. Als Honorartrainer besitzt er einen Vertrag über drei Jahre mit dem DTB (also bis Ende 2015), der eine bestimmte Anzahl an Tagen und Einsätzen für ihn in seinem Amt vorsieht. Demnach kann der DTB ihn nicht ohne Entgegenkommen entlassen. Auch eine rechtliche Auseinandersetzung ist theoretisch möglich, aber diese gilt als unwahrscheinlich. Um im Präsidium einen Beschluss zu fassen, genügt die einfache Mehrheit der sieben Mitglieder, aber es ist die Regel, dass eine klare Mehrheit angestrebt wird.

Man will Entscheidungen geschlossen tragen. Inzwischen sind dem Vernehmen nach alle informiert über die Vorgänge in Melbourne. Eine Woche lang hatten sich Arriens und Kohlschreiber mehr oder weniger gemieden, der Profi hat vor seiner Abreise, als er im Drittrundenmatch gegen den Australier Bernard Tomic verloren hatte, allerdings Gesprächsbereitschaft angekündigt, das Treffen im Spielercafe wurde von Hordorff als eine Art Mediator initiiert. Doch während die beiden dort warteten, tauchte Arriens nicht auf.

Eine vierte Option ist, dass Arriens von sich aus das Amt zur Verfügung stellt. Arriens, ein sehr höflicher, freundlicher Mensch mit großem Interesse an Coachingphilosophien und Nachwuchsarbeit, könnte erkennen, dass seine Stärken auf einem anderen Gebiet liegen. Davis-Cup-Kapitän zu sein, erfordert zudem auch, den DTB nach außen in der Öffentlichkeit zu vertreten. Doch diese für den DTB medial wichtige Rolle wollte Arriens nicht leisten, er bevorzugt es generell, im Hintergrund zu arbeiten. Ein hehrer Ansatz, der allerdings nicht zum Anforderungsprofil eines Davis-Cup-Kapitäns passt. Diese Einschätzung hat sich offenbar bei den Präsidiumsmitgliedern weitgehend durchgesetzt.

Nachfolgekandidaten könnten vornehmlich frühere Profis sein, wobei Alexander Waske als Favorit auf den Posten gilt. Der ehemalige Doppelspezialist, der mit seinem Ex-Kollegen Rainer Schüttler eine Akademie betreibt, hatte schon mal Interesse bekundet, ehe Arriens ins Spiel kam. Schüttler, den Hordorff lange als Trainer und Manager betreute, kommt aus dieser Nähe sicher nicht in Frage. Denn diese Lösung hätte ein Geschmäckle, und Hordorff gilt als so clever, dass er das wissen dürfte.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: