Spielwarenmesse Nürnberg:Rausch in Rosa

Spielwarenmesse Nürnberg

Brüderchen und Schwesterchen: Um die Werkzeugkästen aus Plastik wird es kaum Streit geben.

(Foto: Peter Roggenthin)
  • Gender-neutrales Spielzeug sorgt für Diskussionen auf der Nürnberger Spielwarenmesse.
  • Vor allem Lego schreibt sich auf die Fahnen, seine Produkte geschlechterneutral anzubieten. Dennoch haben sie auch eine Spielzeugreihe speziell für Mädchen lanciert.
  • Marken wie Zapf und Bruder setzen nach wie vor auf Mädchen als Abnehmer für Puppenprodukte und Jungen für Lastwägen und Traktoren.

Von Anna Günther, Nürnberg

Sitzen zwei Frauen im Bus, sagt die eine zur anderen: "Und, was schenkst du deinem Patenkind zum Geburtstag? Eine neue Puppe?" Sagt die andere: "Auf gar keinen Fall, ich schenke nur Gender-neutrales Spielzeug!" "Wieso denn? Lass die Kleine doch!", sagt die erste entgeistert - beim Thema Gender und Spielzeug könnten die Gräben kaum tiefer sein.

Was Rollenverständnis und Sich-Selbst-Bewusstsein prägt, wird an Universitäten erforscht und in Eltern-Ratgebern, Blogs oder Internetforen ausgiebig beschrieben. Doch wie reagiert die Industrie, die am stärksten von Rosa- und Hellblau-Themen profitiert? Noch bis Montag treffen in Nürnberg 75 000 Fachbesucher auf 2857 Aussteller. Ein Spaziergang über die Spielwarenmesse soll Antworten bringen.

Lego liegt weit vor dem Barbie-Hersteller

Am Stand des in Deutschland erfolgreichsten Spielzeugherstellers sind Klischees auf den ersten Blick nicht zu entdecken. Lego hat mit 17,3 Prozent den größten Anteil am deutschen Markt, dahinter liegt weit abgeschlagen der (pinkaffine) Barbie-Hersteller Mattel. Die Frage nach Buben- und Mädchen-Produkten weist die Lego-Sprecherin Martina Augenstein von sich: "Unsere Produkte sind Gender-neutral." Alle Kinder bauen und spielen gerne mit Piratenschiffen, Raumstationen oder der Sumpf-Polizei. Wichtiger sei es, die Phantasie anzuregen und spielerisch Ausdauer zu trainieren.

66. Internationale Spielwarenmesse Nürnberg

Puppen für Mädchen, Lastwägen für Jungs? Bei Gender-neutralem Spielzeug ist das nicht so.

(Foto: dpa)

So weit die Theorie. Auch bei Lego stehen Duplo-Disney-Prinzessinnen für die Kleinsten neben der Fantasy-Welt "Ninjago" mit Drachen, Kampf-Robotern und grimmig blickenden Warlords. Die Figuren sind laut Augenstein auch bei Mädchen beliebt, trotzdem lanciert Lego in diesem Jahr eine liebliche Elfenwelt in Lila-türkis mit fliegenden Pferden und freundlichen Delfinen. Der Unterschied liege in den Details, die seien Mädchen wichtiger und die üblichen Lego-Figuren eher zu klein.

"Die Frage ist doch, was den Kindern angeboten wird"

2012 kam mit Lego Friends eine eigene Reihe für Mädchen dazu. Vier Jahre habe die Entwicklungsabteilung getüftelt, dabei ist die Idee nicht neu. Der Vorläufer "Belleville" kam 1994 auf den Markt, schon damals sollten Pferdeställe inklusive Bürsten und Katzenbabys Mädchen ansprechen. Augenstein sieht eher die Eltern in der Verantwortung für Rollenklischees: "Die Frage ist doch, was den Kindern angeboten wird." Angebot und Nachfrage, also. Die Entwickler machten den Unterschied eher zwischen dem realitätsnahen Spielen und den Fantasy-Welten.

Und genau durch das Nachahmen von Realität und vorgelebten Rollen etwa in der Familie, soll sich Gender, also das soziale Geschlecht, entwickeln. Auf den Nachahmungseffekt des Klassischen setzt auch der Puppenproduzent Zapf Creation - und auf die rosa Phase. Alles, was Menschenbabys (oder deren Muttis) brauchen, bietet der Hersteller aus Rödental für Puppen. Da stehen rosa Bettchen neben rosa Fahrradsitzen und rosa Toiletten. Die Abweichung auf Violett scheint das Maximum zu sein.

Farben wie Grün oder Gelb scheitern bei Zapf

Neuheitenschau der Spielwarenmesse

Dennoch dominiert nach wie vor Rosa bei den Mädchen. Und Technik bei den Jungs.

(Foto: dpa)

Seit 25 Jahren ist "Baby Born" in Deutschland Kassenschlager, "Baby Annabell" seit 18 Jahren in Großbritannien. Diese Linie ist extrem realistisch angelegt, über Kinderzimmer, Autositz und Buggy geht das Sortiment nicht hinaus. Andrew Laughton, der Verkaufsleiter für Großbritannien, sucht dafür humorige Erklärungen in der britischen Seele und findet aber nur seine Erfahrungen mit dem Markt. Jedes Experiment mit Farben wie Grün oder Gelb sei gescheitert, sagt er, Zapf kehre immer zu Rosa und Pink zurück. Das werde eben verlangt. Die Kundin ist Kitschprinzessin.

Ganz andere Erfahrungen macht Silke Hausdörfer. Seit 20 Jahren produziert die Firma Howa bei Coburg Küchen, Kaufläden und Puppenhäuser aus Holz. Am Stand dominiert Violett, aber der Bestseller sei eine weiß-silberne Küche. Neutrale Farben werden bevorzugt, ähnlich wie bei der Wohnungseinrichtung Erwachsener. Und die sind es, die Küchen für Dreijährige kaufen. Auch die Stoffe müssten heute so neutral sein wie möglich, sagt Hausdörfer. Kaufen Eltern denn auch die Werkbank für ihre Töchter? "Nein, gar nicht, eher noch die Küche für Jungs."

"Die Gesellschaft vermittelt das eben"

Und wenn man als Hersteller erst einer Seite zugeordnet wird, scheint es schwierig zu sein, das andere Geschlecht zu gewinnen. Bruder aus Fürth steht für Lastwagen, Traktoren und Feuerwehrautos - klassisches Buben-Spielzeug. Zumindest ist Paul Heinz Bruder seine Zielgruppe sehr bewusst. Auch wenn das beim Design keine Rolle spiele, sagt er. Doch die 2012 für Mädchen lancierte Reiterhof-Welt - realistisch, ohne Pastelltöne - verkauft sich nur zögerlich. Die Untersuchungsergebnisse der Experten? Mit einer verspielteren Verpackung würden Mädchen eher zugreifen. "Die Gesellschaft vermittelt das eben", sagt Bruder und zuckt mit den Schultern.

Bei "Green Toys" geht man den Mittelweg: Im Regal stehen Lastwagen, Züge und Werkzeugkästen in Gelb-Rot oder Blau, daneben in Lila-Rosé. Seit sieben Jahren fertigt die Kalifornierin Laurie Hyman aus recycelten Milchflaschen Plastikspielzeug für Kleinkinder. Der pinke Laster war 2011 ein Experiment - und sofort ausverkauft. Das Tee-Service in Pastell kam im vergangenen Jahr auf Anregung von Eltern in Rot und Gelb auf den Markt. Geschlechtstypische Farben und Gegenstände werden bei vielen Produkten vermischt. "Mittlerweile haben wir das zu unserer Philosophie gemacht", sagt Hyman. Gender spiele keine Rolle. Kinder sollten einfach spielen, womit sie wollen. Das würde zumindest die Dispute der Erwachsenen entspannen.

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