NSU-Prozess:Anwälte streiten über Zulässigkeit von Nebenklagen

  • Beim NSU-Prozess wird derzeit der Bombenanschlag in der Keupstraße in Köln behandelt. Dateien auf einer DVD von Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt deuten darauf hin, dass der NSU offenabar auch eine Kindertagesstätte in der Straße im Visier hatte.
  • Beim Thema Keupstraße entspann sich eine Diskussion darüber, wer eigentlich grundsätzlich als Nebenkläger beim NSU-Prozess auftreten dürfe.
  • Bei dem Prozess gibt es mehr als 80 Nebenkläger. Bei einigen Nebenklägern aus der Keupstraße ist zum Beispiel nicht klar, inwiefern sie durch die Verbrechen des NSU geschädigt wurden.

Aus dem Gericht von Annette Ramelsberger

Der rechtsextremistische NSU hat zehn Menschen ermordet und 15 Raubüberfälle begangen. Den größten Anschlag verübte der NSU am 9. Juni 2004 in Köln. Über 20 Menschen wurden schwer verletzt. Offenbar hatte der NSU aber auch eine Kindertagesstätte in der Keupstraße im Visier. Im Brandschutt der Wohnung von Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt wurde eine DVD gefunden, auf der 109 Adressen in Köln gespeichert waren. Zwei dieser Adressen lagen in der Keupstraße, eines war der Türkisch-Islamische Kulturverein, die andere die Adresse der Kindertagesstätte "Arbeitskreis für das ausländische Kind e. V." Der Name des Ordners, in dem das alles gespeichert war, war "Killer".

Das berichtete eine Kommissarin vom Bundeskriminalamt, die die DVD ausgewertet hat. Auf der gleichen DVD wurden auch Wettvereinbarungen zwischen Zschäpe und Mundlos und Böhnhardt gefunden, auf denen sie sich verpflichteten abzunehmen oder falls sie es nicht schafften, die Wohnung zu putzen oder 200 Videoclips zu schneiden - ein Hinweis darauf, dass sie sich zur Arbeit an dem Bekennervideo des NSU verpflichteten und alle drei daran arbeiteten. Böhnhardt wollte 85 Kilogramm erreichen, Beate Zschäpe 62 Kilogramm, und damit wieder "sommer- und strandtauglich" werden. Die Mitglieder des NSU fuhren im Sommer immer zu langen Ferien nach Fehmarn. Zschäpe verpflichtete sich, 200 Videoclips zu schneiden. Im NSU--Bekennervideo war der Anschlag in der Keupstraße mit "Bombenstimmung in der Keupstraße" betitelt.

Doch das alles trat fast in den Hintergrund über eine grundsätzliche Frage. Wer darf im NSU-Prozess als Nebenkläger auftreten? Insgesamt sind mehr als 80 Nebenkläger und ihre Anwälte im NSU-Prozess dabei. Und es sieht nun so aus, als wolle die Verteidigung von Zschäpe dafür sorgen, dass einige Nebenkläger vom Prozess ausgeschlossen werden. Insbesondere der Kieler Anwalt Alexander Hoffmann, der immer wieder nach Verbindungen des NSU zur rechten Szene fragt.

Hoffmann vertritt eine Frau aus der Keupstraße, die hochschwanger war, als die Bombe explodierte. Sie war mit ihrem älteren Kind in der Wohnung. Die Frau leidet unter Depressionen und Panikstörungen. Eineinhalb Stunden wurde am Donnerstag der Psychologe der Frau befragt, ob die Panikattacken von der Explosion herstammen oder schon vorher da waren. Und am Ende erklärte der Verteidiger von Zschäpe, er sei der Meinung, dass die Frau aus der Keupstraße nicht als Nebenklägerin am Prozess teilnehmen könne. Offenbar weil sie auch schon vorher psychische Probleme hatte. Damit wäre auch ihr Anwalt Hoffmann draußen.

Richter Götzl wollte das Thema Keupstraße vom NSU-Prozess abtrennen

Schon von Beginn an gab es Diskussionen um die Nebenkläger aus der Keupstraße. Richter Manfred Götzl regte an, das Thema Keupstraße vom NSU-Prozess abzutrennen. Es hagelte Proteste. Es treten nun schwer gezeichnete Menschen auf, aber auch Menschen, von denen man nicht recht weiß, ob sie wirklich geschädigt wurden. Schon am Mittwoch hatte der Richter scharf gefragt, als es darum ging, ob ein junger Mann zurecht Nebenkläger ist, der bei der Explosion mit dem Auto um die Ecke in die Keupstraße gebogen ist.

Dann traten am Donnerstag der Zeuge Franz Peter Schiffer und seine Schwiegermutter auf und warfen weitere Fragen auf. Schiffer stand mit seinem Wagen vor der Garage in der Keupstraße, als die Bombe losging. Seine Schwiegermutter saß in der Wohnung und hörte den Knall. Beide wurden vom Gericht zunächst als Nebenkläger geführt. Doch Schiffer erklärte, er habe nie Nebenkläger sein wollen. Die Familie habe sich dagegen entschieden. "Dieser Rechtsanwalt ist an uns herangetreten und wollte uns überzeugen, dass wir als Nebenkläger auftreten."

Er habe ihm zwar gesagt, dass sein Auto einen Totalschaden habe, aber nichts über seelische Schäden nach der Explosion. Das stehe aber in den Akten, sagt der Richter. Und fragt: "Haben Sie den Anwalt jemals bevollmächtigt?" - "Nein", sagt der Zeuge. Der Richter will der Sache offenbar auf den Grund gehen. "Würden Sie Herrn Rechtsanwalt Tikbas von seiner Schweigepflicht entbinden?", fragt er. "Ja, natürlich", sagt der Zeuge. Man sieht, wie ein Lächeln über die Gesichter auf der Anklagebank huscht. Es wird noch intensive Fragen geben in diesem Gericht.

Anwalt Ferhat Tikbas selbst ist an diesem Tag nicht im Prozess. Am Telefon sagt er, er habe mehrmals mit der Familie gesprochen. Es war ausdrücklich gewollt, dass er den Antrag auf Nebenklage stelle. Er habe die Vertretung bei Gericht angezeigt und geschrieben, dass die Vollmacht der Mandanten nachgereicht werde. Es sei kurz vor Prozessbeginn gewesen. Die Familie Schiffer habe die Vollmacht dann aber nicht mehr unterschreiben wollen. In der Zwischenzeit habe ihn das Gericht aber schon als Anwalt beigeordnet. Er habe das dann umgehend rückgängig gemacht. "Die Aussage des Zeugen ist sehr ärgerlich", sagte Tikbas der SZ.

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