Wolfsburg-Transfer Schürrle:Ein Held für den stolzen VfL

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Teil eines Spiels für die Ewigkeit: André Schürrle nach seinem 6:0 im WM-Halbfinale gegen Brasilien. Nun kehrt er in die Bundesliga zurück.

(Foto: AFP)
  • Mit dem bevorstehenden Transfer von Weltmeister André Schürrle zeigt der Fußball-Bundesligist VfL Wolfsburg vor allem Finanzstärke.
  • Am glücklichsten darüber ist Ivica Olic, der zum Hamburger SV wechseln darf.
  • Hier geht's zum Spielplan und der Tabelle der Bundesliga.

Von Carsten Eberts

Im Norden des Fußballlandes leisten sich zwei Klubs kurz vor dem Rückrundenstart neue Stürmer, und die Transfers sagen einiges darüber aus, wo die Vereine gerade stehen. Der VfL Wolfsburg, stolzer Tabellenzweiter, holt sich mit André Schürrle einen besonderen Spieler: Fußball-Weltmeister, 24 Jahre alt, beste Entwicklungsaussichten. Der Hamburger SV, der wahrlich stolzere Zeiten erlebt hat, bekommt einen 35-jährigen Kroaten, der seine besten Jahre womöglich schon woanders verbracht hat: Ivica Olic.

Schürrles Transfer kommt wiederum nur zustande, weil sein Klub, der sehr stolze FC Chelsea, einen anderen für seine Position gesucht hat (Juan Cuadrado vom AC Florenz). Für Wolfsburg ist es trotzdem eine der größten Verpflichtungen der Vereinsgeschichte. Eine Delegation des Klubs war am Donnerstag nach London gereist. Am Freitagmorgen fehlten noch die Unterschriften, doch am verabredeten Wechsel gibt es wenig bis gar keine Zweifel.

Schürrles Berater Ingo Haspel bestätigte die mündliche Einigung aller Parteien, rund 30 Millionen Euro soll Schürrle kosten. Er soll in Wolfsburg einen Vertrag bis 2019 erhalten, geschätztes Jahreseinkommen: sechs Millionen Euro. Dass Manager Klaus Allofs noch am Mittwoch versicherte, dass an dieser Geschichte rein gar nichts dran sei, schmunzelnd sogar sein "Ehrenwort" gab - geschenkt. Am Freitagabend gegen den FC Bayern (20:30 Uhr, Liveticker auf SZ.de) wird Schürrle noch fehlen, danach dürfte er jedoch baldigst zum Kader stoßen.

Für Schürrle ist die avisierte Rückkehr in die Bundesliga ein logischer Schritt, wenn auch einer, der nach einem Eingeständnis klingt. Dass er es auf der Insel nicht geschafft hat. Sein Start im Sommer 2013 war vielversprechend, begeistert berichtete er von den Trainingsbedingungen beim schwerreichen Londoner Klub. Die Arbeit unter José Mourinho habe ihn fitter, körperlich robuster gemacht als noch in Leverkusen.

In dieser Spielzeit kam Schürrle jedoch nur zu fünf Startelf-Einsätzen, absolvierte kein Spiel über 90 Minuten. Eine Viruserkrankung beeinflusste ihn, er fühlte sich wochenlang schlapp, sogar Bundestrainer Joachim Löw gab ihm trotz anstehender Länderspiele im November eine Erholungspause. In London verdichteten sich da die Zeichen, dass Trainer Mourinho mit dem Deutschen nicht mehr ernsthaft plane.

Dabei war Schürrle im Sommer noch ein Held gewesen: Bei der WM in Brasilien hatte er mit drei Toren, zwei davon bei 7:1 im Halbfinale gegen Brasilien, und der entscheidenden Vorlage zum goldenen Finaltor durch Mario Götze seinen Anteil am Titelgewinn - auch wenn er stets nur Einwechselkraft war. Seine rasanten Sprints und Dribblings brachten einige Gegner aus dem Gleichgewicht.

Und der HSV? Freut sich auf den alten Olic

Mit seinem Wechsel nach Wolfsburg entscheidet er sich nun für eines der ehrgeizigsten Projekte der Liga, das vermutlich bald in der Champions League vorspielen darf. Dort, wo sich Schürrle selbst auch sieht.

Einmal mehr beweist Wolfsburg damit, dass der Klub mit dem vermögenden Hauptsponsor und Gesellschafter VW in der Lage ist, die ganz großen Summen in der Bundesliga zu zahlen. Schon im vergangenen Winter kam der Belgier Kevin De Bruyne für 22 Millionen Euro, übrigens auch vom FC Chelsea. Nun die nächste finanzielle Großtat. Vor einigen Tagen hatte Wolfsburg der Uefa einen umfangreichen Fragenkatalog zum Financial Fairplay zurückgesandt. Bei positivem Ausgang sei der langfristige Angriff auf die Bayern möglich, erklärte Allofs. 30 Millionen Euro, das ist die oberste Kategorie. So viel kostete auch Mario Gomez, als er 2009 vom VfB Stuttgart zum FC Bayern ging.

Ein Plätzchen für Schürrle sollte im zwar breiten, aber nicht auf allen Positionen doppelt hochklassig besetzten Kader zu finden sein. In der Offensive spielte Trainer Dieter Hecking zuletzt mit Vierinha, De Bruyne, Ivan Perisic und Bas Dost, wobei Letzterem bei den Wolfsburgern auch schon weniger Vertrauen entgegengebracht wurde. Schürrle ist am Stärksten, wenn er über die linke Seite ins Zentrum sticht. Eine Zweckentfremdung droht ihm in Ostniedersachsen vermutlich nicht.

Und der HSV? Freut sich auf den alten Olic. Und der alte Olic freut sich auf den HSV. Zwei Millionen Euro sollen die Hamburger an Wolfsburg zahlen, was deutlich weniger ist als jene sechs Millionen Euro, die wohl für den Leverkusener Josip Drmic fällig geworden wären (was den besorgten HSV-Schatzmeister freut). Dass sich der HSV damit für einen Stürmer entscheidet, der in seinem Alter zwar gut in Schuss ist, sich aber mit 35 Jahren auf den letzten Metern seiner Karriere befindet, ist nebensächlich. Für den Klub geht es darum, die Klasse zu halten, dabei soll Dauerrenner Olic helfen. Neben Pierre-Michel Lasogga steht nun ein zweiter Stürmer von Format im Kader.

Für den Kroaten ist es auch eine Heimkehr: Schon von 2007 bis 2009 spielte er für den HSV, schoss in 78 Spielen 29 Tore, ehe er zum FC Bayern und später nach Wolfsburg wechselte, wo er seinen Lebensabend vermutlich finanziell absicherte. Nun ist er für die Hamburger wieder erschwinglich. Nach dem Donnerstagtraining in Wolfsburg, so Olic, sei Manager Allofs in der Kabine gestanden und habe gesagt, dass er wieder nach Hause könne. Lange hatte der HSV um ihn gebaggert, durch den Schürrle-Transfer war der Weg plötzlich frei. Olic soll sehr, sehr glücklich gewesen sein.

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