AfD-Parteitag in Bremen:Aufruf zu Fairness und Menschlichkeit

AfD Bundesparteitag in Bremen

"Lassen Sie uns bitte gemeinsam der Verantwortung gerecht werden, die wir für die Zukunft unserer Partei haben": Bernd Lucke richtet sich in einem kurzen Grußwort an die Partei.

(Foto: dpa)
  • In Bremen findet der 3. Bundesparteitag der Alternative für Deutschland (AfD) statt. Mehr als 2000 Parteimitglieder haben sich dazu angemeldet.
  • Zum Auftakt mahnt die Parteispitze einen fairen Umgang und Kompromissbereitschaft an.
  • Ziel ist es, eine neue Satzung zu beschließen. Hauptstreitpunkt war bereits im Vorfeld die künftige Führungsstruktur der Partei.

Eine Reportage von Jens Schneider, Bremen

Es war noch nicht einmal acht Uhr, da stellte sich ein aufgebrachtes AfD-Mitglied an eines der Saal-Mikros und stellte einen sehr besonderen Antrag zur Geschäftsordnung: "Ich möchte beantragen, dass wenn noch weitere solch schwachsinnige Anträge gestellt werden,...". So weit kam er. Dann lachten viele in der Halle, andere buhten, manche applaudierten. Und der aufgebrachte junge Mann wurde vom Tagungspräsidium der AfD beschieden, dass sein Antrag unzulässig sei. Leider, werden manche in der Parteispitze da gedacht haben.

Denn das kleine Chaos kam an diesem Freitagabend noch schneller und härter über den 3. Bundesparteitag der Alternative für Deutschland, als selbst Skeptiker in der Parteiführung befürchtet hatten. Mehr als tausend Mitglieder waren schon zum Beginn beim Parteitag in Bremen dabei, und nach der Eröffnungsrede verkeilten sich einige davon in einer langen, hitzigen Debatte über die Tagesordnung des dreitägigen Treffens. Wie soll das Tagungspräsidium aussehen? Wie lang darf die Redezeit sein? Wer darf wie lange persönliche Erklärungen abgeben?

AfD Bundesparteitag

Vorbereitungen für den AfD-Parteitag in Bremen: In der Wahrnehmung der Bürger ist die AfD in den vergangenen Monaten nach rechts gerückt.

(Foto: Ingo Wagner/dpa)

Die einen wollten zig verschiedene Änderungsanträge zur Tagesordnung stellen und abstimmen. Sie hatten sich gut vorbereitet: "Wir wollen eine demokratische Partei sein. Da können wir nicht einfach hingehen und 45 Änderungsanträge in den Mülleimer werfen", sagte ein Redner. Andere wollten durchziehen und anfangen.

Einer der Versammlungsleiter, Bernd Kölmel aus Baden-Württemberg, klagte bald, hier werde versucht, den Fortgang des Parteitags zu sabotieren. Nicht nur deshalb war wiederum der Antrag gestellt worden, dass Kölmel nur noch fünf Millisekunden Redezeit haben sollte. Auch ein unzulässiger Antrag.

Gegen acht Uhr wollte man mit der Tagesordnung fertig sein, um halb neun schien ein Ende dieser Debatte noch nicht abzusehen. Dann aber beschlossen die Mitglieder mehrheitlich, dass die 45 Änderungsanträge eben doch nicht besprochen werden sollten. Kurz danach war die Tagesordnung dann beschlossen.

Es geht um eine Professionalisierung der Partei

Die erregte Debatte bis dahin gab freilich einen Vorgeschmack auf das, was in diesen drei Tagen von Bremen wohl zu erwarten ist, wenn es um mehr geht als die Geschäftsordnung: In der Hauptsache will die AfD über eine neue Satzung beraten und damit auch endgültig den Streit beenden, der darüber in den letzten Monaten ausgebrochen war. Es geht um eine Professionalisierung der Partei, sie soll ab dem Dezember nur noch einen Vorsitzenden haben. Das aber sehen manche in der AfD nicht ein. Sie fürchten, dass dann nicht mehr das ganze Meinungsspektrum der Partei vom Vorsitzenden repräsentiert wird. Beginnen soll diese Diskussion am Samstag.

Zu Beginn der Tagung hatten die derzeit drei Vorsitzenden der Partei appelliert, doch möglichst konstruktiv und fair zu arbeiten und ein gutes Bild abzugeben. Es gehe darum, "die Einheit der Partei zu bewahren und zugleich die Effizienz der Führung sicherzustellen", sagte die Bundesvorsitzende Frauke Petry in ihrer Eröffnungsrede. "Gewinner und Verlierer haben die Verpflichtung, auch die jeweils andere Seite einzubinden."

Über die neue Satzung und insbesondere die künftige Führungsstruktur hatte es innerhalb der Partei und vor allem der Parteispitze vor der Tagung in Bremen massive Differenzen gegeben. Diese Diskussionen hätten die AfD "mehr als in Atem gehalten", sagte Petry.

Ab Dezember nur noch ein Vorsitzender

Bisher hat die Partei drei Vorsitzende, neben dem Ökonomen Bernd Lucke sind es Frauke Petry aus Sachsen und der Publizist Konrad Adam aus Hessen. Lucke fordert seit Längerem, dass es nur noch einen Vorsitzenden geben soll - zunächst ihn. Petry und Adam lehnen dies eigentlich ab. Nach heftigen inneren Konflikten verständigten sich beide Seiten kurz vor dem Parteitag aus Sorge um den Bestand der AfD, wie es hieß, auf einen Kompromissvorschlag.

Der Satzungskompromiss sieht vor, dass die AfD erst ab dem Dezember und nicht wie zuvor geplant im April nur noch einen Vorsitzenden haben soll. Bis dahin soll ein Parteiprogramm beschlossen sein, dem dieser Vorsitzende dann verpflichtet wäre. Genau das war Luckes Widersachern wichtig, weil sie fürchteten, dass er den eher nationalkonservativen Flügel nicht hinreichend vertreten würde.

Aufruf zu Fairness und Menschlichkeit

Frauke Petry mahnte in ihrer Begrüßungsrede Fairness und Menschlichkeit bei internen Auseinandersetzungen an. Das müsse sich "auch der Bundesvorstand hinter die Ohren schreiben", sagte sie. In der Parteispitze hatten sich einige Mitglieder insbesondere um Weihnachten in E-Mails massiv angegriffen, persönliche Kränkungen prägten den Konflikt. Auch in den Landesverbänden waren Auseinandersetzungen häufig von persönlichen Fehden bestimmt. Petry appellierte an die Mitglieder, künftig "lieber einen Telefonhörer in die Hand zu nehmen als E-Mails an einen großen Verteiler zu schreiben".

Zuvor hatte auch Bernd Lucke in einem kurzen Grußwort an die Partei appelliert: "Lassen Sie uns bitte gemeinsam der Verantwortung gerecht werden, die wir für die Zukunft unserer Partei haben." Auch Konrad Adam bat die Mitglieder um eine konstruktive Haltung, nachdem er zuvor die "Altparteien", wie die etablierten hier genannt werden, heftig angegriffen hatte: Die Mitglieder seien zu Tausenden nach Bremen gekommen, um den Altparteien den Marsch zu blasen, sagte er.

"Ich bin ganz gerührt, wie Sie mich begrüßt haben"

Der in der Parteispitze umstrittene Lucke war vom Parteitag schon beim ersten Erscheinen auf der Bühne mit heftigem Beifall empfangen worden. "Ich bin ganz gerührt, wie Sie mich begrüßt haben, ehe ich auch nur die Chance hatte, Sie zu begrüßen." Lucke war in den letzten Monaten unter anderem vom Brandenburger AfD-Chef nachgesagt worden, er sei ein Kontroll-Freak und wolle alles in der Partei in der Hand halten.

Mehr als 2000 Mitglieder der AfD haben sich für den Parteitag angemeldet. Das übersteigt bei weitem den von der Parteispitze erwarteten Rahmen. Petry sprach stolz vom "größten Parteitag der Nachkriegsgeschichte". Lucke hat für den Samstag eine nicht-öffentliche persönliche Erklärung angekündigt, mit der er sich in der Satzungsdebatte an die Mitglieder wenden und um Zustimmung werben will.

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