Glossar zur Super Bowl:Mit Marihuana-Marinade durch die Nacht

Glossar zur Super Bowl: Sängerin Katy Perry wird während der Halbzeitpause des Super-Bowl-Finales auftreten - sie feut sich sichtlich.

Sängerin Katy Perry wird während der Halbzeitpause des Super-Bowl-Finales auftreten - sie feut sich sichtlich.

(Foto: David J. Phillip/AP)
  • Wer die Super Bowl verstehen will, braucht ein Glossar: Das amerikanische Riesenevent von A bis Z.
  • Es geht um Geld, große Popmomente und Fastfood.

Von Jürgen Schmieder, Phoenix

Mit den New England Patriots und den Seattle Seahawks treten in der Nacht zum Montag die Klubs zweier superreicher Besitzer zum Finale der nordamerikanischen Football-Liga NFL an. Das Spektakel ist in allen Facetten ein gigantisches Geschäft. Ein Überblick von A wie Aberglaube bis Z wie Zuschauer.

Aberglaube: Bill Belichick folgte im Jahr 1999 als Coach der New England Patriots auf Pete Carroll - der mittlerweile die Seattle Seahawks trainiert. In der Geschichte der NFL hatte es bislang nur zwei Endspiele gegeben, bei denen sich Vorgänger und Nachfolger gegenüberstanden (Super Bowl 3 & 37). Es gewann jeweils der Vorgänger, was Fans der Seahawks nun als positives Zeichen werten. (—> Microsoft)

Brady, Tom: Quarterback der New England Patriots. Steht nun zum sechsten Mal im Finale - das hat als Spieler vor ihm nur Mike Lodish geschafft. Könnte es als Spielmacher zum vierten Mal gewinnen - das gelang nur Terry Bradshaw und Joe Montana. Ist übrigens verheiratet mit Gisele Bündchen - das hat nicht mal Leonardo DiCaprio erreicht.

Chicken Wings: Etwa 1,3 Milliarden Hühnchenflügel werden am Sonntag allein in den Vereinigten Staaten verputzt, das sind etwa vier pro Einwohner. Die Rezepte sind dabei so unterschiedlich wie die für die Füllung von Truthähnen an Thanksgiving - es gibt sogar eines für eine Marihuana-Marinade.

Deflate-Gate: Skurriler Skandal nach dem Halbfinale zwischen New England und Indianapolis - es ging um den Luftdruck in den Spielbällen. Dürfte im Endspiel keine Rolle spielen, die NFL hat 52 Bälle dabei und pumpt jeden einzelnen selbst auf.

Erdbeben: Ist im Stadion der University of Phoenix nicht zu befürchten - so was gibt es nur in Seattle, wenn Marshwan Lynch zu einem Lauf ansetzt. "Beast Mode" nennen das die Fans, wenn Lynch mehrere Verteidiger abschüttelt. Beim Halbfinale gegen die Green Bay Packers wurde aufgrund des Fan-Jubels wieder mal ein kleines Erdbeben gemessen. Lynch ist im Finale dabei - und beantwortete bislang ungefähr 5000 Reporterfragen so: "Danke für die Frage, ich weiß das sehr zu schätzen." Nur eine nicht. (—> O'Brien, Conan)

Von Fernsehen bis Microsoft

Fernsehen: Dürfte weltweit etwa eine Milliarde Menschen mit Fast-Live-Bildern (—> Verzögerung) beliefern. In Deutschland überträgt Sat.1, die Partie beginnt pünktlich um 0.30 Uhr MEZ.

Geschlecht: Ja, es heißt wirklich die Super Bowl, weil "Bowl" englisch für "Schüssel" ist. Das Finale selbst hat mit einer Schüssel nichts zu tun. Das Stadion der Yale University, erbaut 1935, wurde wegen seiner Schüsselform "Yale Bowl" genannt. Ein paar Jahre später gab es in Pasadena ebenfalls ein neues Stadion, das dann "Rose Bowl" getauft wurde. Wichtige Spiele im College-Football wurden dort ausgetragen und jeweils "Rose Bowl Games" genannt. Als die Profiliga NFL für ihr Endspiel einen Namen suchte, schlug der Besitzer der Kansas City Chiefs, Lamar Hunt, ganz ohne Demut "Super Bowl" vor. Weil die Amerikaner dem Größenwahn nicht abgeneigt sind, fanden alle den Namen klasse.

Halbzeitshow: Mindestens so wichtig wie das Spiel selbst, zumindest erklären 20 Prozent aller Zuschauer, nur wegen des Konzerts während der Halbzeit einzuschalten. In diesem Jahr treten Katy Perry und Lenny Kravitz auf. Weil dieses Kurz-Konzert prägend für eine Künstler-Karriere (die Albumverkäufe von Bruno Mars stiegen im vergangenen Jahr um 206 Prozent) sein kann, wollte die NFL in diesem Jahr für die Nominierung bezahlt oder an künftigen Konzert-Einnahmen beteiligt werden. Pay to play heißt das, doch kein bedeutsamer Sänger wollte sich darauf einlassen.

Internet: Im vergangenen Jahr gab es während der Partie 25,3 Millionen Twitter-Einträge - eine Umfrage ergab, dass in den USA 57 Prozent aller Zuschauer nebenbei entweder bei Facebook oder Twitter Einträge lesen und/oder einstellen. Mehr als 60 Prozent der Werbetreibenden (—> Werbung) werden deshalb einen Hashtag einblenden.

Juhuuu: Ausruf der Produzenten jener Fernsehserie, die nach dem Finale vom übertragenden Sender ausgestrahlt wird. "Friends" sahen im Jahr 1996 mehr als 52 Millionen Amerikaner, bei "New Girl" im vergangenen Jahr waren es immerhin 26 Millionen. Heuer zeigt NBC eine Folge der Serie "The Blacklist". (—> Fernsehen)

Kraft, Robert: Besitzer der New England Patriots. Die Seattle Seahawks gehören Paul Allen. Das Finale ist der Beweis, dass US-Sportvereine meist Spielzeug superreicher Menschen sind. Das kumulierte Vermögen von Kraft und Allen beläuft sich laut Forbes auf 21 Milliarden Dollar.

Legion of Boom: Spitzname für die hintere Verteidigungsreihe, mittlerweile für die komplette Defensive der Seattle Seahawks. Gilt als Bezeichnung mindestens so martialisch wie "Monsters of the Midway" (Chicago Bears, 1940-41 und 1985), "Big Blue Wrecking Crew" (New York Giants, 1980er Jahre) und "Doomsday Defense" (Dallas Cowboys, 1966-74).

Microsoft: Hat ein Programm entwickelt, das Cortana heißt und Sportereignisse prognostiziert - es lag bei der Fußball-WM 2014 vom Achtelfinale an nur ein Mal falsch. Tipp für die Super Bowl: 24:23 für die Patriots, was deren Fans zuversichtlich stimmt. (—> Aberglaube)

Von Nationalhymne bis Toilettenbesuch

Nationalhymne: Nach Christina Aguilera 2011 (mit zahlreichen Fehlern), Kelly Clarkson 2012 (fehlerfrei), Alicia Keys 2013 (ebenfalls fehlerfrei) und im vergangenen Jahr Renée Fleming (grandios) ist in diesem Jahr Idina Menzel dran - die inoffizielle Hymne "America The Beautiful" wird von John Legend gesungen. Weder Menzel noch Legend haben für ihren Auftritt bezahlt. (—> Halbzeitshow)

O'Brien, Conan: Dem Moderator gelang das wohl lustigste Interview vor dem Finale. Er brachte Marshawn Lynch (—> Erdbeben) zum Reden und zum Duell mit dem gegnerischen Offensivspieler Rob Gronkowski - nicht im Football, sondern im Prügel-Computerspiel "Mortal Kombat X". Zu sehen auf jedem gut sortierten Streamingportal.

Phallus: Nicht einmal die zu gewinnende Trophäe, die Vince Lombardi Trophy, sieht aus wie eine Schüssel (—> Geschlecht). Es handelt sich um einen silbernen Football, der auf einem durchaus phallischen Symbol angebracht ist. Entworfen und produziert wurde dieses Ding von der Firma Tiffany & Co. In jedem Jahr gibt es übrigens eine neue Version, die das siegreiche Team behalten darf.

Qualifikation: New England und Seattle sind die topgesetzten Vereine der jeweiligen Conferences. Die Patriots (Bilanz: 12:4) besiegten in den Playoffs die Baltimore Ravens und die Indianapolis Colts, die Seahawks (12:4) gewannen gegen die Carolina Panthers und die Green Bay Packers.

Richard Sherman: Verbales Gegenstück zu Marshawn Lynch (—> Erdbeben). Hatte im vergangenen Jahr nach dem Halbfinale eine Tirade präsentiert, die sonst nur von Vertretern der Show-Sportart Wrestling zu bewundern ist. Gilt seitdem als Großmaul aus der Gangsterstadt Compton, ist in Wirklichkeit aber Absolvent der Elite-Uni Stanford. Mitglied der "Legion of Boom" (—>), die am Sonntag Tom Brady (—>) das Leben schwer machen soll.

Superkranker Montag: Der Tag nach dem Finale gilt in den USA als "Supersick Monday" - weil sich sechs Prozent aller Arbeitnehmer krank melden. Das könnte daran liegen, dass am Tag zuvor so viel Chicken Wings (—>) verputzt werden. Oder Bier im Wert von mehr als einer Milliarde Dollar getrunken wird: Mehr wird in Amerika nur am 4. Juli gesoffen.

Toilettenbesuch: Ist entgegen zahlreicher Mythen auch in Auszeiten und Viertelpausen erlaubt. Ja, es werden wohl etwa 120 Millionen Amerikaner zusehen - und viele werden sich dann erleichtern wollen, wenn gerade nicht gespielt wird. Die Wasserversorgung ist dennoch überall in den USA gewährleistet.

Von Umsatz bis Zuschauer

Umsatz: Beträgt allein im Bundesstaat Nevada etwa 120 Millionen Dollar - so viel Geld wurde im vergangenen Jahr gewettet. Insgesamt belaufen sich die Ausgaben der Amerikaner für dieses Spiel (neuer Fernseher, Bier, —> Chicken Wings) auf mehr als 14 Milliarden Dollar.

Verzögerung: Seit Nipplegate - Justin Timberlake entblößte im Jahr 2004 die Brust von Janet Jackson - wird das Spiel mit einer Verzögerung von fünf Sekunden übertragen. Sollte es einen ähnlichen Fall geben, würde das Fernsehbild sogleich schwarz werden. Übrigens auch in Deutschland. (—> Fernsehen)

Werbung: Mindestens so bedeutend wie das Spiel und die Halbzeitshow (—>). Kostet in diesem Jahr 4,5 Millionen US-Dollar pro 30 Sekunden Sendezeit. Kurz vor dem Finale waren noch nicht alle Plätze verkauft - was vor allem daran liegt, dass zahlreiche Autohersteller in diesem Jahr auf einen Spot verzichten. Zum ersten Mal in der Geschichte verzichtet ein Unternehmen auf die Ausstrahlung eines geplanten Spots: GoDaddy wird statt eines herzlosen Hundefilms nach heftigen Protesten nun eine andere Werbung zeigen.

X-Chromosom: Spielt bei der Super Bowl eine nicht unbedeutende Rolle - in den USA waren im vergangenen Jahr 46,8 Prozent der Zuschauer weiblich, es sahen 52,6 Millionen Frauen zu. Zum Vergleich: Bei den Oscars waren es insgesamt nur 43,7 Millionen Zuschauer (Frauenanteil: 56 Prozent).

Yeaaaaaah: Traditioneller Anfeuerungsruf von Cheerleadern. Beide Vereine bringen leicht bekleidete hübsche Frauen mit. Ein Endspiel ohne Cheerleader gab es in der Geschichte erst ein Mal: Im Jahr 2011 spielten die Green Bay Packers gegen die Pittsburgh Steelers. Beide Vereine gehören zu den sechs Football-Klubs (weitere: Chicago Bears, Cleveland Browns, Detroit Lions und New York Giants), die keine Cheerleader beschäftigen.

Zuschauer: Bezahlen offiziell 800 Dollar für das billigste Ticket, auf dem Schwarzmarkt jedoch durchschnittlich 6000 Dollar pro Eintrittskarte. Das war bei der ersten Super Bowl im Jahr 1967 noch anders: Das Stadion war nicht einmal ausverkauft, von der Partie gibt es nicht einmal mehr eine Videoaufzeichnung.

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