WM-Abschluss der deutschen Handballer:Helden auf dem Zahnfleisch

Qatar 2015 M85 GER vs SLO

Erfolg im letzten Spiel: Der deutsche Handballer Uwe Gensheimer

(Foto: Diego Azubel/dpa)
  • Die deutschen Handballer müssen nicht mehr durchs Hintertürchen zu Großereignissen: Mit dem Sieg gegen Slowenien sichern sie sich die Teilnahme an der Olympia-Qualifikation.
  • Die Enttäuschung über das Aus gegen Katar ist jedoch noch nicht verarbeitet.
  • Die Ergebnisse der WM in Katar finden Sie hier.

Von Joachim Mölter, Doha

Für den deutschen Handball-Bundestrainer Dagur Sigurdsson gibt es zwei Arten von Helden. Offensichtliche, wie seinen Kapitän Uwe Gensheimer, der mit 13 Toren sein Team angeführt hatte beim 30:27 (16:14) im abschließenden WM-Spiel gegen Slowenien. Und heimliche, wie seinen Vize-Kapitän Steffen Weinhold, der zwar nur ein Tor markiert, aber überhaupt gespielt hatte - trotz einer Adduktorenzerrung. "Heute hat der Wille den Unterschied gemacht", resümierte Sigurdsson: "Weinhold wollte spielen - Uros Zormann, der Mittelmann der Slowenen, der eine ähnliche Verletzung hat, wollte nicht."

Jeder deutsche Handballer sei an diesem Samstag "noch mal an die Schmerzgrenze gegangen", sagte der beim deutschen Rekordmeister THW Kiel beschäftigte Weinhold bescheiden: "Ich wusste, dass ich nicht 100 Prozent geben kann, aber ich habe halt versucht, mich mit 80 Prozent einzubringen. Ich wollte heute unbedingt gewinnen."

"Sie haben ihre Nominierung im Nachhinein gerechtfertigt"

Für die Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) war es weniger um den siebten Rang gegangen im Abschlussklassement dieser WM, den sie durch den Sieg über Slowenien belegte. Sondern vielmehr um das mit diesem siebten Platz verbundene Teilnahmerecht an einem der drei Olympia-Qualifikationsturniere im Frühjahr 2016. "Das war verdammt wichtig, dass wir das aus eigener Kraft geschafft haben", bilanzierte Teammanager Oliver Roggisch, "und nicht irgendwie wieder reinrutschen müssen." Für die WM in Katar war das DHB-Team ja bloß mittels einer Wildcard des Weltverbandes IHF nachgerückt; die sportliche Qualifikation hatte es im vorigen Sommer verpasst.

DHB-Präsident Bernhard Bauer freute sich hernach vor allem über die Art und Weise, "wie die Mannschaft hier aufgetreten ist". Damit habe sie ihre Nominierung im Nachhinein gerechtfertigt und Hoffnungen für die Zukunft geweckt: "Wenn man sieht, welche Kräfte die Mannschaft heute nochmal in die Waagschale geworfen hat, muss man sagen, sie hat Charakter", lobte Bauer, "das ist neben dem spielerischen Potenzial das wichtigste für die Zukunft."

Nach zwei Niederlagen - 24:26 gegen Katar im Viertelfinale und 23:28 gegen Kroatien im ersten Platzierungsspiel - hatte die DHB-Auswahl gegen Slowenien wieder an ihre vielversprechenden Leistungen aus der Vorrunde anknüpfen können, wo sie mit vier Siegen und einem Unentschieden Gruppenerster geworden war. Nach einem weiteren überzeugenden Erfolg über Ägypten im Achtelfinale (23:16) hatte sie sogar Medaillen-Erwartungen geweckt; die Enttäuschung nach dem Aus im Viertelfinale war groß gewesen - und auch am Samstag noch nicht verarbeitet. "Das ist immer noch im Kopf", gab Weinhold zu.

Sloweniens Top-Angreifer bleibt ungefährlich

Bei allen steckte zudem die Belastung von neun Spielen in 18 Tagen in den Beinen, vor allem der Jüngste im Team, der 19 Jahre alte Paul Drux, hatte gegen Kroatien kraftlos gewirkt und war von Sigurdsson frühzeitig vom Feld geholt worden. Um Drux im letzten WM-Spiel zu entlasten, machte der Bundestrainer von seiner letzten Wechseloption während des Turniers Gebrauch und holte den Rückraumspieler Fabian Böhm zurück ins Team für den Linksaußen Matthias Musche.

Dass Weinhold und Drux gegen Slowenien zurück in der Startformation waren, gab der Mannschaft wieder mehr Sicherheit im Angriff. Wie zu Turnierbeginn ließen die deutschen Handballer den Ball lange laufen, um die gegnerische Abwehr auseinanderzuziehen. Erst wenn sich dort eine wirklich große Lücke auftat, suchten sie den Abschluss.

Hinten dicht

Und wie zu Turnierbeginn fruchteten auch die taktischen Umstellungen, die Bundestrainer Sigurdsson im Lauf der Partie vornahm. Nach einem holprigen Beginn (4:7/12.) bat er zur Auszeit. Danach kam die Mannschaft besser ins Spiel, "dann haben wir hinten dicht gemacht", sagte der vierfache Torschütze Patrick Wiencek. Die Slowenen kamen zu keinen leichten Toren mehr, ihr Rechtsaußen Dragan Gajic - der beste Torjäger des Turniers mit insgesamt 71 Treffern - bekam kein einziges Mal die Gelegenheit zu seinen gefürchteten Gegenstößen.

Innerhalb von nur siebzig Sekunden nach Sigurdssons Auszeit glichen seine Spieler zum 7:7 aus, ein paar Minuten später erzielte Böhm die erste Führung für die DHB-Auswahl (10:9/19.), die sie fortan nicht mehr abgab. Als Uwe Gensheimer mit seinem zehnten Tor auf 22:18 (39.) erhöhte, hatte man nicht mehr das Gefühl, dass die deutsche Mannschaft dieses Spiel noch verlieren könnte. Sie kontrollierte das Geschehen, die Slowenen wussten sich allenfalls noch mit harten Fouls zu helfen. Für eins gegen den deutschen Spielmacher Martin Strobel sah der Slowene Luka Zvizej sogar die rote Karte (44.).

Der offensichtliche Held des Abends, Kapitän Uwe Gensheimer, sagte nach dem letzten Kraftakt: "Wir spüren alle, dass es ein langes Turnier war, da geht man auf dem Zahnfleisch. Aber wir haben uns für eine gute Weltmeisterschaft belohnt." DHB-Präsident Bauer sah das genauso: "Das war ein wunderbarer Abschluss."

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