Leverkusen gegen Dortmund:Kampf zwischen schottischen Drittligisten

Bayer 04 Leverkusen - Borussia Dortmund 0:0

Viel Kampf: Leverkusens Stefan Kießling (rotes Trikot) und Dortmunds Mats Hummels

(Foto: dpa)

Vizemeister und Tabellenletzter: Dortmund musste in Leverkusen ein Mittel finden, die vielen Fehler der Hinrunde nicht zu wiederholen. Das torlose Unentschieden ist immerhin ein kleines Erfolgserlebnis. Aber es beantwortet keine der drängenden Fragen.

Von Milan Pavlovic, Leverkusen

Wer 42 Tage Zeit hat, Dinge in Ordnung zu bringen, hat nicht nur alle Möglichkeiten. Er hat auch viel, vielleicht zu viel Zeit, über Fehler zu grübeln und sich Zweifeln zu ergeben. Und er hat außerdem viel Zeit zu reden. Die Verantwortlichen von Borussia Dortmund haben nach dem letzten Hinrundenspiel (einem blamablen 1:2 in Bremen) in der Winterpause kaum eine Gelegenheit ausgelassen, über die Fehler und Unglücke der Hinrunde zu informieren und darüber zu dozieren, wie alles besser werden soll. Nach all den Erklärungen, Beschwörungen und guten Vorsätzen wurde am Samstagabend endlich wieder Fußball gespielt, wobei das 0:0 bei Bayer Leverkusen einige Antworten bereit hielt - aber längst nicht die erhofften klaren Antworten brachte.

"Das ist der Vizemeister und nicht der Vorletzte", hatte der Leverkusener Stürmer Karim Bellarabi vor der Partie gesagt - er konnte ja nicht ahnen, dass er zum Anpfiff schon widerlegt sein würde. Denn nach dem Sieg des SC Freiburg am Nachmittag begann Jürgen Klopps Team die Partie sogar als Tabellenletzter.

Dortmund schien davon nicht beeindruckt zu sein. Beide Teams machten von Beginn an ihrem Ruf als extreme Pressmaschinen alle Ehre. Nicht selten wurde der jeweilige Ballführende von vier oder gar fünf Gegnern bestürmt, vor allem in den ersten fünf Minuten, als beide Teams den Eindruck erweckten, sie wollten nicht bloß ein Zeichen setzen, sondern irgendwie die komplette Rückrunde gewinnen.

Kämpferische aber blinde Bemühungen schottischer Drittligisten

Es geht in solchen Partien darum, im entscheidenden Moment den Pass zu spielen, der den Raum hinter der Meute öffnet. Beide Teams haben die Spieler für solche Momente. Aber trotz ansehnlicher Ansätze gelang es weder Bellarabi und Calhanoglu noch dem nach etlichen Verletzungen genesenen Marco Reus, die Lücken mit präzisen Zuspielen aufzureißen. Meistens waren die Bälle so schnell wieder verloren, wie sie vorher erkämpft worden waren.

Kritische Beobachter verglichen das Spiel überspitzt mit den kämpferischen, aber auch etwas blinden Bemühungen schottischer Drittligisten. Doch dank der hohen Intensität war das Treiben anfangs auch ohne prickelnde Torszenen unterhaltsam: Der in Leverkusen ausgebildete, vor kurzem aber aus Salzburg nach Dortmund gewechselte Slowene Kevin Kampl klärte am eigenen Sechzehner mit Zidane-Drehung auf dem Ball (9.); Drmic hieß Kampl in der Liga willkommen, indem er ihm auf den Fuß stieg (14.).

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Dortmund stellte in der Hinrunde bekanntlich das schwächste Auswärtsteam der Liga, mit nur einem Punkt aus den vergangenen acht Partien - vor allem weil dem Meister von 2011 und 2012 reihenweise haarsträubende individuelle Patzer unterliefen. Auch in Leverkusen wirkte längst nicht alles sicher. Mats Hummels weigerte sich schon nach 20 Sekunden, einen Rückpass konventionell auf die Tribüne zu klären und schob den Ball beinahe in den Lauf von Bellarabi; 30 Sekunden später spielte Kevin Großkreutz einen uninspirierten Querpass in der eigenen Hälfte, was Bayers Roberto Hilbert eine gute Schussposition ermöglichte, die dieser allerdings ausließ.

Viele Dortmunder Ballverluste

Der ins Dortmunder Tor zurückgekehrte Roman Weidenfeller gab zwar mal wieder Kostproben seiner bescheidenen Künste als Fußballer, aber als Torwart war er zunächst kaum gefordert - sieht man von einem Freistoß von Calhanoglu ab (32.), der genau in seine Arme flog, konnte er mit ansehen, wie sich der BVB offensiv dem gegnerischen Tor näherte. Doch Schmelzer, Sahin und Immobile schossen nicht hart oder platziert genug, und am gefährlichsten wurde Dortmund, als der Leverkusener Wendell einen Freistoß von Marco Reus knapp neben das eigene Tor verlängerte (28.).

Ein Dortmunder Fehler war in der 39. Minute zunächst gar nicht als solcher zu erkennen: Dem engagieren Kevin Kampl sprang der Ball am Mittelkreis zu weit vom Fuß. Beim Grätschen-Zweikampf mit Stefan Kießling war der Leverkusener schneller und schickte Bellarabi steil. Der Außenstürmer dribbelte in den Strafraum und legte mit Übersicht zurück auf Gonzalo Castro. Dessen Direktschuss aus zwölf Metern passierte zwar Weidenfeller, wurde aber von Mats Hummels kurz vor der eigenen Torlinie per Kopf geklärt. Leverkusen setzte seine Konter nun präziser und vor allem Bellarabi in Szene. In der 41. Minute stoppte der Jungnationalspieler, dessen Stern mit dem Tor nach neun (9!) Sekunden im Hinspiel aufgegangen war, zwar einen Konter abrupt ab, kam aber im Anschluss zu einer Flanke, die Weidenfeller mit Mühe an die Latte und über das eigene Tor lenkte.

Zur Pause blieb Dortmunds Lukasz Piszczek in der Kabine, weshalb der zuvor grundsolide Sokratis auf die Außenbahn ging, während Neven Subotic in die Innenverteidigung neben Hummels wechselte. Im Fokus stand aber zunächst die Leverkusener Verteidigung, die in der 50. Minute den Ball in der Vorwärtsbewegung verlor. Ein gescheites Zuspiel fand Ciro Immobile im Strafraum, der aber mit seinem Schuss aus halbrechter Position an Leno scheiterte. Nach einem Missverständnis des Bayer-Torwarts mit seinem Verteidiger Toprak (55.) wäre der Ball beinahe Reus vor die Füße gefallen, doch Leno griff im letzten Moment beherzt zu.

Beide Teams waren weiter darum bemüht, dem Gegner sein Spiel aufzuzwingen. Klopp wechselte deshalb den Armenier Henrikh Mkhitaryan für Großkreutz ein (62.), aber ordnen konnte der Armenier das Geschehen nicht. Rauf und runter ging es, Leverkusen spielte einen 3-gegen-2-Konter nicht sauber zu Ende (63.), auf der anderen Seite versuchte es Immobile nach einem starken Dribbling bis zur Grundlinie mit einem Rückpass, doch Calhanoglu klärte vor dem einschussbereiten Reus (64.). Auch an der Tatsache, dass der Lenker der Leverkusener als Retter auftauchte, lässt sich ermessen, wie fleißig die Akteure waren. Mit großem Fußball sollte das allerdings niemand verwechseln.

Dortmund muss Erkenntnisse auswerten

Irgendwie bezeichnend, dass keiner der Filigran-Artisten jene Lücke fand, nach der alle suchten - sondern der eher rustikale Simon Rolfes. Der Leverkusener schob den Ball in der 76. Minute in den Lauf von Gonzalo Castro, der nun frei in den Strafraum eindrang. Doch dort ließ er auch seine zweite Großchance aus - diesmal lupfte er den Ball über Keeper Weidenfeller, aber auch über das Tor.

Jürgen Klopp suchte nicht das ultimative Risiko. Er ließ den gerade vom Afrika-Cup zurückgekehrten Gabuner Pierre-Emerick Aubameyang auf der Bank und brachte für Immobile lieber Ramos. Sahin setzte einen Volleyschuss aus 20 Metern knapp (aber deutlich genug) neben den Pfosten (84.), dann stand das 0:0 fest.

Bis zum Heimspiel am Mittwoch gegen Augsburg bleiben den Borussen nun vier Tage, um zu überlegen, wie die Erkenntnisse des Rückrundenauftakts zu werten sind. Was ist wichtiger? Die Tatsache, dass das Team bei einem Champions-League-Rivalen bestanden hat und erstmals in dieser Saison auswärts ohne Gegentor blieb - oder jene, dass Borussia Dortmund nach dem 18. Spieltag Tabellenletzter ist.

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