Frankreich:Marine Le Pen ist wieder da

Frankreich: Front-National-Parteichefin Marine Le Pen (rechts im Bild) bei einer Pressekonferenz neben Sophie Montel, Kandidatin der Partei aus dem ostfranzösischen Département Doubs.

Front-National-Parteichefin Marine Le Pen (rechts im Bild) bei einer Pressekonferenz neben Sophie Montel, Kandidatin der Partei aus dem ostfranzösischen Département Doubs.

(Foto: AFP)
  • Marine Le Pen, die Chefin der rechtsextremen Front National (FN), kann sich über gestiegene Umfragewerte und einen Wahlerfolg in einem ostfranzösischen Département freuen.
  • Le Pen hatte Mühe, nach den Pariser Terroranschlägen wieder ihren Kurs zu finden. Nun scheint sie wieder obenauf - und im Rampenlicht.
  • Kandidatin Sophie Montel beschreibt den Wahlkampf des FN im Département Doubs im Rückblick sinngemäß als "Eiertanz".

Von Christian Wernicke, Paris

Sie ist genau dort, wo sie sein will: Oben, im Rampenlicht - und in der Attacke. Begonnen hatte die Wiederkehr der Marine Le Pen am Freitag. Gleich zwei Umfragen bescheinigten der Chefin von Frankreichs rechtsextremem Front National (FN), dass 29 bis 33 Prozent ihrer Landsleute sie derzeit zur Staatspräsidentin wählen würden. Es sei, twitterte Le Pen prompt, nun Zeit "zur Generalmobilmachung" für die landesweiten Départments-Wahlen im März. Da werde ihre Bewegung erneut "erste Partei Frankreichs" sein. Die Generalprobe fand am Sonntag statt - und gelang: Bei einer Nachwahl zur Nationalversammlung im ostfranzösischen Départment Doubs erreichte die lokale FN-Kandidatin Sophie Montel mit 32,6 Prozent den ersten Platz.

Für die große Vorsitzende wie für die kleine Provinzkandidatin gilt: Der erste Platz im ersten Wahlgang garantiert in Frankreich nicht den Sieg. Dieselben Umfragen, die Marine Le Pen im ersten Durchgang einer Präsidentschaftswahl vorn sehen, prophezeien ihr eine Niederlage in der Stichwahl um die Macht. Noch. Sophie Montel ist da schon weiter. Zwar lauert nächsten Sonntag der zweite Wahlgang gegen einen Kandidaten der in Paris regierenden Sozialisten. Aber Doubs - eine Industrieregion im Niedergang mit vielen Arbeitslosen - ist fruchtbares FN-Terrain. Montel hat gute Chancen, als (dann dritte) Abgeordnete für die Le Pen-Partei ins Parlament einzuziehen.

Taktische Gratwanderung nach den Pariser Anschlägen

Die Wahl in der Provinz war der erste Urnengang seit den erschütternden Anschlägen vom Januar. Die islamistischen Attentate hatten Frankreichs politische Stimmung aufgewühlt - und verändert: Wegen seines klugen Krisenmanagements gewann Staatspräsident François Hollande ungeahnten Respekt. Und zugleich schien sich der Himmel für Frankreichs neuen Polit-Stern Marine Le Pen zu verdüstern. Denn die Parteichefin hatte Mühe, im Januar ihren Kurs zu finden. Einerseits waren die blutigen Attentate dreier französischer Einwanderer-Kinder zwar Wasser auf die Mühlen einer Partei, die - so Le Pen - "seit je vor den Gefahren der Massenimmigration und des islamischen Fundamentalismus gewarnt" habe. Andererseits aber musste sich die 46-jährige Taktikerin vor xenophoben oder rassistischen Auswüchsen hüten - es hätte ihre langfristige Strategie gefährdet, den FN "zu entteufeln" ("dédiabolisation") und in eine normale, salonfähige Partei zu verwandeln. Wiederholt warnte Le Pen also öffentlich davor, Islam und Islamisten einfach "zu vermischen".

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Demonstranten im westfranzösischen Aubigny bekunden ihren Unmut über einen Besuch von Jean-Marie Le Pen.

(Foto: Jean-Sebastien Evrard/AFP)

Das Départment Doubs nahe der Schweizer Grenze war der erste Praxistest für diese Taktik. "Es war wie auf Eiern zu laufen", beschrieb die FN-Kandidatin Montel kürzlich die von der Parteizentrale verordnete Gratwanderung zwischen populistischer Versuchung und taktischer Disziplin. Montel löste den Konflikt auf ihre Weise: Sie machte fast keinen Wahlkampf und mied öffentliche Auftritte. Zugleich steckten ihre Wahlhelfer Tausende Flugblätter über "die islamistische Gefahr" in Briefkästen: Da umzingeln vermummte Gotteskrieger mit Kalaschnikows das französische Festland - und der FN mahnt: "Schützen wir die Franzosen!" Le Pen hat Fehler gemacht seit dem 7. Januar. Dass die FN-Chefin sich am 11. Januar nicht einreihte in den großen "republikanischen Marsch" für Toleranz und gegen Terror, das nahmen ihr laut Umfragen sieben von zehn Franzosen übel. Noch heikler war für Le Pen der Widerspruch, der in ihren Reihen aufbrach. Denn im Parteivolk wie an der Spitze des Front gibt es viele, die gern kräftiger draufhauen wollten.

Am klarsten meldete sich Aymeric Chauprade zu Wort, bis vor Kurzem außenpolitischer Berater der Parteichefin. In einem Video verkündete der Professor für Geopolitik, nunmehr sei "Frankreich im Krieg mit den Muslimen". Überall im Land lauere der Feind, auf "ungefähr eine Million" schätzte der FN-Politiker die Zahl der potenziellen Gotteskrieger: "Unter uns lebt eine schlagkräftige Fünfte Kolonne." Dann folgte ein Satz, der sich direkt gegen Le Pens Warnung vor "falscher Vermischung" stellte: "Man sagt uns, eine Mehrheit der Muslime sei friedfertig. Sicher. Nur, das war auch eine Mehrheit der Deutschen - vor 1933 und vor dem Nationalsozialismus!"

Die Parteichefin im Gegenwind der Familie

Marine le Pen war empört, zumal andere Promis aus Partei und Familie Chauprade unterstützen. Vater Jean-Marie Le Pen lobte die "brillante Analyse" des Professors. Und Nichte Marion Maréchal-Le Pen empfahl das Video übers Internet, trotz gegenteiliger Mahnung der gestrengen Tante und Parteichefin. Dann wiederum legte Vater Jean-Marie noch eins drauf: Der greise Ehrenpräsident des Front ließ mit Mutmaßungen aufhorchen, die Anschläge mit insgesamt 17 Todesopfern seien ein Staatskomplott gewesen: "Das trägt die Handschrift der Geheimdienste."

Kenner der Partei deuten diese Verwerfungen als Symptome einer Wachstumskrise. Chauprade, dem Marine Le Pen nun erbost den Vorsitz der FN-Delegation im EU-Parlament entzog, tauchte erst 2001 im FN-Umfeld auf, um schnell Karriere zu machen in einer Partei, die wucherte. Und der Front National hat Probleme, kompetentes Personal für all die neuen Wahlämter zu finden. Sophie Montel etwa, die Kandidatin von Doubs, zog erst im Mai 2014 für den FN ins Europaparlament. Gewinnt sie die Stichwahl, würde sie ihr EU-Amt wieder abgeben müssen.

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