Bad Tölz:Neue Struktur im ReAL-Verbund

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Einzelne Sparten in Rehabilitation und Integration übernehmen mehr Verantwortung

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Der ReAL-Verbund Isarwinkel hat ein turbulentes Jahr hinter sich. Für öffentliches Aufsehen sorgten vor allem die Missstände, die in seinen Pflegeeinrichtungen Reha-Zentrum Isarwinkel und "Alpenhof" in Bad Heilbrunn ans Tageslicht kamen. Die Vorstellung der neuen Fachbereichsleiter am Freitag in der ReAL-Geschäftsstelle in Bad Tölz diente denn auch ein wenig der Imagepolitur. Sie sollte zeigen, dass im Kerngeschäft des Verbunds - der Integration von Menschen mit psychischen Krankheiten und sozialen Einschränkungen - alles nach Plan läuft. Nach einem langen Aufbau befinde man sich jetzt "in einer Phase der Professionalisierung", sagt der Gesellschafter des Verbunds, Arnold Torhorst. Mit den Führungskräften habe man Leute gefunden, "die bereit sind, Verantwortung für ihren persönlichen Bereich zu übernehmen".

Anton Simon verantwortet den Bereich Arbeit. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Das Akronym ReAL steht für "Rehabilitation, Arbeit und Leben" und beschreibt zugleich die Stufen, die psychisch Kranke auf ihrem Weg zurück in einen halbwegs normalen Alltag nehmen sollen. Früher kümmerte sich ein zentrales Steuerungsgremium des Verbunds um alle Belange dieser drei Fachbereiche. Künftig kommt auf deren neue Leiter eine größere Verantwortung zu. Das sei eine Herausforderung, aber auch "ein Entgegenkommen, denn wir können viel selber gestalten", sagte Dr. Stefan Mathias. Der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie ist zusammen mit Ines Steger künftig für den Fachbereich Rehabilitation zuständig. Er hat es vor allem mit Patienten zu tun, die an Schizophrenie oder an schweren oder manischen Depressionen leiden. Ihre Reha könne oftmals nicht bloß an Fachkliniken stattfinden, da sie dort meist nur sechs bis acht Wochen bleiben könnten, sagte Mathias. Danach seien sie noch nicht so weit, um wieder am normalen Leben teilzunehmen. "Wir haben mehr Zeit für die Patienten, sie können bis zu zwei Jahre bei uns bleiben", sagte Mathias. Ein Alleinstellungsmerkmal in seinem Fachbereich seien die beruflichen Tätigkeiten, die Teilnehmer am Reha-Programm ausübten. Zum Beispiel im Werkstattladen am Jungmayrplatz in Tölz. Dort bieten sie eigene Handwerksprodukte zum Verkauf an und eignen sich zugleich kaufmännisches Wissen an.

Stefan Mathias teilt sich mit Ines Steger die Leitung des ReAL-Fachbereichs Rehabilitation. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Den Fachbereich Arbeit führt Anton Simon. Sein Ziel ist es, dass vor allem Jugendliche mit Psychosen oder einer Lernbehinderung ihre Berufsausbildung in einem wohnortnahen Betrieb absolvieren -"und nicht mehr stationär wie noch vor 20 Jahren". Dies sei das Zukunftsmodell, sagte er. Vermittelt werden die Teilnehmer über die "Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme" (BvB) und später über das Programm "Berufsausbildung für Menschen mit besonderem Förderbedarf" (BMbF), das über die Agentur für Arbeit läuft. In ihrem Alltag in einem Betrieb werden die jungen Leute von den ReAL-Betreuern begleitet. "Wir versuchen, so viel wie möglich außerhalb zu organisieren, damit Inklusion gelingt", sagte Simon. Darüber hinaus hat der Verbund mit einer Schreinerei und einer Handwerkerfirma selbst Betriebe, die normal auf dem Markt agieren. Dort arbeiten Beschäftigte mit und ohne Defizit zusammen. Simon wies auch auf den Bürgerladen hin, der am Wolfratshauser Untermarkt geplant ist. Der Stadt attestierte er einen "hohen Unterstützungsgrad". Er sehe in dem Vorhaben "eine Chance, Menschen mit Behinderung adäquat und in einer neuen Branche zu beschäftigen".

Die Kontakte mit Unternehmen stellt Vermittlungsmanager Guido Knill her. "Wir brauchen ein Netzwerk von Unternehmern, die bereit sind, mit uns zusammenzuarbeiten", sagte er. Im Februar 2014 veranstaltete ReAL deshalb einen Arbeitgebertag in Geretsried, an dem sich etwa 50 Firmen beteiligten. Eine sehr gute Resonanz, wie Knill bilanzierte. Die Ausbildung psychisch Kranker stehe unter dem Leitmotiv "Erst platzieren, dann trainieren". Früher sei das genau umgekehrt gewesen.

Die Rekonvaleszenz seelisch Erkrankter dauert meist lange. Wer es aus dem stationären Aufenthalt heraus schafft, dem bietet ReAL im Fachbereich Leben mit der "Tagesstätte Aufwind" in Bad Tölz eine Anlaufstelle an. Dies sei ein "niederschwelliges Angebot für alle aus Tölz und Umgebung, die psychisch krank, von psychischen Krankheiten bedroht oder in einer Lebenskrise sind", erläuterte der Leiter der Einrichtung "Differenziertes Wohnen Florida", Andreas Teltscher. 30 bis 35 Leute kommen pro Monat in die Tagesstätte, obwohl bislang bloß 20 Plätze genehmigt sind. Sie treffen sich zum Tanzen, zu Ausflügen, zum gemeinsamen Essen. Als Inklusionsprojekt gibt es dort auch ein Kulturcafé, das allen Gästen offensteht und unter anderem Kabarett und kleine Konzerte im Programm hat. "Florida" selbst hat einen stationären Bereich und zwei Wohngemeinschaften. Die meisten Klienten leben allerdings in einer eigenen Wohnung. Das sozialtherapeutische Wohnen im Haus "Rosenwinkel" leitet Dorothea Finck. Zu ihr kommen nach eigene Worten Klienten, die zwar ins Leben draußen entlassen werden, aber noch "einen Ankerpunkt" brauchen, sich selbst "in einem individuellen Rhythmus zu stabilisieren".

© SZ vom 02.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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