Zukunft von "Bildblog":Wann Leser ihr Portemonnaie zücken

"Bildblog" ist dank Spenden vorerst gerettet. Das Beispiel zeigt: Leser sind bereit, für Independent-Journalismus im Netz zu bezahlen - wenn sie einen Bedarf sehen.

Von Martin Schneider und Claudia Tieschky

Am Montag um 8.54 Uhr waren sie wieder da, pünktlich wie Hui Buh: Der medienkritische Bildblog stellte seine Presseschau 6 vor 9 ins Netz, das erste Lebenszeichen seit Heiligabend. Die Zwangspause legte das Dreierteam um Mats Schönauer aus Geldmangel ein - und rief die Leser zur Hilfe. Es geht nicht um große Summen. Die Wohnungsmiete für eineinhalb Leute, zweitausend Euro im Monat, müsse durch Spenden und den kleinen Anteil Werbung mindestens reinkommen, sagt Schönauer. Sonst müssen sich die Bildblogger bei anderen Medien verdingen. Die Arbeit für Bildblog, für das bissige Korrektiv der Medienbranche, konnten sich die Macher zuletzt nicht mehr leisten.

Das ist auch den Lesern klar geworden, sie zückten das Portemonnaie. Ende Januar konnte Schönauer bilanzieren, dass die Grundfinanzierung für 2015 steht. Spenden und Daueraufträge lassen es wahrscheinlich zu, das Team zu vergrößern und freie Autoren zu honorieren. Das zeigt, Leser sind bereit, für Independent-Journalismus im Netz zu bezahlen - wenn sie einen Bedarf sehen.

Krautreporter ist ein anderes Beispiel. An der selbstgefühlten Wichtigkeit ließen die Macher beim Crowdfunding keinen Zweifel. Der Online-Journalismus sei "kaputt. Wir kriegen das wieder hin." So fanden sich mehr als die erhofften 15 000 Unterstützer-Abos zu mindestens 60 Euro, aber neulich gab es eine viel beachtete Fundamentalkritik der Bloggerin und Krautreporter-Abonnentin Meike Lobo. Sinngemäß stand da: Ihr seid euer Geld nicht wert. Zu viele "recycelte" Markenjournalisten wie Tilo Jung (Jung & naiv), zu viele Linksammlungen, zu wenig Relevanz.

Dialog ist wichtig - und kann manchmal hart sein

Wenn man mit Herausgeber Sebastian Esser spricht, dann sagt er, dass über viele der Kritikpunkte auch intern gesprochen werde, dass es aber schwierig sei, "zwischen dem Buzz und der Twitter-Filterbubble Rückschlüsse zu ziehen auf die tatsächliche Zufriedenheit unserer Mitglieder". Deshalb führe man Befragungen durch. 1335 neue Mitgliedschaften seien vom Start am 24. Oktober bis Ende Januar verkauft worden, gut 80 000 Euro Umsatz. Die Artikel sind bei Krautreporter frei, der Zugang zur Community kostet.

Esser spricht viel von Dialog, mit gutem Grund. Er sagt zum Beispiel: "Natürlich gehört es zum Crowdfunding-Journalismus dazu, dass man ständig im Dialog ist mit den Leuten. Dass das vielleicht auch manchmal heftig ist, gehört zum Internet dazu." Man habe sich "von Anfang an vorgenommen, da total demütig zu sein. Das sind die Leute, die uns beschäftigen und bezahlen und die haben jedes Recht auf Kritik und zum Nachfragen."

Mitgliedermodelle wie Krautreporter seien im Trend, glaubt Esser und führt Konzepte ins Feld wie die des Guardian, den man als "Partner" oder "Patron" unterstützen kann oder der New York Times, die Käufern des "Premier"-Angebots "Insider-Erfahrungen" verspricht.

"Die wollen nicht etwas erwerben, sondern etwas unterstützen"

Krautreporter

Mit Journalismus im Netz Geld verdienen? "Krautreporter"-Herausgeber Sebastian Esser (l.) setzt auf Crowdfunding und Mitgliedermodelle.

(Foto: Britta Pedersen/dpa)

"Die Leute zahlen, weil sie die Idee und das Projekt wichtig finden. Die wollen nicht etwas erwerben, sondern etwas unterstützen", sagt Esser, und darum glaubt er, dass die Bildblog-Kollegen mit Crowdfunding "sehr viel Geld zusammenkriegen könnten", um die Seite wirtschaftlicher zu betreiben. "Ich vermute, es geht weniger darum, dass die Leute das Geld nicht geben würden, sondern dass man sie auch darum bitten muss." Darüber denken sie bei Bildblog nach. "Ein Crowdfunding- oder Abomodell" könne er sich vorstellen, sagt Mats Schönauer.

Mit Journalismus im Internet Geld zu verdienen ist besonders schwierig, viel besser aber geht es anderen Branchen auch nicht. Sagt auch Peer Wandinger. Der gelernte Webentwickler, Jahrgang 1974, verheiratet, zwei Töchter, verdient sein Geld mit einem Blog, der erklärt, wie man mit Blogs Geld verdient. Nur seinen Gehaltszettel will er nicht mehr veröffentlichen.

Bis November 2011 hat er das immer getan, er war stolz darauf, er hielt das für eine gute Idee. Wenn man über das Geldverdienen im Netz schreibt, dachte er, ist es nur konsequent, zu zeigen, wie weit man selbst damit kommt. Also tippte er Monat für Monat auf selbststaendig-im-netz.de, was unterm Strich dabei rumkommt. 3884,57 Euro waren es etwa im November 2011. Das entspräche bei rund 80 Arbeitsstunden im Monat einem Stundenlohn von knapp 49 Euro. Es war die totale Glaubwürdigkeit, aber inzwischen macht Wandiger das nicht mehr, denn "es gibt immer Neider und Menschen, die dem Blog schaden wollen".

Lukrativer ist Selbstvermarktung

Vermutlich ist er deswegen so erfolgreich, weil seine Seite als eine der wenigen seriösen Infoquellen zum Thema erklärt, dass es schwierig ist und lange dauert, bis eine Internetseite Gewinn abwirft. "Es gibt da sehr viele falsche Erwartungen", sagt Wandinger.

Wer sich für Werbung als Finanzierungsmittel eines Blogs entscheidet, hat mehrere Möglichkeiten. Eine davon sind Banner auf der Seite, je mehr Klicks, desto mehr Geld. Am populärsten ist das Programm AdSense von Google, lukrativer ist es aber, wenn man die Werbung selbst vermarktet, wie Wandinger das in großen Teilen tut. Ein weitere Möglichkeit ist das sogenannte Affiliate Marketing. Das geht so: Man postet einen Link auf seiner Homepage zu einem beliebigen Online-Shop. Wenn der Nutzer auf diesen Link klickt und das Produkt im Online-Shop kauft, erhält der Blogger eine Provision. Das ist vor allem für Blogs geeignet, die sich in weitester Form mit Produkten befassen, Modeblogs etwa.

Anne Höweler hat sich dieses Prinzip zu nutze gemacht. Sie verdient nicht direkt Geld mit Bloggen, sondern sie hilft Modeblogs, das zu tun. Viele Firmen wollen, dass ihre Kleider da vorgestellt werden und zahlen dafür. Höweler vermittelt. Das hört sich nach Schleichwerbung an, ihre Agentur achte aber darauf, dass "Kooperationen" gekennzeichnet würden, sagt Höweler. Das Geschäft läuft nicht schlecht. "Etwa 30 bis 40 Modeblogger können in Deutschland davon leben", sagt Höweler. Richtig gut verdienen würden aber nur drei oder vier. Unter richtig gut versteht sie Monatseinnahmen von 5000 bis 6000 Euro.

Von solchen Beträgen können die Bildblogger nur träumen. Derzeit jedenfalls noch.

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