Volleyball:Daumen hoch

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Aufsteiger Herrsching reist per Anhalter zum Pokalsieger Friedrichshafen

Von Sebastian Winter, Herrsching

An diesem Mittwoch wollen Herrschings Volleyballer wieder Schlagzeilen produzieren. Der Erstliga-Aufsteiger misst sich um 20 Uhr in der knapp zwei Kilometer vom Bodensee entfernten ZF-Arena mit dem Pokalsieger und zwölfmaligen deutschen Meister Friedrichshafen. Ein Satzgewinn ist das Ziel des von Max Hauser trainierten krassen Außenseiters im Duell des Tabellenachten gegen den Ersten. Das würde zumindest ein wenig Aufsehen erregen, im Hinrundenspiel ist dem TSV dieses Kunststück, das in der laufenden Runde bislang nur noch Berlin, Rottenburg und Düren geglückt ist, Ende November gleich im ersten Durchgang gelungen. Allerdings gewann Friedrichshafen die folgenden Sätze und das Spiel letztlich klar mit 3:1. "Mehr ist nicht drin", sagt Hauser: "Friedrichshafen ist auf jeder Position besser besetzt, die Spieler sind uns fünf, sechs, sieben Jahre voraus."

Die Rolle des Underdogs nehmen die Herrschinger gerne ein. Für sie hat die ungleiche Partie eine eher geringe sportliche Bedeutung, die Mannschaft sieht sie als extrem niveauvolles Trainingsspiel für die Heimaufgabe am Samstag gegen Mitteldeutschland. Gegen den Vorletzten geht es dann wieder um mehr, Herrsching würde sein letztes Rückrunden-Heimspiel gerne gewinnen, um Platz acht zu festigen und sich dadurch eine möglichst gute Ausgangsposition in den Pre-Playoffs zu sichern. Doch nun fahren die Herrschinger erst einmal vom Ammer- an den flächenmäßig gut zehnmal größeren Bodensee - auch hier sind die Kräfteverhältnisse klar verteilt. Sie haben sich, wie Ende der vergangene Saison bereits angekündigt, etwas Besonderes einfallen lassen. Denn das TSV-Team trampt, apropos Schlagzeilen, nach Friedrichshafen.

Sie sehen diese besondere Form der Anreise, die im Zuge von Carsharing, Fernbussen und Billigjets vom Aussterben bedroht ist, durchaus als Teil ihrer Klubidentität an. Denn den Herrschingern geht es als mit einem Minibudget von knapp 300 000 Euro ausgestatteter Aufsteiger auch darum, sich dann wenigstens möglichst ideenreich zu präsentieren. Die Kluft zwischen den Topklubs Berlin und Friedrichshafen sowie dem großen Rest war wohl noch nie größer als in dieser Saison, kleine Vereine wie Herrsching können kaum mit dem Anspruch des Dachverbandes Volleyball-Bundesliga Schritt halten, der neben höheren Etats auch größere Hallen und professionellere Management-Strukturen verlangt.

Die Herrschinger haben keine große Halle, auch nicht in der kommenden Saison. Ihren Etat wollen sie auf 500 000 Euro schrauben, "aber ich bin da eher skeptisch", sagt Hauser. Der Kern der Mannschaft soll zusammenbleiben, so starke Akteure wie Diagonalspieler Daniel Malescha, Außenangreifer Luke Smith, Libero Sebastian Prüsener oder Zuspieler Tobias Neumann - aber auch Talente wie Julius Höfer und Michael Wehl - sollen gehalten werden. Aktionen wie die Tramp-Geschichte nach Friedrichshafen machen sie bereitwillig mit, was wohl nicht jeder Profi Friedrichshafens von sich behaupten würde.

Natürlich ist die Fahrt komplett inszeniert. Die Herrschinger sind nicht so blauäugig, sich einfach so um 15.30 Uhr an die Ortsausfahrt ihres Städtchens zu stellen und darauf zu hoffen, einigermaßen pünktlich beim Gegner anzukommen. Ihre Fans werden "ganz zufällig" an ihnen vorbeifahren und sie aufgabeln, auch ein Kamerateam des Bayerischen Rundfunks begleitet die TSV-Volleyballer auf ihrer "Odyssee" nach Friedrichshafen. Für das Fernsehen ist so eine Geschichte dankbar, die Herrschinger wollen zugleich ihr Image pflegen. Dass sie nun ausgerechnet zum Rekordmeister trampen, dessen Trainer Stelian Moculescu sich im Herbst über den Turnhallenmief im deutschen Volleyball und fehlende Professionalität beklagt hatte, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Aber im Grunde findet TSV-Coach Hauser Moculescus Kritik richtig: "Ich finde es gut, dass er dazu etwas sagt. Ich hätte auch gern eine neue Halle, habe aber keine."

Dafür haben sie sportlich aufgeholt, der TSV spielte beim Sieg gegen Coburg und der knappen Niederlage gegen Bühl stark. Ob Höfer (Grippe) und Prüsener (Knieprobleme) spielen können, ist aber fraglich. Zugleich hat Friedrichshafen in Benjamin Toniutti am Montag einen starken Zuspieler vom russischen Spitzenklub Zenit Kasan verpflichtet. Kasan reist zu Auswärtsspielen übrigens gerne mal mit dem Privatjet an. Toniutti würde lachen über Herrsching.

© SZ vom 04.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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