Kommissarin im ARD-Krimi:Fantastisches Wrack

Begierde - Mord im Zeichen des Zen

Anders und allein: Die eigenwillige Ermittlerin Louise Boni (Melika Foroutan).

(Foto: WDR/Willi Weber)

Im ARD-Film "Begierde - Mord im Zeichen des Zen" spielt Melika Foroutan eine Kommissarin, die anders ist als alle anderen deutschen Fernsehermittlerinnen: Sie ist ein psychisches Wrack, sie säuft und raucht - wie toll!

Von Christine Dössel

Schon wieder eine neue Fernsehkommissarin? Ja, aber diese hier ist anders.

Sie stöckelt nicht als selbstbewusste Chefin auf High Heels übers Kopfsteinpflaster, ist keine aparte Blondine mit kühlem Kopf und weichem Herzen und dazu vielleicht einem vernachlässigten Mann/ Lover/Kind zu Hause. Louise Boni entspricht nicht dem Fernsehtypus der starken deutschen Ermittlerin. Weder hat sie die couragierte Abgeklärtheit einer Lena Odenthal noch die mütterliche Autorität einer Inga Lürsen, von der ausgestellten Erotik einer Eva Saalfeld mal ganz abgesehen. Louise Boni hat nicht einmal einen Partner an der Seite, mit dem sie sich necken, kabbeln, Arbeitsfreud und -leid teilen würde. Im Gegenteil: Teamarbeit ist eher nicht ihr Fall, heiteres Beisammensein ihr fremd.

Louise Boni, Hauptkommissarin bei der Kripo Aachen (und Hauptfigur in den Bestsellern des Krimiautors Oliver Bottini), ist das, was die Kollegen ihr auf unerhört rüde Weise vorhalten: Alkoholikerin. Keine Zu-tief-ins-Rotweinglas-Schauerin in gutbürgerlicher Rahmung wie Hannelore Hoger als Bella Block. Sondern richtig. Sie säuft. Sie raucht. Sie stinkt (sagen die Kollegen). Unterwegs bedient sie sich aus einem Flachmann. Das war im deutschen Fernsehen bisher Männern vorbehalten.

Louise ist ein psychisches Wrack

Louise Boni hat sichtbar ein Problem, und anders als etwa Bibi Fellner aus dem Wiener Tatort, hat sie dieses Problem nicht im Griff. Die Frau ist fertig. Labil. Sie ist krank (sagen die Kollegen). Man erfährt nebenbei, dass ihr Mann sie hat sitzen lassen, dass ihr Bruder bei einem Unfall starb, dass sie bei einem Polizeieinsatz jemanden getötet hat. Lauter Katastrophen, die Spuren in ihrer Seele, aber auch in ihrem Gesicht hinterlassen haben. Man sieht ihr das alles an. Wobei es eine Frechheit ist, wenn der Chef ihr "Teintprobleme" vorwirft.

Louise ist ein psychisches Wrack, und die grandiose Melika Foroutan spielt das mit jeder Faser ihres zerbrechlichen Körpers, erzählt es mit ihrem tiefen, schwarz umschatteten Blick aus kajalumrandeten Augen. "Ich stehe vor einem Abgrund", sagt sie ihrem Vater, als der nach zehnjähriger Absenz plötzlich auftaucht. Völlig überflüssig natürlich, dieser Satz, aber typisch für ein deutsches Drehbuch, in der jede Figur sich immer ganz genau erklären muss. So wie Louises nerviger Vorgesetzter Bermann (Anian Zollner) sich nicht entblödet, sie ständig zu analysieren: "Du bist halt ne Frau, du bist nicht logisch und strukturiert . . ." Klar, dass es dann die Frau ist, die mit ihrer Unberechenbarkeit und Intuition den Fall rund um ein Zen-Kloster löst.

Mit ihrer besonderen Schönheit ist Melika Foroutan ein Ereignis

Es beginnt - in traumartigen, krimi-ungewöhnlichen Bildern - mit einem japanischen Mönch, der durch den Wald irrt, offensichtlich auf der Flucht. Louise Boni folgt ihm, und als plötzlich ein Polizist tot und sie von dem Fall abgezogen ist, ermittelt sie trotzdem weiter. Die Spur führt in ein Zen-Kloster. Von dort aus vermittelt eine Hilfsorganisation asiatische Kinder an europäische Pädophile, vermutet Louise.

Aber der Fall selbst ist gar nicht so wichtig, und er ist auch nicht spannend. Brigitte Maria Bertele (Regie) und Hannah Hollinger (Drehbuch) - sie erhielten 2014 den Grimme-Preis für Grenzgang - erzählen keinen dramatischen Whodunnit, sondern einen sehr entschleunigten Zen-Krimi. Mit vielen Aachener Landschaftsbildern und manch einer buddhistischen Weisheit. Und einem oft etwas zwanghaften Willen zur Ästhetik. Das Aufregende an diesem Film ist Melika Foroutan. Vom Typ her eine Mischung aus Maria Schrader und der jungen Sigourney Weaver, ist diese Schauspielerin mit ihrer Durchlässigkeit für den Schmerz und ihrer besonderen Schönheit ein Ereignis.

Begierde - Mord im Zeichen des Zen, ARD, 20.15 Uhr.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: