Deutsche Eishockey-Liga:"Meine Knie werden ein bisschen schlottern"

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Der ehemalige Nationaltorwart Helmut de Raaf, 53, verlässt den EHC München und tritt in Schwenningen seine erste Stelle als DEL-Chefcoach an. Ein Gespräch über die Eigenarten von Pierre Pagé, die Seelenverwandtschaft mit Don Jackson, und was man vor dem Kampf gegen Goliath wissen sollte

Interview von Christian Bernhard

Helmut de Raafs Zeit beim EHC München endet im Mai. Nach zwei Jahren als Co-Trainer tritt der 53-Jährige dann in Schwenningen, aktuell Tabellenletzter der Deutschen Eishockey-Liga (DEL), seinen ersten Cheftrainer-Posten im Profibereich an. Bereits vor einem Jahr hatte der ehemalige Nationaltorwart (114 Länderspiele, drei Olympia-Teilnahmen, elf Mal deutscher Meister) ein Angebot der Düsseldorfer EG vorliegen, lehnte aber ab. Nun hält er seine Zeit für gekommen. Im SZ-Interview erzählt de Raaf, warum er sich jetzt zu diesem Schritt entschieden hat, was er von seinen Vorgesetzten Pierre Pagé und Don Jackson aus München mitnimmt und wie er künftig die Großen der DEL ärgern möchte.

SZ: Herr de Raaf, wann ist in Ihnen der Entschluss gereift, selbst in die Verantwortung zu gehen?

Helmut de Raaf: Schon als ich vor zwei Jahren aus Mannheim nach München gekommen bin, war es mein Ziel, mittelfristig Cheftrainer zu werden. Nicht gerade in München, die Phase hier habe ich als Übergangszeit gesehen. Ich wollte lernen. Ich hatte ja bereits in den Jahren zuvor im professionellen Bereich gearbeitet, aber mit Jugendlichen (zehn DNL-Meistertitel mit den Mannheimer Jungadlern, d. Red.). In München wollte ich die Unterschiede zu den Profis erkennen, dafür habe ich mir als zeitlichen Rahmen zwei, drei Jahre gesetzt. Der Gedanke war also schon immer da. Jetzt kam die Möglichkeit in Schwenningen. Mitte Dezember gab es die ersten Gespräche mit den Wild Wings, durch die U20-WM (de Raaf war als Co-Trainer in Kanada dabei) hat es sich dann etwas verzögert. Die endgültige Entscheidung ist erst am vergangenen Freitag gefallen.

Was nehmen Sie aus München mit?

Ich hatte hier die Möglichkeit, mit zwei sehr erfahrenen Trainern zusammenzuarbeiten: Pierre Pagé und Don Jackson. Beide sind sehr unterschiedlich von ihrer Art her, gerade wie sie eine Mannschaft führen. Ich habe von beiden viel gelernt. Es ging dabei weniger um das Fachliche, da habe ich schon ganz konkrete Vorstellungen. Interessanter für mich war: Wie hält man eine Mannschaft zusammen? Wie geht man im Alltag eine Saison lang mit "erwachsenen" Spielern um? Ich glaube, dass ich die Zeit sehr gut nutzen konnte.

Noch hat der EHC für Helmut de Raaf Priorität. Bis 30. April läuft sein Vertrag in München. (Foto: Imago)

Welche Impulse hat Ihnen Pagé gegeben?

Beeindruckend ist seine jahrelange Erfahrung im Bereich der Teamzusammenstellung. Als er im Sommer 2013 nach München kam, wurde fast die gesamte Mannschaft ausgetauscht. Worauf legt man dabei Wert? Wie sucht man Spieler aus? In so einer Situation war ich noch nie, da habe ich viele Einblicke bekommen.

Und was haben Sie von Jackson gelernt?

Von Don habe ich einiges aufgesogen, was das Führen einer Mannschaft betrifft, wie er mit den Spielern umgeht. Er geht einen Weg, der mir sehr entgegenkommt: Einerseits bietet er seinen Spielern ein enges Vertrauensverhältnis, trotzdem bleibt er immer noch eine Autoritätsperson. Das ist etwas, das meinen Vorstellungen sehr nahe kommt. So würde ich mich selbst als Cheftrainer gerne sehen. Ich würde sagen, dass wir in diesem Punkt seelenverwandt sind. Das war sehr interessant und wird mir sicher auch in Zukunft helfen.

Jackson hat im Januar durchklingen lassen, dass er Ihnen keine Steine in den Weg legen würde. Hat er Sie ermutigt, diesen Schritt zu tun?

Als mein erstes Gespräch in Schwenningen anstand, habe ich Don Jackson und Christian Winkler (EHC-Manager) sofort informiert, da wir ein sehr offenes und ehrliches Verhältnis pflegen. Sie waren über den Zeitpunkt der Gespräche immer auf dem Laufenden. Jackson sagte mir, dass er sich unglaublich freuen würde, falls ich bleiben sollte. Er sagte mir aber auch, dass man als Assistent auch das Ziel haben sollte, Cheftrainer zu werden. Er kennt diesen Prozess gut, er war auch in dieser Situation. Er hat mir Mut gemacht, mir gesagt: Ich bräuchte mir keine Gedanken zu machen, er traue mir das zu und könnte verstehen, wenn ich es machen würde.

Sie stehen nun vor einer neuen Situation. Wovor haben Sie den größten Respekt?

Oh, da gibt es einige Dinge. Ich habe ja noch gar keine Mannschaft. Momentan sind in Schwenningen fünf Spieler für kommende Saison unter Vertrag, mit jedem Spieler, der dazukommt, wird das Bild klarer werden. Ich bin mein Leben lang in diesem Geschäft, glaube also zu wissen, was auf mich zukommt. Trotzdem spüre ich jetzt schon ein Knistern. Wenn ich das erste Mal vor der Mannschaft stehe, werden meine Knie ein bisschen schlottern. Ich habe jede Menge Ideen.

Was für eine Art von Eishockey schwebt dem Cheftrainer Helmut de Raaf vor?

Ich werde versuchen, viele Dinge anders zu machen, denn ich glaube, dass das die einzige Chance ist, mit einer Mannschaft wie Schwenningen Erfolg zu haben. Ich möchte anders als die anderen spielen. Ich vergleiche das immer mit David und Goliath: Wenn man mit den gleichen Waffen kämpft, wird der David eigentlich nie gewinnen. Wir müssen versuchen, einen neuen, sehr innovativen Weg zu finden, um erfolgreich zu sein. Das ist die Idee und das Ziel. Jetzt hoffen wir, dass wir die Spieler dazu bekommen.

Es heißt, sie hätten gern den Finnen Petteri Väkiparta als Co-Trainer an Ihrer Seite.

Das stimmt, ich hätte ihn sehr gerne dabei. Wir haben schon sechs Jahre in Mannheim zusammengearbeitet, ich weiß genau ,was ich von ihm erwarten kann. Wenn man etwas Neues beginnt, ist es eine große Hilfe, das mit Leuten zu tun, die man sehr gut kennt. Noch kann ich in dieser Personalie nicht Vollzug melden, ich hoffe aber, dass es in den nächsten Tagen soweit ist.

Nach der Länderspielpause geht es mit dem EHC in die heiße Saisonphase. Wie wollen Sie die Doppelbelastung verkraften, schließlich müssen Sie ja auch schon die neue Saison in Schwenningen planen?

Ganz klar: Der EHC hat für mich Priorität. Ich habe hier bis zum 30. April Vertrag und gehe davon aus, dass wir am 24. April (Termin für Spiel sieben der DEL-Playoff-Finalserie) unser letztes Spiel haben werden. Alles andere steht hintan. In diesem Sinn gibt es keine Doppelbelastung, da ich das eine erst zu Ende bringen möchte, bevor ich etwas anderes beginne.

© SZ vom 06.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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