Edathy-Ausschuss:Recht vor Spektakel

  • Der SPD-Politiker Michael Hartmann hat sich entschieden, während seines erneuten Auftritts im Edathy-Untersuchungsausschuss zu schweigen. Das Auskunftsverweigerungsrecht steht Hartmann zu.
  • Die Ausschussvorsitzende Högl (SPD) brach in einem heiklen Moment eine Lanze für die Fairness, als sie dazu aufrief, nun keine Rückschlüsse über den Wahrheitsgehalt einzelner Aussagen zu machen.
  • In der Affäre Edathy steht in vielen Punkten Aussage gegen Aussage. Indem Hartmann schweigt, überlässt er die Deutungshoheit einem anderen - Sebastian Edathy.

Kommentar von Kim Björn Becker, Berlin

Tag der Wahrheit fällt aus

Es sollte der Tag werden, an dem endlich alles ans Licht kommt, oder zumindest: weit mehr als bislang. Die Erwartungen an die erneute Aussage von Michael Hartmann vor dem Edathy-Untersuchungsausschuss waren hoch. Und das liegt nicht nur daran, dass das öffentliche Interesse an einem politischen Skandal grundsätzlich groß ist. In diesem besonderen Fall hatten auch einige Ausschussmitglieder daran entscheidenden Anteil: Seit Tagen schüren sie die Stimmung gegen Hartmann. Möglichst vielen sollte vorab klar sein, dass man an diesem Donnerstag abermals der öffentlichen Demontage eines Politikers würde zusehen können.

Das Auskunftsverweigerungsrecht steht Hartmann zu

Doch dann fiel das Spektakel kurzfristig aus. Michael Hartmann entschied sich, von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch zu machen. Denn parallel zum Untersuchungsausschuss wird auch strafrechtlich gegen ihn ermittelt. Der Anfangsverdacht der Strafvereitelung zugunsten von Sebastian Edathy steht im Raum und Hartmann könnte sich womöglich selbst belasten, wenn er dazu Angaben macht.

Man mag Hartmanns Auftreten arrogant finden, man kann seinen Anwalt für einen Rüpel ohne Benimm halten - doch das Auskunftsverweigerungsrecht steht Hartmann schlichtweg zu. Es handelt sich dabei um einen wesentlichen Baustein des Rechtsstaats und selbstverständlich gilt dieser auch für Politiker. Die Öffentlichkeit muss es aushalten, dass im Zweifel Recht vor Spektakel ergeht.

Kluge Worte der Ausschussvorsitzenden Högl

Die Ausschussvorsitzende Eva Högl (SPD) hat an dem gestrigen, turbulenten Nachmittag einen klugen Satz gesagt: Aus der Entscheidung Hartmanns, zu schweigen, dürften nun "keine Rückschlüsse über den Wahrheitsgehalt einzelner Aussagen" gezogen werden. Kritiker der Politikerin könnten ihr nun abermals eine parteipolitisch bedingte Voreingenommenheit unterstellen. Högl hat gewiss nicht in jeder Situation dieser Investigation glücklich agiert. Doch in einem heiklen Moment hat sie eine Lanze für die Fairness gebrochen - auch wenn ihr das wahrscheinlich keine größeren Meriten einbringt.

Das hat auch etwas damit zu tun, dass ihre Forderung folgenlos verhallen wird: Natürlich wird sich Hartmanns Verhalten darauf auswirken, wie die Menschen die Causa beurteilen. Gerade in der Edathy-Affäre, bei der es in vielen Punkten Aussage gegen Aussage steht. Wer glaubt, hier gehe es nur um Fakten, ist schlicht naiv. Es geht um Deutungshoheit und Letztere erlangt nur, wer deutet. Indem Michael Hartmann schweigt, überlässt er dieses Feld einem anderen.

Kleiner Triumph für Edathy

Namentlich Sebastian Edathy. Der ist nun der große Aufklärer, Michael Hartmann dagegen der große Vertuscher. Edathy hat mehrfach konsistent über die Ereignisse im Winter 2013/2014 berichtet. Er hat Zeugen präsentiert, die seine Darstellung stützen - auch wenn nur einer von ihnen wirklich etwas beweist. Hartmann hingegen schweigt. Der hat doch sicher etwas zu verbergen, wird es jetzt heißen.

Sebastian Edathy ist der Gewinner des gestrigen Tages. Doch es dürfte nur ein kleiner Triumph sein für jemanden, an dem das Etikett "Kinderporno" klebt.

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