Bayerischer Rundfunk:Einst CSU-Spielplatz, jetzt Kampfzone

Kultur der Kampfzone: BR-Intendant und CSU-Mitglied Ulrich Wilhelm bringt Horst Seehofer auf die Palme und kandidiert wieder.

Kultur der Kampfzone: BR-Intendant und CSU-Mitglied Ulrich Wilhelm bringt Horst Seehofer auf die Palme und kandidiert wieder.

(Foto: Robert Haas)
  • BR-Intendant Ulrich Wilhelm hat angekündigt, für eine weitere Amtszeit kandidieren zu wollen. Das gefällt vielen in der CSU nicht.
  • Vor allem Horst Seehofer ist auf hundertachtzig. Er fühlt sich von Wilhelm in der Konzertsaal-Debatte "allein gelassen". Wilhelm hatte zudem Kritik an dem Auftritt von Finanzminister Markus Söder in einer BR-Soap geübt.

Von Frank Müller und Claudia Tieschky

Als Ulrich Wilhelm am 1. Februar 2011 als BR-Intendant ins Amt kam, war das auf gewisse Weise ein historischer Moment im Sender. Der Mann verfügte über einen hervorragenden journalistischen Ruf, aber er war noch im Juni zuvor Angela Merkels Regierungssprecher gewesen. Er hatte in der Staatskanzlei von Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber gedient. Er besaß ein Parteibuch der CSU.

Dieser noch nicht 50-Jährige sollte nun Chef jenes Bayerischen Rundfunks werden, der sich mühsam vom Einfluss der CSU emanzipiert hatte. Und erstaunlicherweise fanden das parteiübergreifend fast alle klasse. Der BR hatte zu diesem Moment seiner Geschichte so viel Abstand zwischen sich und die Staatskanzlei gelegt wie nie zu vor. Nicht einmal diese Wahl eines Schwarzen zum Intendanten schien dem BR heikel zu sein.

Ulrich Wilhelm und die Soap-Affäre

Fast genau vier Jahre später nehmen die Dinge gerade eine seltsame Wendung. Es sieht plötzlich so aus, als müsse Wilhelm sich und den Sender ausgerechnet gegen die CSU verteidigen. Vorläufiger Höhepunkt war jetzt eine heftige Attacke von Ministerpräsident Horst Seehofer gegen eine Programmentscheidung des BR-Chefs. Nach dem umstrittenen Auftritt von Bayerns CSU-Finanzminister Markus Söder in der Heimatsoap Dahoam is dahoam, in der das Drehbuch reichlich Raum zur politischen Eigenwerbung bot, hatte Wilhelm Kritik geübt und sich vom Konzept der Redaktion distanziert, mit dem er vorab nicht befasst gewesen sei, wie er sagte.

Weitere Politikerauftritte in der Soap werde es nicht geben, entschied Wilhelm - angefragt waren auch SPD und Grüne. BR-Justiziar Albrecht Hesse erläuterte im Rundfunkrat die Verstöße gegen Programmgrundsätze in der Söder-Episode.

Horst Seehofer ist nun an sich nicht für das BR-Programm zuständig, ließ aber via Focus umso ungehemmter seine Meinung dazu verbreiten. Er fühle sich durch Wilhelm in seiner Politikerehre diskreditiert. "Ich komme mir da als Politiker vor wie ein infiziertes Geschöpf, mit dem keiner in Berührung kommen soll." Es klang, als ob Bayerns Politiker ohne Auftritt in der BR-Soap alle leiden.

Als der BR noch Spielplatz der CSU war

Die Söder-Episode hat aber auch die Zeiten in Erinnerung gerufen, als der BR Spielplatz der CSU war. Ausgerechnet jetzt sickerte durch, dass BR-Nutzer in einer Publikumsbefragung das alte Image des Schwarzfunks aufs Tapet brachten. Die Befragung ist nicht repräsentativ, aber das Stichwort kommt zur denkbar ungünstigen Zeit.

Im Rundfunkrat sagte Wilhelm auch, dass man nach der Söder-Sünde die Dinge kaum richtig machen könne. Als ehemaliger Regierungssprecher, dem immer wieder Ambitionen auf Rückkehr in die Politik nachgesagt wurden, weiß er auch, dass Parteien die Auftritte ihrer Leute sekundengenau gegeneinander abmessen. Er habe gegen weitere Politiker in der Soap entschieden, sagte Wilhelm, um das Haus nicht in eine "Kampfzone" zu bringen.

Seehofer fühlt sich von Wilhelm "allein gelassen"

In dieser Kampfzone befindet er sich allerdings längst. Schärfste Kritik am Intendanten gehört in der CSU auf einmal fast schon zum guten Ton. Parteichef Seehofer gibt den Takt vor und viele Meinungsführer in der CSU folgen. Auffällig daran ist schon, wie massiv Seehofer zu Werke geht.

Es erinnert fast an die Gutsherrenart, nach der Politiker wie Roland Koch, CDU, beim ZDF einst reinholzten. An verletzter Eitelkeit kann es eigentlich nicht liegen. Anders als der sich nach jeder Kamera umdrehende Söder würde Seehofer solche Soap-Auftritte niemals machen. Er weigert sich auch, in Talkshows zu gehen, sein Konkurrent Markus Söder ist dort Stammgast. Es muss also grundsätzliche Unzufriedenheit mit dem BR dahinterstecken.

Die manifestierte sich in dieser Woche in einem zweiten Zusammenprall. Bei den umstrittenen Plänen für einen neuen Münchner Konzertsaal fühle er sich von Wilhelm "alleingelassen", klagte Seehofer. Das Projekt soll vor allem dem BR-Symphonieorchester dienen.

Seehofer ist auf hundertachtzig

Seit Seehofer praktisch ein Ende der schwierigen Standortsuche verkünden musste und einen Einstieg des Staates bei der städtischen Philharmonie im Gasteig verkündete, eskaliert die Lage. Wilhelm habe zwar stets Forderungen, knicke aber ein, sobald es Gegenwind gibt, moniert die CSU. Dass der BR-Chef sich dann in der eigenen Nachrichtensendung zu Wort meldete, von einer "großen Enttäuschung sprach" und staatsmännisch ankündigte, weiter für einen Konzertsaal zu werben, machte Seehofer erst richtig geladen. Was solche "Eigenwerbung" solle, blaffte er im Landtag BR-Reporter an.

Der CSU-Chef ist auf hundertachtzig. Er sei seit Jahren der einzige, der in der Angelegenheit felsenfest stehe, mokierte er sich vor einer Sitzung der CSU-Landtagsfraktion. Intern bekannt ist dagegen, dass Wilhelm immer wieder für den Konzertsaal geworben hat. Hinter verschlossenen Türen ging es dann weiter, so wie zuvor auch schon bei einer Sitzung des bayerischen Kabinetts.

Wilhelm müssten die Ohren geklungen haben. "Unerklärliche Stockfehler" seien Wilhelm in Sachen Söder und Konzertsaal passiert, wundert man sich an seinem alten Arbeitsplatz in der Münchner Staatskanzlei. Die Tilgung der Söder-Soap aus der BR-Mediathek sieht man dort nicht als juristisch geboten, sondern - ausgerechnet - als Erinnerung an Zeiten, als dem Sender beim Umgang mit der Satire Scheibenwischer Zensur vorgeworfen wurde. Im BR hört man dagegen auch die Meinung, dass die CSU es schlecht vertrage, wenn sich jemand selbstbewusst gegen sie stelle.

Parteimitglied ist Wilhelm immer noch. In dieser Woche hat er erklärt, dass er für eine weitere Amtszeit als Intendant kandidieren will.

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