Demo gegen Sicherheitskonferenz:Protestparty mit Krake

Demo gegen Münchner Sicherheitskonferenz

Demo mit symbolischer "Nato-Krake": Etwa 4000 Menschen protestierten in München gegen die Sicherheitskonferenz.

(Foto: dpa)
  • Sieben Kundgebungen sind anlässlich der 51. Münchner Sicherheitskonferenz angemeldet, allein 4000 Menschen protestieren auf dem Marienplatz gegen die Tagung.
  • Bis auf kleinere Zwischenfälle bleibt die Lage ruhig, die Polizei ist am Abend zufrieden.

Von Anna Günther, Martin Bernstein und Tom Soyer

"Interessant" nennt die Polizei am Samstagmorgen die traditionelle Demonstration des "Aktionsbündnisses gegen die Nato-Sicherheitskonferenz". Alarmbereitschaft klingt anders. Klar, Trambahn- und Buslinien fahren in der Altstadt nicht, einige Straßen sind gesperrt und rund um den Marienplatz stehen Einsatzwagen. Doch Touristen und bummelnde Passanten schrecken weder die 51. Münchner Sicherheitskonferenz, noch die angekündigte Groß-Demonstration ab. Die Straßen sind so voll wie an jedem sonnigen Samstag. Sicherheitskonferenz und Demonstranten gehören seit Jahren zum üblichen Februar-Szenario in der Stadt.

Dabei sind sieben Kundgebungen für den Samstag angemeldet. 3600 Polizisten sind an diesem Wochenende im Einsatz, um die 400 Staats- und Regierungschefs, Minister, Vertreter aus Politik und Industrie sowie deren Entourage zu schützen. Und Ausschreitungen zu verhindern. Erst hinter dem Rathaus, wenige Meter vom Marienplatz entfernt, hört man Trommeln, davor sammeln sich gegen 13 Uhr Demonstranten, Sympathisanten und Neugierige. Rote Fahnen der Kommunistischen Partei, der Partei Die Linke und Verdi wehen neben der regenbogenfarbenen Peace-Flagge.

Musik und Bastelei wie im Karneval

Demonstranten mit grauem Haar tragen selbst gemachte Plakate, auf denen "Nato-Kriege sind Bomben-Geschäfte" steht, oder "Friede und Solidarität statt G7 und Krieg". Es wird viel umarmt, man kennt sich nach all den Jahren. Neben den Alt-Protestanten laufen auch einige junge Familien mit, ein Vater posiert stolz neben dem Kinderwagen. Eine Hand am Wagen, in der anderen das Schild "Ihr habt Gefangene gequält" - des Babys erste Demo, die Mutter knipst und grinst.

In diesem Moment hat der Protest des Anti-Siko-Bündnisses, für das sich 3000 Leute angemeldet hatten, jeglichen Schrecken verloren. Musik und Basteleien erinnern ein bisschen an rheinischen Karneval. Dort jedenfalls würde sich die Alu-Krake gut machen, die der Demonstrant Wuck ("einfach nur so, W-U-C-K") mit zehn Freunden in zwei Wochen Arbeit gebaut hat. Die Demo gegen die Sicherheitskonferenz ist für ihn Pflicht, genau wie für seine Freunde. Und die braucht er, um die riesige Krake durch die Altstadt zu tragen.

Am Stachus geht es derweil nicht ganz so friedlich zu. Dort treffen Ukrainer und Unterstützer der russischen Position aufeinander, die Polizei gibt den Puffer. Provoziert wird natürlich trotzdem: Russen ziehen "Nazis raus" rufend an den Ukrainern vorbei, diese antworten mit Sprechchören. Größere Zwischenfälle bleiben aber auch dort aus.

Schwarzer Block und Polizei stoppen den Zug

Weiter südlich am Viktualienmarkt ist der Umzug mittlerweile in Bewegung, doch schon nach wenigen Metern bringen die jungen Autonomen des schwarzen Blocks alles zum Stehen. 4000 Demonstranten schätzt die Polizei, darunter etwa 300 Radikale. Der Zug hat es gerade 300 Meter geschafft. Die Polizei filmt, schwarz gekleidete Demonstranten und Beamte stehen sich gegenüber. Die Beamten regungslos, die Autonomen skandieren "Scheißbullen" und "Haut ab!". Der schwarze Block hat aus Sicht der Polizei Auflagen verletzt: Plakate am Rand des Blocks sind erlaubt, aber nur, wenn drei Meter Abstand zwischen ihnen ist. Doch die Banner bilden eine kaum unterbrochene Kette. Stillstand. Eine halbe Stunde lang.

Verwirrte Touristen aus Frankreich fragen, was das denn bitte für eine skurile Versammlung sei - und bleiben dann gleich in der Sonne stehen. Passiert ja sonst nichts. Und so lange die Sonne scheint, wirken Minusgrade fast angenehm. Um den Zeitplan nicht komplett über den Haufen zu werfen, müssen die Organisatoren die Route abkürzen - und sind sauer.

Bei der Abschiedskundgebung ist davon dann kaum noch etwas zu spüren. Man ist halbwegs im Zeitplan. Die Reden sind gespickt mit Zitaten der großen Linken Rosa Luxemburg, Bertolt Brecht und Karl Liebknecht. Die Themen ähneln denen im Bayerischen Hof dramatisch, auch am Marienplatz geht es um die Ukraine-Krise, Waffenlieferungen, geplante Nato-Stützpunkte nahe der russischen Grenze und Deutschlands Engagement in der Welt.

Zumindest in Teilen ähnlich wie Kanzlerin Merkel sich hinter den scharf bewachten Türen im Bayerischen Hof geäußert hat, sagt die Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen (Linke) vor dem Rathaus: "Deutsche Waffen haben in der Ukraine nichts zu suchen." Nur im Dialog sei Frieden mit Russland zu schaffen, nicht durch Waffenlieferungen und schon gar nicht mit der Nato. Applaus. "We love Russia" Plakate werden hochgehalten.

Rangeleien zum Finale

Mit dem gemeinsamen Auftritt des Liedermachers Konstantin Wecker und dem österreichischen Kabarettisten Werner Schneyder geht die Demo zu Ende. Und wird endgültig zur Party: Wecker, der sich als "Pazifist, Romantiker, Träumer und Poet" bezeichnet, singt und erinnert an den 2013 verstorbenen Kabarettisten Dieter Hildebrandt. Der Platz klatscht zum Gedenken. Während Wecker und Schneyder von tausendfachem Tod und grenzenloser Welt singen, wird es doch noch ungemütlich.

Zwei Autonome werfen eine Coladose auf Polizisten und versuchen, einem Beamten ein Bengalisches Feuer in die Jacke zu stecken. Der Kollege entdeckt den Feuerwerkskörper noch rechtzeitig. Eine FDJ-Fahne löst eine kleine Rangelei aus, Handschellen schnappen zu. Auch die Kundgebung der Neonazis blieb eher unauffällig: In Neuperlach stehen neun Rechte 90 Nazigegnern gegenüber, aber auch diese Situation geht glimpflich aus.

Alles in Allem ist die Münchner Polizei zufrieden mit diesem Tag. Es gab zwar Festnahmen und Gerangel, aber letztlich blieb es doch nur "interessant".

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