Separatisten in der Ukraine:Moskaus Marionetten

Separatisten in der Ukraine: Prorussische Separatisten bewachen eine Straße unweit von Debalzewe in der Ostukraine.

Prorussische Separatisten bewachen eine Straße unweit von Debalzewe in der Ostukraine.

(Foto: AFP)
  • Wenn der Plan der Separatisten ist, weitere Gebiete in der Ukraine zu erobern, dann sind die Verhandlungen in Minsk zum Scheitern verurteilt.
  • Zu den prorussischen Kämpfern gehören inzwischen schwer bewaffnete Veteranen der Kriege in Afghanistan und Tschetschenien.
  • Die von den Separatisten besetzten Gebiete werden von Igor Plotnizky und Alexander Sachartschenko regiert - Figuren, die von Moskau lenkbar sind.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Man könnte den Beschluss des Parlaments der "Autonomen Volksrepublik Donezk" (DNR) vom 5. Februar durchaus als neue Kampfansage inmitten intensivster diplomatischer Bemühungen um einen Waffenstillstand interpretieren. In einem "Memorandum" erklärt sich die DNR zur Rechtsnachfolgerin der kurzlebigen und längst untergegangenen "Donezk-Krivojroger Sowjetrepublik".

Das Papier listet genüsslich auf, was das für ein Gebilde war, das am 12. Februar 1918 ausgerufen wurde, wenig später in der ukrainischen Sowjetrepublik aufging, in den Augen der Separatisten im Donbass nie aufhörte zu existieren - und jetzt seine Wiederauferstehung feiert. Dazu gehören: die Gebiete Charkiw, Jekaterinoslaw (heute Dnipropetrowsk), Cherson, und Taurien (heute Krim).

Im Prinzip ist das geografisch nichts anderes als das mehr als hundert Jahre ältere, ebenfalls untergegangene "Noworossija". Aber ganz offensichtlich untermauert die DNR damit erneut ihren Anspruch auf ein weit größeres Territorium als jenes, das sie heute beherrscht. Einen Teil davon haben die prorussischen Milizen in den vergangenen Wochen erobert. Soll der Rest noch folgen? Vieles deutet darauf hin.

"Wir brauchen diesen Frieden nicht"

Wenn das aber der Plan ist, dann sind die Verhandlungen in Minsk zum Scheitern verurteilt. Auf Vkontakte, dem russischsprachigen Pendant zu Facebook, lässt denn auch ein DNR-Sprecher wissen: "Vor Donezk haben noch alle immer gezittert. Wir brauchen diesen Frieden nicht." Und ergänzt: "Zuallererst brauchen wir jetzt einen Sieg."

Separatisten in der Ukraine: Anspruch auf ein weit größeres Territorium: Ein prorussischer Kämpfer hebt eine ukrainische Flagge auf.

Anspruch auf ein weit größeres Territorium: Ein prorussischer Kämpfer hebt eine ukrainische Flagge auf.

(Foto: Andrey Borodulin/AFP)

In die Köpfe der Separatisten selbst hineinzuschauen, ist mehr als schwierig. Wer verstehen will, was sie treibt oder besser noch, wohin es sie treibt, ist auf Mutmaßungen angewiesen. Zwar geben Alexander Sachartschenko, Anführer der DNR, und Igor Plotnizky, sein Counterpart in der "Luhansker Volksrepublik" (LNR), immer wieder mal Interviews und sind dann, je nach Stimmung, durchaus sehr staatsmännisch - oder sehr kriegerisch. Aber wer sind ihre Hintermänner, wer ihre Finanziers, wer ihre Offiziere und Soldaten?

"Der separatistische Aufstand im Osten der Ukraine wird von mehreren Gruppen getragen. Anfang April 2014 waren dies vor allem Journalisten und Lokalpolitiker, die in transnationale, aus Moskau operierende neonazistische, neostalinistische und ultraorthodoxe Netzwerke eingebunden sind", schreibt der russische Experte Nikolaj Mitrochin in einem Aufsatz für die Fachzeitschrift Osteuropa.

"Nachdem diese Männer der ersten Welle verhaftet worden waren, trat eine zweite Generation von Separatisten an ihre Stelle. Es handelt sich um schwer bewaffnete ehemalige Soldaten der Kriege in Afghanistan und Tschetschenien." Hinzu kämen Spezialeinheiten des russischen Militärgeheimdienstes GRU, abtrünnige Angehörige ukrainischer Gewaltapparate, Kosaken, Kriegsabenteurer und deklassierte, gewaltbereite junge Männer aus der Ukraine und Russland. Und: russische Militärs. Nach Schätzungen ukrainischer Experten sind mittlerweile mindestens 25 000 Männer auf Seiten der Separatisten im Einsatz, davon etwa die Hälfte sogenannte grüne Männchen aus Russland. Und täglich werden es mehr.

Moskau setzt auf lenkbare Figuren

Zakharchenko, leader of the self-proclaimed DPR, and Plotnitsky, leader of the self-proclaimed LPR, attend a news conference in Donetsk

In die Köpfe zu schauen ist schwierig: Alexander Sachartschenko (r) führt die "Volksrepublik Donezk", Igor Plotnizki ist sein Counterpart in Luhansk.

(Foto: Maxim Shemetov/Reuters)

Mitrochin, der an der Forschungsstelle Osteuropa in Bremen arbeitet, beschreibt eine komplexe Gemengelage, die er "konkurrierende Machtzentren" nennt und zu denen er auch "Volksbürgermeister" zählt, frühere "drittrangige Verwaltungsbeamte und Kleinunternehmer", die jetzt die Städte regierten. In vielen Kommunen aber verfüge der "Staatsapparat" nicht über vertikale Strukturen, sondern bestehe nur aus Militärkommandanten und ihren Kämpfern. Einige hätten sich den Republikführungen unterworfen, andere arbeiteten auf eigene Faust.

Moskau, heißt es dazu auch in der Ukrainskaja Prawda, setze lieber auf austauschbare und lenkbare Figuren wie Plotnizky und Sachartschenko. Sie seien im wesentlichen Pragmatiker und Krieger, keine politischen Köpfe. Anders als frühere einflussreiche Gestalten, aus Russland zugereist und von panslawisch-pseudoreligiösen Ideen getrieben, erfüllten die beiden Republikführer auf schlichte Weise die Bedürfnisse des Kreml: Sie wollten sich mithilfe Moskaus an der Macht halten.

Alexander Sachartschenko, der Kopf der Separatisten in der DNR, stammt aus der Region. Er hatte einst seine Ausbildung abgebrochen und im Zivilleben als Elektriker und Kleinunternehmer gearbeitet. Seit Ausbruch der Unruhen vor einem Jahr machte er als Militärkommandant und Kommandeur der Oplot-Miliz Karriere. Sachartschenko ist geschickt, selbstsicher und intelligent. Igor Plotnizky, der LNR-Chef, ist ein anderes Kaliber: von Beruf Soldat, später Unternehmer, kehrte er im Frühjahr 2014 zu seinen militärischen Wurzeln zurück. Er wurde "Verteidigungsminister" der LNR und später Republikchef. Den Präsidenten der Ukraine forderte der bollerige, sprunghafte Major zum Faustkampf heraus.

Konkurrenten wurden verhaftet oder zum Schweigen gebracht

A woman reacts as the residential block in which she lives in burns, a result of recent shelling according to locals, on the outskirts of Donetsk, eastern Ukraine

Eine Frau am Rande der Donezk-Region beklagt die Zerstörung.

(Foto: Maxim Shemetov/Reuters)

Regionale Medien berichten über einige Versuche, die Machtkonzentration in DNR und LNR zu unterlaufen; Mitrochin spricht gar von einem "dritten Quasi-Staat" der Kosaken unter Führung des "Großen Donheers" innerhalb der LNR. Konkurrenten wurden jedoch verhaftet, attackiert oder zum Schweigen gebracht. Unter Führung eines Stabschefs der 58. russischen Armee würden deshalb Waffen und humanitäre Güter nur Milizen zugeteilt, die mit der "Armee der Volksrepublik" kooperieren.

Was weder Sachartschenko noch Plotnizky derzeit wollen und mutmaßlich auch gar nicht sollen: jetzt klein beigeben. Denn gleichzeitig mit dem letzten, wegen Erfolglosigkeit nach wenigen Stunden abgebrochenen Verhandlungsversuch vor zehn Tagen in Minsk konnten die Separatisten große militärische Erfolge verbuchen; ihre Reise nach Weißrussland war daher eine Farce, über die ein sonst sehr diplomatisches Mitglied der OSZE-Delegation von Heidi Tagliavini sagt: "Die wollten uns auf den Arm nehmen."

Man muss sich deren Pressemitteilung vom 31. Januar noch einmal anschauen, um den Frust zu verstehen, der bei den Mediatoren mit Blick auf die (Nicht-)Gesprächspartner aus dem Donbass herrscht: "Leider nahmen die Unterzeichner des Minsker Memorandums aus Donezk und Luhansk nicht persönlich teil, obwohl sie eingeladen waren. Die Vertreter, die sie geschickt hatten, waren nicht bereit, irgendwelche Vorschläge der Kontaktgruppe zu verhandeln, geschweige denn einen Waffenstillstand. Stattdessen forderten sie eine Revision des Memorandums."

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