BMW X4 xDrive 35d:Eingebaute Sehschwäche

BMW X4 im Fahrbericht

Wer sich schon immer einen Geländewagen in Coupé-Form gewünscht hat, ist beim BMW X4 richtig.

(Foto: SOM)
  • Mit dem X4 versucht sich BMW an einer weiteren Kreuzung aus SUV und Coupé. Die eigenwilligere Optik geht allerdings auf Kosten der Sicht: Zwar sitzt man im X4 höher, sieht aber weniger.
  • Technisch gesehen ist der X4 nahezu perfekt: überzeugende Fahrleistungen treffen auf ausreichend Platz.
  • Fraglich bleibt, wo ein solches Auto eingesetzt werden soll: Für die Stadt ist er zu groß und unübersichtlich, fürs Gelände nicht ensprechend ausgerüstet.

Von Felix Reek

Der X4 steht am Straßenrand. Irgendwo in einer angesagten Metropole. New York vielleicht. Rubinrot, alles blinkt und glänzt. Ein Passant geht vorbei. Blaues Jackett, rote Chinos, an der Leine ein Hund. Er hält inne, betrachtet das SUV und die Zeit bleibt offenbar stehen. Dieses Bild, das auf der Startseite des Webauftritts von BMW zu sehen ist, sagt viel aus über das Selbstverständnis des X4 und seiner Käufer. Dynamisch, weltmännisch, außergewöhnlich, nicht einer von vielen will man sein: das Auto als Komplementierung des eigenen Charakters. Das will uns zumindest der Münchner Automobilhersteller vermitteln.

Die Realität sieht etwas anders aus. Der X4 hat dringend gute PR nötig. Der größere Bruder X6, auf dem das SUV optisch basiert, verkaufte sich zwar seit seiner Markteinführung 2008 mehr als 300 000 Mal, doch das vor allem in den USA und China. In Deutschland ist kaum ein Auto von BMW so umstritten wie dieses. Der Grund dafür ist die Kombination aus zwei im Prinzip unsinnigen Fahrzeugarten: einem Geländewagen, der vor allem in der Stadt unterwegs ist, und einem Sportwagen, der nie eine Rennstrecke sehen wird.

Höher sitzen, sportlicher aussehen

"Crossover" nennt sich das in der Fachsprache. Zwei unterschiedliche Konstruktionsformen treffen aufeinander und bilden eine neue. Der X4 ist also ein Coupé auf Stelzen, ein SUV mit schnittigeren Formen. Ein Fahrzeug für all jene, die die erhöhte Sitzposition eines Stadtgeländewagens bevorzugen, aber denen letzteres nicht sportlich genug ist. Das bringt in der Praxis einige Probleme mit sich. Wer im X4 unterwegs ist, schwebt förmlich über die Straßen, mit guter Sicht voraus. Einmal den Kopf drehen und nach hinten sehen und es folgt die große Ernüchterung.

Blick nach hinten im BMW X4

So viel sieht der Fahrer des X4, wenn er gen Heckscheibe blickt.

Der Blick gen Heckscheibe gleicht dem durch den Briefkastenschlitz einer Wohnungstür. Ohne die optional erhältliche Rückfahrkamera (420 Euro) und die Abstandsmesser (300 Euro) ist Einparken kaum möglich. Die breiten C-Säulen verdecken den Blick auf Verkehrsteilnehmer im toten Winkel.

Die größere Sicherheit ist nur subjektiv

SUV-Fahrer geben als Kaufgrund oft an, dass sie sich durch die erhöhte Position in diesem Fahrzeugtyp sicherer fühlen, weil sie den Verkehr besser im Blick haben. Das kann man im BMW X4 schlicht verneinen. Wer mit diesem SUV unterwegs ist, sitzt besser, sieht aber insgesamt schlechter. Zugleich führt im X4 die erhöhte Sitzposition dazu, dass man sich irgendwie entkoppelt vom Straßenverkehr fühlt. Subjektiv weckt das den Eindruck größerer Sicherheit. So als nähme man gar nicht am Verkehr teil. Das lullt den Fahrer geradezu ein und kann gefährlich werden.

Denn mit 313 PS ist der der X4 gerade im Stadtverkehr ein Geschoss. Der 35d ist das stärkste von drei Diesel-Aggregaten, die ab 184 PS starten. In Kombination mit der Achtgang-Automatik beschleunigt das SUV so in gerade einmal 5,2 Sekunden von null auf 100 km/h. Ein beachtlicher Wert für ein fast zwei Tonnen schweres Auto.

Ein technisch makelloser BMW

BMW X6 und BMW X4

Der BMW X4 (links) ist nur ein paar Zentimeter kleiner als der BMW X6 (rechts).

In den Grenzbereich kommt der X4 aber nie. Selbst bei Tempo 200 gleitet der Fahrer gemütlich über die Autobahn. Man muss ohne Umschweife anerkennen: Mit dem X4 ist BMW, zumindest in technischer Hinsicht, ein fast makelloses Auto gelungen.

Die Achtgang-Automatik schaltet kaum spürbar. Die vier verschiedenen Fahr-Modi (Eco, Comfort, Sport, Sport+) bewirken genau das, was ihr Name verspricht. In "Eco" wird Sprit gespart, in "Sport" wird er wieder verbraucht. "Comfort" liegt irgendwo dazwischen. Selbst der Motorensound ist trotz Diesel-Aggregat satt. Wer seinen Gasfuß hingegen im Zaum hält, hört ihn kaum, ebenso wie irgendwelchen anderen Geräusche.

26 PS im Schnitt mehr als andere Autos

Bliebe der Preis. Mit mindestens 60 100 Euro ist der X4 35d nicht gerade ein Schnäppchen und die Aufpreisliste lang. Unser Testwagen bringt es unter anderem mit Sportsitzen, Navi und Rückfahrkamera auf stolze 74 820 Euro. Das ist durchaus kein ungewöhnlicher Wert. SUVs sind seit Jahren mit dafür verantwortlich, dass die Preise von Neuwagen immer weiter steigen, auf mittlerweile 27 189 Euro im Schnitt. Das gleiche gilt für die durchschnittlichen PS-Werte. 140 waren es 2014, bei SUVs im Schnitt 26 PS mehr als bei anderen Fahrzeuggruppen.

Der X4 ist bezeichnend für eine Trendwende: Klotzen statt Kleckern. Die Bundesregierung will bis 2020 eine Million Elektroautos auf die Straße bringen, die Deutschen wollen Geländewagen mit möglichst viel PS. Der X4 kann im Alltag nichts besser oder schlechter als ein vergleichbarer Kombi. Trotzdem weckt er mehr Begehrlichkeiten. 20 Prozent aller Autos auf deutschen Straßen werden laut dem CAR-Center der Uni-Duisburg noch in diesem Jahr SUVs sein. Die Käufer lassen sich also weder vom hohen Preis noch der wenig alltagstauglichen Größe oder den schlechten Umweltwerten abschrecken. Sinn ergibt das natürlich nicht. Genau so wenig, wie das Werbebild des urbanen Städters in roten Chinos und blauem Jackett. Für den die Zeit stehen bleibt, wenn er den X4 betrachtet. Irgendwo in einer hippen Metropole wie New York, wo man seine Zeit im Auto vor allem auf eine Weise verbringt: im Stau.

Technische Daten BMW X4 35d:

Twinturbo-Dieselmotor mit 3,0 Litern Hubraum; Leistung 230 kW (313 PS); max. Drehmoment: 630 Nm bei 1500/min; Leergewicht: 1945 kg; Kofferraum: 395 l; 0 - 100 km/h: 5,2 s; Vmax: 247 km/h; Testverbrauch: 8,4 l / 100 km (lt. Werk: 6,0; CO2-Ausstoß: 157 g/km); Euro 6; Grundpreis: 60 100 Euro

Das Testfahrzeug wurde vom Hersteller zur Verfügung gestellt.

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