Krieg in der Ukraine:Gute Waffen, böse Waffen

EADS-Tochter will Milan-Raketen für 168 Mio Euro an Libyen liefern

Nur eine Defensivwaffe? Britische Soldaten üben den Einsatz der Panzerabwehrlenkwaffe vom Typ Milan.

(Foto: dpa)

Die Hardliner in den USA würden gerne Waffen an die Ukraine liefern - nur zur Verteidigung. Das ist Unsinn, denn Drohnen und Flugabwehrraketen taugen eben auch zum Angriff.

Kommentar von Joachim Käppner

Als 1941 die Wehrmacht den Vernichtungskrieg über die Sowjetunion brachte, war die deutsche Führung siegessicher. Einer der wichtigsten Gründe, warum sich das als Illusion erwies, war der T-34, ein extrem robuster, den meisten deutschen Modellen überlegener russischer Kampfpanzer. Die Doktrin der Roten Armee war offensiv, gestützt auf riesige Panzerarmeen. Mit der Zeit gelang es ihnen, die Angreifer zu stoppen und dann zurückzuwerfen. Die Russen verteidigten ihr Land vor der Auslöschung.

Soll man die T-34 als Angriffswaffen bezeichnen, obwohl sie der Defensive dienten? Die derzeit beliebte Trennung von Angriffs- und Verteidigungswaffen ist meistens falsch. Waffen lassen sich fast immer zu beiden Zwecken verwenden, es kommt darauf an, wer sie warum benutzt. In der modernen Zeit gilt nicht mehr das Prinzip der Burgmauer, hinter der man sich vor äußeren Feinden verschanzte. Wie 1941 vor Moskau gehören zur Verteidigung auch Gegenschläge, die Rückeroberung, die Entlastungsoffensive.

Wenn US-Republikaner und auch manche Europäer fordern, die Ukraine mit defensive weapons auszurüsten, soll das moralisch lauter klingen: Gute Waffen dienen der Verteidigung, böse Waffen dem Aggressor. Aber das ist Unsinn. Es geht um Panzerabwehrraketen, Drohnen, Flugabwehrsysteme. All dieses Kriegsgerät taugt für Angreifer wie Verteidiger.

Politik ist immer ein Kampf um Begriffe, die das eigene Handeln legitimieren sollen. In der Ära Brandt rief die CDU gar zum "Besetzen der Begriffe" auf. Putins Regierung behauptet, ihre Unterstützung der russischen Separatisten in der Ostukraine diene dem "Schutz russischer Bürger", in Kiew dagegen spricht man gern vom Krieg als "Antiterrormaßnahme".

Sich offen auf die Seite einer Kriegspartei stellen

Das Wort von den angeblich defensiven Waffen kaschiert, dass der Westen damit genau das tun würde, was Putins Propaganda schon jetzt behauptet: sich offen auf die Seite einer Kriegspartei und gegen Russland zu stellen. Wer das will, soll es ohne Beschönigung sagen - und die bösen Konsequenzen bedenken.

Es ist ein gewaltiger Unterschied, ob westliche Staaten einschließlich der Bundesrepublik Waffen an die Ukraine liefern oder an die irakischen Kurden. In letzterem Fall tun sie das bereits; völlig zu Recht und mit klarem Ziel. Die Kurden verteidigen sich gegen die Horrormilizen des IS, gegen Massenmord und Versklavung. Für diesen Kampf stellt Deutschland panzerbrechende Milan-Raketen zur Verfügung, eine Waffe, die den Kurden bis dahin fehlte. Auch sie ist übrigens nicht per se eine "Schutzwaffe", sondern lässt sich gegen attackierende gepanzerte Fahrzeuge wie zur Eroberung befestigter Stellungen nutzen.

In der Ukraine-Krise aber fehlt ein solches rationales Ziel wie jenes, den IS einzudämmen. Waffenlieferungen würden angesichts der Übermacht Russlands wenig ändern, die Lieferstaaten aber ohne Not viel tiefer in den Konflikt hineinziehen. Auf Container voller Waffen folgen Ausbilder, Berater und die Gefahr der Eskalation - egal wie man die Sendung deklariert.

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