"Deutschlands schönste Frau" auf RTL:Guido im Meer der Tränen

Guido Maria Kretschmer, "Deutschlands schönste Frau", RTL

Bekommt nach Hotter than my daughter mit Deutschlands schönste Frau die zweite eigene Show bei RTL: Modedesigner Guido Maria Kretschmer.

(Foto: RTL/Ralf Jürgens)

In seiner neuen Show sucht Guido Maria Kretschmer "Deutschlands schönste Frau". Leider bedient sich RTL für das Format dreist bei Elementen anderer TV-Shows - und sendet einen 105-minütigen Werbespot mit hässlichem Ende.

TV-Kritik von Jana Stegemann

Dass die schwäbische Meerjungfrau die Wahl zu "Deutschlands schönster Frau" nicht gewinnen kann, steht bereits fest, bevor sie auch nur einen Schlag mit ihrer glitzernden Flosse getan hat. Alexandra sagt in die Kamera: "Ich bin 37, von Beruf Meerjungfrau und ein bisschen bescheuert." Dann springt sie mit Bikini-Oberteil und Flosse in den Pool, die Kamera zoomt auf ihr Dekolleté. Ein paar Sekunden später korrigiert sich die rothaarige Schwäbin. "Eher Pottwal als Meerjungfrau".

Guido Maria Kretschmer ficht das nicht an. "Manchmal sind Fische ja auch etwas größer", sagt der Designer grinsend. "Alex ist eher Rollmöpschen mit Schwänzchen dran." Aber: "Ich finde es schön, wenn man im Leben was gefunden hat, was einem gefällt." Doch passt die Schwäbin mit der Rubens-Figur und den langen roten Haaren auf ein Werbeplakat für Unterwäsche? Nein. Natürlich nicht. Darin sind sich die 19 anderen Kandidatinnen einig.

Die "innerne Schönheit, ihre Stärke" sind entscheidend

Dabei sollen gängige Schönheitsideale eigentlich keine große Rolle bei der Auswahl von "Deutschlands schönster Frau" spielen. Eigentlich sollte es darum gehen, dass jede Frau auf ihre Art schön ist. Oder so. Und doch zeigt sich nach 75 Minuten: die Hölle, das sind in Guidos neuer Show die anderen Kandidatinnen.

Angekündigt hatte der Designer aus dem westfälischen Münster nicht weniger als eine Revolution. "Es ist die Zeit gekommen, die wahre Schönheit deutscher Frauen zu entdecken", sagt Kretschmer zu Beginn der Sendung. Nicht das Äußere einer Frau sei entscheidend, sondern "ihre innere Schönheit, ihre Stärke". Die Siegerin der Show solle zur "Botschafterin einer neuen Generation von Frauen in Deutschland" werden. Und zwar als Gesicht einer Unterwäschekampagne. Spätestens jetzt werden Feministinnen längst den Fernseher ausgeschaltet haben.

"Deutschlands schönste Frau", RTL

Ein bisschen wie beim Bachelor: Damenrunde auf Designersofa in Villa, hier allerdings bei Deutschlands schönste Frau.

(Foto: RTL/Ralf Jürgens)

20 Frauen hat Kretschmer in eine Villa nach Mallorca eingeladen

Kretschmer hat sich in den vergangenen Jahren eine große Fangemeinde durch seine unterhaltsame Kommentierung in dem Format Shopping Queen aufgebaut, wobei er stets perfekt die Rolle des nett-ironischen Beobachters verkörpert. Doch nun plante Kretschmer, so schien es, Moderator einer vor allem menschlichen Casting-Show sein zu wollen. "Deutschlands schönste Frau sollte vor allem Herz haben." Exakt das muss der Grund sein, warum zu Beginn der Sendung vor allem zweierlei gefilmt wird: Brüste und Tränen.

20 Frauen hat Kretschmer in eine Villa nach Mallorca eingeladen - dünne und ein bisschen kräftigere, blonde und brünette, langhaarige und kurzhaarige. Die tätowierte Sina ist mit 21 Jahren die jüngste Teilnehmerin, die platinblonde Rita mit 65 Jahren die älteste.

Zu gewinnen gibt es unter anderem eine Werbekampagne mit dem deutschen Unterwäschehersteller Triumph. "Welche Frau träumt nicht davon, auf einem Plakat zu sein?", fragt Kretschmer und verkörpert in diesem Moment die nette Version der Germanys Next Topmodel-Jurorin Heidi Klum, die von heute an wieder über das Schicksal junger Nachwuchsmodels entscheidet. Doch während den "GNTM"-Teilnehmerinnen von Klum stets mantraartig der Sinn und Zweck ihrer Teilnahme an der Sendung in Erinnerung gerufen wird ("Nur eine kann auf das Cover der deutschen Cosmopolitan"), schafft es Kretschmer nicht, mit Konzept durch die Sendung zu führen. Der 49-Jährige ist in der Rolle des Beobachters besser.

"Auch Frauen ohne Haare können schön sein"

Nicht nur das Aussehen, auch die "emotionalen Geschichten echter Frauen" sollten im Fokus der Sendung stehen. Und Schicksale gibt es wahrlich genug.

Da wäre zum einen Ramona. Die 32-Jährige wurde mit 15 Jahren ungewollt schwanger. Heute hat sie drei Kinder von drei verschiedenen Männern. "Von einem der Männer habe ich mich lange schlagen lassen. Meinen Papa kenne ich gar nicht, meine Mutter ist Alkoholikerin. Wenn ich mit ihr telefoniere, weiß sie nicht mal meinen Namen."

Und Vanessa. "Vanessa hat ihre Jugend im Korsett verbracht", blendet RTL sogleich ein. Fast ihre gesamte Kindheit und Jugend lang musste Vanessa wegen einer doppelförmige S-Wirbelsäule 23 Stunden am Tag ein Korsett tragen. "Über Jahre war ich immer Außenseiter."

"Oh, wie süß, die Tränen laufen"

Dann gibt es Frauen, die mögen ihre Augenbrauen nicht, andere haben sieben Kinder. Bodybuilderin Olga trägt sehr viel Make-up, Britta hingegen braucht keines. Eine beschwert sich über ihre "Hamsterbäckchen", wieder eine andere über ihre "Wischmopfrisur".

Die 29-jährige Sam ist jedoch die Kandidatin, deren Lebensgeschichte am prominentesten thematisiert wird. "Das Besondere an mir sind meine nicht existenten Haare, bedingt durch kreisrunden Haarausfall", sagt die 29-Jährige und reißt sich vor den Augen der anderen ihre Perücke vom Kopf. "Ich wurde in meiner Jugend gemobbt, aber ich bin dem lieben Gott dankbar. Ich bin hier, weil ich der Meinung bin, dass auch Frauen ohne Haare schön sein können", sagt Sam noch, da liegen sich die anderen Kandidatinnen schon längst weinend in den Armen. Kretschmer kommentiert: "Oh, wie süß, die Tränen laufen. Die Sam steht dafür, dass eben nicht immer alles perfekt laufen kann."

Erst nach 30 Minuten voller tränenreicher Szenen passiert endlich etwas. Die Teilnehmerinnen werden in zwei Gruppen eingeteilt - die Über-30-Jährigen und die Unter-30-Jährigen. Letztere dürfen während eines Fotoshootings am Strand ihre Brüste zeigen. Dabei wird viel geweint - allerdings wird nicht ganz klar, warum alle immer so traurig sind. Die Älteren, und da bleibt RTL knallhart, sollen statt nackter Haut bitte nur Selfies aufnehmen. Angezogen, selbstverständlich.

"Bekommt eine Creme und tut, als hätte sie am Heiligen Gral geleckt"

Zwischendurch bekommen die Kandidatinnen Dove-Pflegeprodukte geschenkt. Einige müssen schon wieder weinen angesichts der zahlreichen Gratis-Tiegel, -Töpfe und -Tuben. Kretschmer kommentiert: "Bekommt eine Creme und tut, als hätte sie am Heiligen Gral geleckt." Das Unternehmen war übrigens eines der ersten, das Laienmodels mit durchschnittlichen Konfektionsgrößen für seine Kampagnen einsetzte. Damit es thematisch zusammenpasst, lässt RTL mit großem Aufwand einen der bekanntesten Werbespots des Kosmetikherstellers nachspielen.

Dazu fertigt ein Phantom-Bild-Zeichner zwei Porträts der Frauen an - eins, auf dem sie sich selbst beschreiben. Eins, auf dem Kretschmer die Frauen beschreibt. Na, welches ist am Ende schöner? Klar, Guido kennt die Frauen eben besser als sie sich selbst - und klar sind seine Porträts hübscher. Klar auch, dass wieder reichlich Tränen vergossen werden.

"Natürlich schmeißt du die Konkurrenz raus"

So geht es tränenreich weiter, bis zur sogenannten "Ladiesnight". In schönster Bachelor-Manier und -Kulisse treffen sich Kretschmer im Anzug und die Kandidatinnen in Abendkleidern in der "Traumvilla mit Lavendelbeeten" - und sollen sich gegenseitig nominieren.

Rita, die älteste Teilnehmerin, sieht die Aufgabe pragmatisch: "Natürlich schmeißt du die Konkurrenz raus." Ihre Sitznachbarin weint angesichts dieser Grausamkeit. Rita wählt Alex raus, die schwäbische Meerjungfrau. "Deutschlands schönste Frau verkörpert für mich eine Frau, die perfekt ist", sagt eine andere Teilnehmerin und wählt ebenfalls Alex raus.

Den Frauen, die sich mittlerweile in Zweier- bis Vierer-Lästergrüppchen zusammengefunden haben, ist noch eine Teilnehmerin ein Dorn im Auge: Monika. Die hatte zuvor reichlich selbstbewusst gesagt, sie habe Ähnlichkeit mit Marilyn Monroe. Diese Aussage darf nicht ungestraft bleiben.

Ausgestoßen von der weinerlichen Schicksalsgemeinschaft

Auch die tätowierte Sina entspricht so gar nicht dem Schönheitsideal der meisten Teilnehmerinnen und Vanessa - ungeachtet ihrer Jahre im Korsett - stößt ebenfalls auf Ablehnung. "Ich muss sagen, wenn du Mitte 30 bist und dauernd heulen musst, dann stimmt doch was nicht", sagt eine Teilnehmerin.

Die meisten sind sich einig: Deutschlands schönste Frau sollte nicht nur schön und stark sein, "sondern teamfähig sein, sich integrieren können und für andere da sein". Willkommen in Rollenklischees längst vergangener Zeiten. Weil Vanessa mit den anderen Frauen nicht auskommt, wird sie von der weiblichen, weinerlichen Schicksalsgemeinschaft ausgestoßen.

Schönheit hat viele Gesichter - und in der Show eine hässliche Seite

In den letzten 30 Minuten der Sendung geht es nicht mehr um Schönheit - weder um innere noch äußere. Es geht um Neid, Eifersucht, Missgunst, Selbstzweifel und darum, mögliche Konkurrentinnen auszuschalten. Die Stimmung ist frostiger und fieser als in der gesamten Staffel des vergangenen Dschungelcamps.

Der Zuschauer könnte sogar auf die Idee kommen, dass es selbst auf Miss-Wahlen harmonischer und fairer zugeht. "Die schärfsten Kritiker von Frauen sind nicht Männer - das sind sie selbst", sagt Guidos Stimme aus dem Off. Schönheit, das steht nach 105 Minuten fest, hat viele Gesichter - doch leider haben zu viele Teilnehmerinnen bereits in der ersten Folge ihre hässliche Seite gezeigt.

Zu diesem Zeitpunkt hatten die Kandidatinnen nach Vanessa auch die Meerjungfrau Alexandra und die allzu selbstbewusste "Marilyn"-Monika längst rausgewählt.

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