Streit um Jugendprogramm Puls:Bayerns Privatradios klagen gegen BR

  • 60 bayerische Lokalradios sowie der landesweite Sender Antenne Bayern klagen gegen den Bayerischen Rundfunk.
  • Die Privatradios halten die Pläne des BR für gesetzeswidrig, den bislang digital empfangbaren Jugendsender Puls von 2018 an auf der UKW-Frequenz von BR Klassik laufen zu lassen.
  • Die privaten Anbieter befürchten, der Jugendsender könnte sich dem Mainstream annähern - und somit zur Konkurrenz für sie werden.

Von Claudia Fromme und Claudia Tieschky

Die Entscheidung ist längst gefallen, doch Klassikfans wollen sich nicht damit abfinden: Von 2018 an soll der digitale Jugendsender Puls analog zu empfangen sein - und BR Klassik seine UKW-Frequenz verlieren. So hat es der Rundfunkrat des Bayerischen Rundfunks im vergangenen Juli beschlossen - nach einer kontroversen öffentlichen Debatte. Für BR-Intendant Ulrich Wilhelm ist der Tausch Jugend gegen Klassik ein Prestigeprojekt, das den BR verjüngen soll - und für das er aber nur in zähen Verhandlungen eine Mehrheit erhielt.

Auftrieb bekommt die Hoffnung der Kritiker nun durch eine Klage privater bayerischer Radiosender gegen den BR, die sie am Montag beim Landgericht München I eingereicht haben. Die Kläger argumentieren, der Tausch sei rechtlich unzulässig. Er verstoße gegen das Wettbewerbsrecht, da er die Interessen der Privatsender verletze und staatliche Ressourcen in wettbewerbsverzerrender Weise gegen die privaten Hörfunkanbieter einsetze. Auch Verstöße gegen das Kartell- und Verfassungsrecht sieht Christoph Freiherr von Hutten, der die 60 lokalen Privatsender und den landesweiten Sender Antenne Bayern vertritt.

Das junge Programm Puls ist zwar werbefrei, trotzdem sehen die Privatsender in dem Wellentausch einen massiven Eingriff in den Wettbewerb und Verstöße gegen die Marktverhaltensregeln, die der Grundversorgungsauftrag dem öffentlich finanzierten BR vorgebe. Das Klassikprogramm werde für den überwiegenden Teil der Hörer nach dem UKW-Verlust faktisch nicht mehr zu empfangen sein.

Furcht vor dem "wirtschaftlichen Aus" für kleine Anbieter

Mit einem UKW-verbreiteten Jugendprogramm würde der BR dagegen seine überragende Position in Bayern gegenüber den privaten Sendern weiter ausbauen, argumentieren sie, und damit massiv Hörer der privaten Radiosender abziehen. Das wiederum ziehe verminderte Reichweite nach sich und damit wirtschaftliche Einbußen durch weniger Relevanz für den Werbemarkt, prognostizieren sie. Wenn Puls statt BR Klassik auf UKW sendet , rechnen sie mit Mindereinnahmen im zweistelligen Millionenbereich.

Philip von Martius, Geschäftsführer der die Klage koordinierenden BLW Bayerische Lokalradio-Werbung GmbH befürchtet, dass "das UKW-Privileg nicht mehr zur Herstellung von Vielfalt und zur Sicherung der Grundversorgung eingesetzt würde, sondern im Ergebnis für einen Verdrängungswettbewerb, der für viele private Anbieter das wirtschaftliche Aus bedeuten würde".

Der BR hingegen betonte seit Bekanntwerden der Pläne, dass Puls keine Konkurrenz sei, da die Klangfarbe seiner Musik und die Programme weit vom Mainstream entfernt seien. Die Privaten bleiben skeptisch, sie befürchten, dass nach der Umlegung ins UKW-Netz auch der Jugendsender sich dem Mainstream annähern wird - und somit zur Konkurrenz für sie werden wird.

Streit um die Gesetzeslage

In ihrer Klage berufen sich die privaten Sender auch auf verfassungsrechtliche Grundlagen. Der von den Ländern geschriebene Rundfunkstaatsvertrag erklärt einen "Austausch eines in digitaler Technik verbreiteten Programms gegen ein in analoger Technik verbreitetes Programm (. . .)" klar für nicht zulässig. Das Recht in Bayern dagegen lässt ihn zu. Ein Kuriosum, denn 2009 sollte das Rundfunkgesetz in Bayern mit dem Staatsvertrag harmonisiert werden - gleichwohl wurde es dann so geändert, dass solch ein Programmaustausch möglich ist und eine Normenkollision entstand. Auf dieses Gesetz beruft sich der BR und sieht den Wellentausch als gesetzeskonform.

Die klagenden Privatsender sehen das anders. Der BR sei bei der widersprüchlichen Gesetzeslage an den Rundfunkstaatsvertrag gebunden und nicht an das später entstandene Landesgesetz. Während dort im Gesetzgebungsverfahren zunächst ein Text zur Lesung stand, der die Regeln harmonisiert hätte, wurde die Formulierung offenbar später geändert. Den Abgeordneten der Landtagsfraktion sei damals womöglich nicht bewusst gewesen, dass sie das Gegenteil dessen verabschiedeten, was der Staatsvertrag vorsieht.

Bedeutung hat die Bayernposse vor allem, weil es Ziel des Landtags war, Landesrecht an den Staatsvertrag anzupassen. Auch wenn das misslang - der Wille lässt nach Ansicht der Kritiker erkennen, dass der Staatsvertrag das übergeordnete Gesetz ist, nach dem sich der BR richten muss.

Ziel der Klage ist eine Verurteilung des BR, den Tausch von Puls und BR Klassik zu unterlassen. Zeit ist noch dafür.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: