Tote IS-Gefangene Kayla Mueller:Menschenfreundin - selbst in Geiselhaft

Tote IS-Gefangene Kayla Mueller: "Mitfühlende Menschenfreundin": Die US-Amerikanerin Kayla Mueller starb in Syrien in Gefangenschaft des IS.

"Mitfühlende Menschenfreundin": Die US-Amerikanerin Kayla Mueller starb in Syrien in Gefangenschaft des IS.

(Foto: AFP)

US-Helferin Kayla Mueller war monatelang in der Gewalt der Terrormiliz Islamischer Staat. Nun ist sie unter ungeklärten Umständen in Syrien zu Tode gekommen. Ein Brief, den sie in Geiselhaft schrieb, zeugt von ungewöhnlicher Selbstlosigkeit.

Von Barbara Galaktionow

Eineinhalb Jahre war Kayla Jean Müller in der Hand der Terrormiliz Islamischer Staat. Eineinhalb Jahre lang lebte die US-Amerikanerin als Geisel der Islamisten, gefangen gehalten an wechselnden Orten in Syrien. Und trotzdem scheint es ihr gelungen zu sein, nicht aufzugeben, dem Leben sogar noch unter diesen furchtbaren Umständen etwas abzugewinnen - und es sogar ein wenig zu gestalten.

Mueller zeigte ihren Wachen, wie man aus Papier Friedenskraniche faltet. Sie turnte in ihrer Zelle und machte Kopfstand. Das berichteten Hinterbliebene am Dienstag, nachdem der Tod der 26-Jährigen von US-Präsident Barack Obama offiziell bekannt gegeben worden war. Mueller starb unter noch ungeklärten Umständen in Geiselhaft.

Von der bemerkenswerten mentalen Stärke der jungen Frau scheint auch ein Brief zu zeugen, den sie in Gefangenschaft schrieb und den ihre Familie nun veröffentlichte. "Ich habe festgestellt, dass es in jeder Situation etwas Gutes gibt, manchmal müssen wir einfach danach suchen", schrieb Mueller im Frühjahr 2014 an ihre Eltern.

Dabei wird deutlich, dass es der Glaube an Gott ist, der ihr in dieser Situation Kraft verleiht. Sie habe sich ganz "unserem Schöpfer übergeben", schreibt Mueller. Und wie immer es ihr tatsächlich gegangen sein mag - aus dem gesamten Schreiben spricht mehr Sorge um ihre Angehörigen als um sich selbst (hier der ganze Brief bei der Agentur Bloomberg).

Verwandte und Freunde zeichneten in ihren öffentlichen Statements am Dienstag denn auch das Bild einer ungewöhnlich engagierten, idealistischen und selbstlosen jungen Frau. Demnach setzte sich Kayla Mueller für zahlreiche Projekte und Menschen ein, schon bevor sie 2013 in die Türkei und nach Syrien reiste, um syrischen Flüchtlingen zu helfen.

Unterwegs in der No-Go-Zone

In den USA engagierte sie sich zum Teil schon in jungen Jahren für die Rechte der Hopi-Indianer, gegen die Diskriminierung von HIV-Infizierten oder für die Opfer des Bürgerkriegs in Darfur, wie verschiedene US-Zeitungen schreiben. Nach ihrem Studienabschluss ging sie zunächst nach Indien und dann nach Israel. 2010 arbeitete sie in der Internationalen Solidaritätsbewegung für die Palästinenser. 2013 führte sie ihr Weg in die Türkei, an die syrische Grenze.

Mit einem jungen Syrer fuhr Mueller Anfang August 2013 nach Syrien hinein. Ihr Begleiter sollte dort für die Organisation Ärzte ohne Grenzen Internetverbindungen wiederherstellen, berichtet die New York Times. Die Mitarbeiter der Hilfsorganisation waren demnach nicht begeistert, als Mueller dort auftauchte. Syrien war zu dieser Zeit eine No-Go-Zone für die meisten internationalen Helfer.

Auf der Rückfahrt in die Türkei wurde Muellers Auto am 4. August 2013 angegriffen. Sie und ihr syrischer Begleiter gerieten in die Gewalt der Islamisten - der Syrer wurde allerdings schon bald darauf freigelassen.

Muellers Leben in Gefangenschaft

Die Gefangenschaft scheint für die US-Amerikanerin nicht so schlimm gewesen zu sein wie es von anderen, männlichen Geiseln berichtet wird. "Ihr sollt wissen, dass ich an einem sicheren Ort bin, völlig unverletzt + gesund", schrieb sie in dem Brief an ihre Eltern. Sie werde mit "höchstem Respekt + Güte" behandelt.

Während viele der männlichen Geiseln gefoltert wurden, seien die weiblichen Geiseln relativ gut behandelt worden, bestätigte der New York Times zufolge auch eine ehemalige Geisel aus Europa. Die Frauen seien nicht geschlagen worden und, so glaube er, auch nicht sexuell belästigt.

Große Anteilnahme für den Tod der Helferin

Zwei weiteren Mitgefangenen zufolge, die später freigelassen worden waren, musste Kayla Mueller in Gefangenschaft einen Hidschab tragen und lebte zusammen mit anderen weiblichen Gefangenen in einer Zelle. Sie habe öfter den Ort wechseln müssen, sei mal Nahe Aleppo, mal in Rakka gewesen.

Im Heimatort Muellers, Prescott in Arizona, legten zahlreiche Menschen nach Bekanntwerden ihres Todes an einem zentralen Ort Blumen nieder. Die Familie bat allerdings darum, dass die Menschen ihr Mitgefühl lieber mit Spenden an Organisationen ausdrücken sollten, für die sich auch ihre Tochter engagiert habe.

Eine Tante Kayla Muellers sagte, ihre Nichte habe die Herzen der Menschen auf der ganzen Welt berührt. "Wenn das ihr Erbe und der Fußabdruck ist, den sie auf der Welt hinterlässt, dann ist das eine wunderbare Sache."

US-Präsident Obama sagte, sein Herz sei gebrochen, als er vom Tod der Helferin gehört habe. Trotzdem verteidigte er die US-Linie, grundsätzlich kein Lösegeld für Geiseln zu bezahlen. "Sobald wir dies täten, würden wir nicht nur das Abschlachten unschuldiger Menschen finanzieren und ihre Organisation stärken, sondern US-Bürger zu noch größeren Zielen für künftige Geiselnahmen machen", sagte Obama am Dienstagabend der Internetplattform BuzzFeed.

Er verwies darauf, dass die USA Mitte 2013 bei einer gescheiterten Befreiungsaktion versucht hätten, Mueller und andere Geiseln zu retten, doch diese seien nicht mehr an dem Ort gewesen. "Wir haben sie wahrscheinlich um einen oder zwei Tage verpasst".

Zuspruch erhielten die Hinterbliebenen Muellers auch von der Familie Peter Kassigs. Der US-Amerikaner war im November vom IS brutal hingerichtet worden, wie bereits andere männliche Geiseln zuvor. Kayla Müller habe ein Leben im Dienste anderer geführt. Man werde sich an sie erinnern, teilten sie per Twitter mit.

Mueller war, soweit bekannt, die einzige US-Geisel, die sich zuletzt noch in den Händen des IS befand. Wie genau sie zu Tode kam, wird von den US-Behörden noch untersucht. Der IS-Miliz behauptete, sie sei beim Angriff eines jordanischen Kampfflugzeugs getötet worden.

Den USA zufolge lassen Fotos von Kayla Muellers Leiche, die der IS als Beweis an die Familie schickte, allerdings keine genauen Rückschlüsse darauf zu, ob diese Version zutrifft. "Wir haben keine definitiven Beweise, wie oder wann sie starb", sagte ein Behördenvertreter, der anonym bleiben möchte.

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