Flüchtlinge:Lernen fürs tägliche Leben

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Der Landkreis und die Stadt wollen in der früheren Wolfratshauser Landwirtschaftsschule kleine Übergangsklassen einrichten, um junge Flüchtlinge mit der Sprache und dem Alltag in Deutschland vertraut zu machen

Von Wolfgang Schäl und Matthias Köpf, Wolfratshausen

Der Landkreis will auch seine Hälfte der früheren Wolfratshauser Landwirtschaftsschule an die Stadt verkaufen und dann zwei Schulräume zurückmieten, um darin Übergangsklassen für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge einzurichten. Das Projekt stehe noch "auf gläsernen Füßen", sagt der Dritte Landrat Klaus Koch (Grüne). Er sei aufgrund seiner Erfahrung als Schulleiter von Landrat Josef Niedermaier (Freie Wähler) um konkrete Vorschläge gebeten worden, es handle sich also ausdrücklich "nicht um ein grünes Projekt". Das Ganze habe sich bislang rein auf der Verwaltungsebene abgespielt.

Die Übergangsklassen könnten nach Kochs Vorstellung an die Hammerschmiedschule "angedockt" werden, gewissermaßen als deren Satellit, und wären eine Art Clearing-Stelle für junge Flüchtlinge, die nicht nur der Sprache unkundig, sondern auch mit den hiesigen Gebräuchen und Verhaltensregeln nicht vertraut sind. Es gehe in den Übergangsklassen darum, bestimmte Haltungen und Informationen zu vermitteln, die im Alltag wichtig sind: Pünktlichkeit, Korrektheit, Techniken wie das Bedienen eines Fahrkartenautomaten, das alles seien Dinge, die in einer Art gesellschaftlichem Intensivkurs vermittelt werden könnten und die Integration erleichtern würden. Dies alles sei freilich "sehr diffizil" zu vermitteln, räumt Koch ein, denn die Jugendlichen hätten teilweise lange Fluchten hinter sich und kämen aus ganz verschiedenen Kulturkreisen.

Zwei Pädagogen, die derzeit als mobile Reserven arbeiten, hat Koch im Blick, sie seien momentan allerdings wegen Vertretungen unabkömmlich. Eine von beiden Lehrkräften habe speziell das Unterrichten von Deutsch als Fremdsprache studiert. Auch einen zeitlichen Rahmen hat Koch für die Umsetzung dieser Pläne vor Augen: Dies müsse sich bis Ostern realisieren lassen. Dass dies alles leicht von der Hand geht, erwartet Koch nicht - die Verantwortlichen stünden vor einer "riesigen Herausforderung", zumal der "große Schwung" jugendlicher Asylbewerber ja noch gar nicht angekommen sei. Das sieht auch der Landrat so. Es gelte in jedem Einzelfall herauszufinden, "was dem Betreffenden gerade fehlt, was er braucht, um in unserem System zurechtzukommen". Da es sich um Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren handle, gehe man vom Niveau von Mittel- und Realschule aus. Intensive Gespräche auf dienstlicher Ebene habe es längst gegeben, sagt Niedermaier, unter anderem mit Schulamtsleiterin Marianne Konrad, die von dem Konzept begeistert sei. Auch auf ministerieller Ebene werde das Konzept mit Wohlwollen betrachtet. Was den Zeitrahmen für die Umsetzung betrifft, lautet Niedermaiers Vorstellung so: "Je eher, desto besser."

Noch bietet die ehemalige Landwirtschaftsschule Raum für viele mögliche Nutzungen. Die Pläne verdichten sich aber zusehends. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Wolfratshausens Bürgermeister Klaus Heilinglechner (BVW) unterstützt diese Pläne. Die Stadt werde aber vor allem die Klassenräume zur Verfügung stellen, der Landkreis zahle das Personal und die Miete und werde diese wohl von der Regierung von Oberbayern erstattet bekommen. Die nahe gelegene städtische Mittelschule am Hammerschmiedweg sehe sich in der Lage, den organisatorischen Rahmen für das Vorhaben zu geben, sagt der Bürgermeister.

Die Schüler der geplanten Übergangsklassen werden wohl aus einem weiteren Umkreis kommen, zum Teil aber auch direkt aus dem Nachbargebäude. Denn die ehemaligen Internatsräume für die Hauswirtschaftsschülerinnen sollen auch nach dem Verkauf an die Stadt auf unabsehbare Zeit als Unterkunft für bis zu neun unbegleitete jugendliche Flüchtlinge dienen. Als Minderjährige fallen diese unter das Jugendhilferecht, sollen also nicht in den Unterkünften für erwachsene Asylbewerber leben, sondern wie in Wolfratshausen maximal zu neunt in einer heilpädagogischen Wohngruppe. Ihre Betreuung soll die örtliche Inselhaus Kinder- und Jugendhilfe übernehmen.

Eines mag sich Klaus Koch bei alledem lieber nicht ausmalen: Wenn die jungen Asylbewerber 18 Jahre alt und damit volljährig werden, "dann werden sie wie ganz normale Flüchtlinge behandelt", mit der möglichen Konsequenz, dass ihnen, ungeachtet aller integrativen Anstrengungen, die Ausweisung droht.

© SZ vom 13.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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