Beobachter:Wie die Ostukraine die OSZE überfordert

Beobachter: Inspektoren der OSZE untersuchen den Angriff auf einen Kindergarten in Mariupol.

Inspektoren der OSZE untersuchen den Angriff auf einen Kindergarten in Mariupol.

(Foto: AP)
  • Schon jetzt sind 400 OSZE-Mitarbeiter im Kriegsgebiet im Einsatz. Es sind erfahrerene Spezialisten und Soldaten, doch ihre Arbeit wurde schon in der Vergangenheit behindert.
  • Sie sollen den neuerlich ausgehandelten Waffenstillstand überprüfen - doch ihre Ausrüstung ist viel schlechter als die der Rebellen.
  • Sollte der Waffebstillstand halten, kommt auf die Beobachter eine weitere schwierige Aufgabe zu.

Von Daniel Brössler, Brüssel, und Florian Hassel

Die Jobbeschreibung ist kurz. "Sicherstellung einer effektiven Überwachung und Überprüfung des Waffenstillstandes und des Abzuges der schweren Waffen durch die OSZE von Tag 1 des Abzuges, bei Nutzung aller notwendigen technischen Ausrüstung, einschließlich Satelliten, Drohnen, Radarausrüstung etc." So steht es unter Punkt 3 der Vereinbarung, die in Minsk auch die prorussischen Separatisten unterschrieben haben. Der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) fällt so eine zentrale Rolle zu auf dem Weg zu Frieden im Osten der Ukraine. Die Frage ist, ob sie ihr gewachsen sein wird.

Bisher waren die etwa 400 OSZE-Mitarbeiter im Kriegsgebiet machtlos. Ihre Aufgabe ist auch bisher schon, die Grenze zwischen Russland und der Ukraine zu überwachen, den Zustrom an Waffen, Söldnern und Soldaten aus Russland präzise festzustellen oder zu inspizieren. Die Beobachter, unter ihnen erfahrene Soldaten und andere Spezialisten, sind aber unbewaffnet und mit keinerlei Vollmachten ausgestattet, wie sie etwa UN-Friedenstruppen hätten. Im Text aus Minsk deutet nichts darauf hin, dass die Kontrolleure mit mehr echten Machtmitteln ausgestattet werden könnten.

Die OSZE-Beobachter werden von Rebellen behindert

Die Kontrolle der Grenze zwischen Russland und der Ukraine etwa sei eine "sehr begrenzte Operation", gab OSZE-Generalsekretär Lamberto Zannier am 8. Februar zu. Die OSZE-Inspektoren beobachten nur zwei von acht Grenzübergängen, die von den Rebellen kontrolliert werden. Zudem hat die OSZE keinerlei Kontrolle über Nebenstraßen und Schleichwege über die Hunderte Kilometer lange Grenze. "Wir haben kein vollständiges Bild darüber, ob es illegale Übergänge an der Grenze gibt", sagte Zannier.

Oft werden die Beobachter schlicht von bewaffneten Rebellen am Weiterfahren gehindert - wie etwa am 11. Februar, als die OSZE den von den Separatisten kontrollierten Grenzübergang Uljanowsk kontrollieren wollte. Auch in den Rebellenhochburgen Donezk und Luhansk selbst sind etliche Plätze für die Beobachter gesperrt.

Während die Nato die Bewegungen des russischen Militärs und der Separatisten mit militärischen Spionagesatelliten verfolgt, stehen der OSZE nur einige zivile Drohnen mit begrenzter Reichweite zur Verfügung. Die Drohnen wurden von Separatisten oder russischen Militärs bereits beschossen oder mit militärischem Spezialgerät gestört, etwa als Moskau im November 2014 viele Waffen, Panzer, Geschütze und Soldaten aus Russland in die Ostukraine schickte.

In den vergangenen Tagen beobachtete die OSZE in der Ostukraine laufend Kolonnen unmarkierter Lastwagen und Panzer, Schützenpanzer oder Raketenwerfer made in Russia. Zwar hat sie laut Generalsekretär Zannier keine konkreten Waffenübergaben an die Rebellen gesehen. Aber jedes Mal, wenn die Inspektoren nach einer militärischen Aktion Bilanz zögen, "scheinen die Separatisten neue Waffen zur Hand zu haben". Da die OSZE keine Anzeichen dafür habe, dass die Ukrainer den Rebellen Waffen lieferten, "ist unsere Schlussfolgerung, dass sie von der anderen Seite kommen müssen . . . offensichtlich von der russischen Grenze".

Hilflos beobachten die Inspektoren auch die heftigen Artillerieduelle zwischen Separatisten und Ukrainern. Beim Kampf um den Eisenbahnknotenpunkt Debalzewo, wo nicht nur schätzungsweise 8000 ukrainische Soldaten von den Rebellen eingeschlossen sind, sondern auch Tausende Zivilisten, verhallte ein Aufruf des amtierenden OSZE-Vorsitzenden, des serbischen Außenministers Ivica Dačić, für eine Waffenruhe zur Rettung von Zivilisten vor wenigen Tagen ebenso ungehört wie ähnliche Appelle zuvor.

Hält die Waffenruhe nicht - wären Sanktionen die Folge

Sollte der Waffenstillstand diesmal aber tatsächlich halten, kommt voraussichtlich eine weitere schwierige Aufgabe auf die OSZE zu. Nach der Vereinbarung von Minsk sollen in den von den Separatisten kontrollierten Gebieten Regionalwahlen nach ukrainischem Recht abgehalten werden.

Anders als bei den von den Separatisten jüngst in Eigenregie angesetzten Wahlen müssten diese dann sinnvollerweise von unabhängigen Beobachtern überprüft werden. "Wir stehen bereit", sagt Michael Link. Der FDP-Politiker und frühere Staatsminister im Auswärtigen Amt ist Chef des Büros für Demokratische Institutionen und Menschenrechte (ODHIR) der OSZE in Warschau.

Das ODHIR beobachtet regelmäßig Wahlen. Er wolle keine Zeit verlieren und könne nach Inkrafttreten des Waffenstillstands sofort Gespräche aufnehmen, sagt Link. Eine Langzeitbeobachtung müsse mindestens sechs Wochen vor dem Wahltermin beginnen. "Ein besonderes Problem stellt die Erstellung des Wählerverzeichnisses dar", betont der ODHIR-Chef. Viele Menschen sind aus dem Gebiet geflohen, auch deren Wahlrecht muss gewahrt bleiben.

Auch die EU bekräftigte ihre Unterstützung für die Vereinbarungen. Allerdings warnte Ratspräsident Donald Tusk nach dem Gipfeltreffen am Donnerstag: "Wir bereiten uns auf jede Entwicklung vor, gut wie schlecht." Hält die Waffenruhe nicht, wären wohl weitere Sanktionen die Folge. Am Montag treten neue Einreiseverbote und Vermögenssperren gegen 19 Personen und neun Organisationen in Kraft. Beim Treffen in Brüssel hatte sich die Linie durchgesetzt, dass der "Hoffnungsschimmer" aus Minsk noch keinen Stopp beschlossener Sanktionen rechtfertige. Die nötige Einstimmigkeit wäre ohnehin nicht zu erzielen.

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