Gauck zu Luftangriffen auf Dresden:"Wir wissen, wer den Krieg begonnen hat"

  • Bundespräsident Gauck hat zum 70. Jahrestag der Bombardierung Dresdens davor gewarnt, die Opfer von einst zu instrumentalisieren.
  • Außerdem gedachte Gauck der zivilen Opfer des Bombenkriegs auf allen Seiten.
  • Die umstrittenen Demonstrationen der islamkritischen Pegida-Bewegung sprach Gauck mit keinem Wort an.
  • Dresdens Oberbürgermeisterin Helma Orosz forderte ein klares Bekenntnis gegen Hass, Krieg und Gewalt.

Gauck warnt vor Relativierung der Kriegsschuld

Bundespräsident Joachim Gauck hat zum 70. Jahrestag der Bombardierung Dresdens vor einem Relativieren der deutschen Kriegsschuld und einer Instrumentalisierung der Opfer gewarnt.

"Wir wissen, wer den mörderischen Krieg begonnen hat. Wir wissen es. Und deshalb wollen und werden wir niemals die Opfer der deutschen Kriegsführung vergessen. Wir vergessen es nicht, wenn wir heute hier der deutschen Opfer gedenken", versicherte Gauck bei einer Gedenkveranstaltung in der Frauenkirche in Dresden.

Auch Dresdens Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) erinnerte daran, dass Dresdner während der Zeit des Nationalsozialismus nicht nur Opfer waren, sondern auch Täter. Mit Blick auf aktuelle Debatten forderte sie ein klares Bekenntnis gegen Hass, Krieg und Gewalt. Versuche, Menschen wegen ihrer Herkunft, ihrer Religion oder ihrer Hautfarbe "erneut zu kategorisieren und zu bewerten", müssten abgewehrt werden.

Bundespräsident Gauck gedachte der Opfer des Bombenkrieges auf allen Seiten. Außerdem verwies er auf die deutschen Luftangriffe auf Rotterdam, Leningrad oder Coventry. In diesem Zusammenhang mahnte der Bundespräsident eine Erinnerungskultur an, die zu einer Verständigung über nationale Grenzen hinausführe.

Neonazis rechnen Opferzahlen künstlich hoch

Nirgends sei das Leid so stark instrumentalisiert worden wie in Dresden, sagte Gauck. Die Geschichtsfälschung habe während der Nazi-Herrschaft begonnen, sich in der DDR fortgesetzt und werde "selbst heute noch von einigen Unverbesserlichen weitergeführt". Neonazis rechnen die Opferzahlen künstlich hoch und versuchen so, die deutsche Kriegsschuld zu relativieren.

Dem hielt der Bundespräsident entgegen: "Ein Land, das für eine Ungeheuerlichkeit wie den Völkermord steht, konnte nicht damit rechnen, ungestraft und unbeschädigt aus einem Krieg hervorzugehen, den es selbst vom Zaun gebrochen hatte."

Kein Wort über Pegida

Bis zu 25 000 Menschen kamen in dem von Brandbomben ausgelösten Feuersturm um. Gauck wollte sich nach dem Gedenken in eine Menschenkette einreihen, die Bürger jedes Jahr als Zeichen für Frieden, Versöhnung und Toleranz bilden.

Die umstrittenen Demonstrationen der islamkritischen Pegida-Bewegung, die in Dresden ihren Ursprung hatte, sprach der Bundespräsident mit keinem Wort an.

Der Feuersturm von 1945

Bis August 1944 war Dresden als einzige deutsche Großstadt weitgehend von alliierten Bombenangriffen verschont geblieben und auch zu Jahresbeginn 1945 noch nahezu unbeschädigt, obwohl es einen wichtigen Verkehrsknotenpunkt zwischen Prag, Berlin, Leipzig, Nürnberg und Warschau darstellte. Doch in der Nacht des 13. Februar 1945 vernichteten alliierte Luftangriffe das weltberühmte "Elbflorenz". Die Stadt verfügte kaum über kriegswichtige Industrieanlagen, doch der zähe Widerstand der NS-Regierung in Berlin gegen die längst klare Niederlage machte auch das von Flüchtlingen überfüllte Dresden zum Bomberziel der alliierten Strategen. Ein Ziel war es dabei, die Moral der Zivilbevölkerung zu brechen. Bis zu 650 000 Brandbomben der britischen und der US-Luftwaffe entfachten einen Feuersturm, der nach seriösen Schätzungen bis zu 25 000 Menschen den Tod brachte. Die bis zur Unkenntlichkeit verkohlten Toten lagen noch Tage auf der Straße oder in den Trümmern, ehe die Leichenberge verbrannt werden konnten. 37 Stunden, bis zum 15. Februar, dauerte der Feuersturm. Die Altstadt wurde fast vollständig zerstört. Berühmte Bauten wie Zwinger, Schloss und Frauenkirche brannten völlig aus. Dresdens Zerstörung wurde weit mehr als die anderer Städte ideologisch instrumentalisiert. Auch heute verbreiteten Rechtsextremisten lange Zeit weit überhöhte Zahlen von mehr als 100 000 Bombentoten - und versuchten auf diese Weise, Opfer auf verschiedenen Seiten gegeneinander aufzurechnen. SZ

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