Krieg in der Ukraine:Erbitterte Kämpfe im Kessel von Debalzewe

Krieg in der Ukraine: Ukrainische Soldaten fahren mit einem Panzer in Richtung der umkämpften Stadt Debalzewe.

Ukrainische Soldaten fahren mit einem Panzer in Richtung der umkämpften Stadt Debalzewe.

(Foto: AP)
  • Neue Kämpfe mit zahlreichen Toten machen die Umsetzung der Feuerpause in der Ostukraine ungewiss. Besonders in der belagerten Stadt Debalzewe liefern sich Rebellen und ukrainische Soldaten erbitterte Kämpfe.
  • Die USA beschuldigen Russland, weitere Waffenlieferungen an prorussische Separatisten zu planen.
  • Die sieben führenden Industriestaaten (G7) drohen potenziellen Aggressoren mit Konsequenzen, sollten sie den Friedensplan nicht unverzüglich umsetzen.

Schwere Kämpfe in Debalzewe

Die Gefechte in der Ostukraine dauern unvermindert an. Nach Angaben der ukrainischen Armee und der Separatisten wurden binnen 24 Stunden mindestens 28 Zivilisten und Soldaten getötet. Die Stadt Artemiwsk wurde mit Grad-Raketen beschossen, drei Menschen starben.

Am heftigsten waren die Gefechte um den wichtigen Bahnknotenpunkt Debalzewe, der nach Angaben der Kiew-treuen Polizei unter Dauerbeschuss stehe. "Die Rebellen zerstören Debalzewe", schrieb Polizeichef Wjatscheslaw Abroskin im Online-Netzwerk Facebook. Wohngebiete seien ebenso von der Artillerie getroffen worden wie Verwaltungsgebäue und das Polizeirevier.

Innerhalb eines Tages habe es rund 120 Angriffe der prorussischen Separatisten gegeben, sagte der ukrainische Militärsprecher Anatoli Stelmach. "Es gab keine Kampfpause, vielmehr greifen die Rebellen weiterhin Debalzewe an", erklärte er in einem Fernsehinterview.

Separatisten warnen Militärführung in Kiew

In der Stadt nordöstlich von Donezk hätten die Kämpfe zugenommen, bestätigte auch Separatistenführer Eduard Bassurin der Agentur Interfax zufolge. Dort sollen Tausende ukrainische Soldaten eingekesselt sein. Die Ukraine dementiert dies. Hätten die Rebellen den Ort unter Kontrolle, verfügten sie über eine direkte Verbindung zwischen ihren Hochburgen Donezk und Luhansk. In der Region um Luhansk soll die Lage teilweise ebenfalls sehr angespannt sein.

Bassurin warnte die Militärführung in Kiew vor einem Bruch der geplanten Waffenruhe. Wenn die Vereinbarungen nicht eingehalten würden, werde weiter gekämpft, drohte er. Beobachter vermuten, dass beide Seiten vor der Feuerpause noch Geländegewinne machen wollen.

Liefert Russland weiter Waffen?

Kurz vor dem vereinbarten Waffenstillstand haben die USA Russland vorgeworfen, weiter schwere Waffen in die Ostukraine zu verlegen. Das russische Militär habe "eine große Menge an Artillerie und mehrere Raketensysteme" in die Rebellengebiete gebracht, sagte US-Außenamtssprecherin Jen Psaki. Russische Einheiten an der Grenze würden außerdem Nachschublieferungen für die Separatisten vorbereiten. Das sei eindeutig nicht im Sinn der Vereinbarung von Minsk. Alle Beteiligten seien angesichts der geplanten Waffenruhe zu Zurückhaltung aufgerufen. Russland bestreitet konsequent, den Aufständischen mit Waffen zur Seite zu stehen.

Auch der ukrainische Präsident Petro Poroschenko warf Russland vor, die Offensive noch einmal deutlich auszuweiten. Insbesondere Angriffe auf Zivilisten seien eine "Attacke auf die Vereinbarung von Minsk". Seine Regierung sehe das Abkommen daher "in großer Gefahr".

G7-Gruppe mahnt zu Besonnenheit

Die sieben führenden Industrienationen (G7) zeigen sich besorgt. In einer gemeinsamen Erklärung begrüßten sie die Minsker Übereinkunft, die den Weg zu einer "umfassenden, nachhaltigen und friedlichen Lösung" des Ukraine-Konflikts weisen könnte. Allerdings gebe die Situation in dem Krisengebiet weiter Anlass zur Sorge. Die G7 riefen alle Seiten auf, sich "strikt" an den Friedensplan zu halten und die Maßnahmen "ohne Verzögerung" umzusetzen.

Die G7 seien bereit, "geeignete Maßnahmen gegen diejenigen zu ergreifen, die gegen das Minsker Paket verstoßen, und somit die Kosten für sie zu erhöhen, insbesondere gegen diejenigen, die die vereinbarte umfassende Waffenruhe und den Abzug schwerer Waffen nicht einhalten", hieß es in der Erklärung, die auch vom Präsidenten des Europäischen Rates und vom Präsidenten der Europäischen Kommission gezeichnet war.

Der G7-Gruppe gehören die USA, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Kanada und Japan an. Russland hatte mit den Staaten die G-8 gebildet, war wegen der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim im vergangenen März aber aus dem Kreis ausgeschlossen worden.

Russland legt Ukraine-Resolution vor

Der UN-Sicherheitsrat will sich nach Diplomatenangaben am Sonntag mit dem Friedensplan befassen. Russland hat demzufolge einen Resolutionsentwurf eingebracht, der die Konfliktparteien zur Umsetzung des Minsker Abkommens aufruft. In dem Entwurfstext werden alle Seiten aufgefordert, die vereinbarten Maßnahmen einschließlich des Waffenstillstands "vollständig umzusetzen". Frühere UN-Resolutionen hatte Russland blockiert.

Der ukrainische Ministerpräsident Arseni Jazenjuk zweifelt die Ernsthaftigkeit der russischen Zustimmung zum Friedensabkommen von Minsk an. Es könne kein Vertrauen in die russische Führung geben, sagte er in einem Interview mit der Bild-Zeitung. "Putins größter Traum ist die Wiederherstellung der hegemonialen Kontrolle über die Ukraine, was eine neue UdSSR-Version ins Leben rufen könnte", erklärte Jazenjuk.

Waffenruhe soll von Sonntag an gelten

Die ukrainische Regierung und die prorussischen Rebellen hatten sich am Donnerstag nach einem Verhandlungsmarathon auf ein "Maßnahmenpaket" zur Umsetzung der Minsker Verträge von Anfang September verständigt. Die Waffenruhe tritt am Sonntag um Mitternacht (Samstag 23 Uhr MEZ) in Kraft. Zudem wurden der Abzug schwerer Waffen und die Einrichtung einer Pufferzone vereinbart.

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