Versorgungsausgleich:Geschiedene Väter fordern Anteil an Mütterrente

  • Die verbesserte Mütterrente hat einen politisch ungewollten Nebeneffekt: Geschiedene Väter fordern daran ihren Anteil und beantragen, dass der Versorgungsausgleich neu aufgerollt wird.
  • Ein Experte warnt allerdings davor, voreilig auf eine Abänderung des Versorgungsausgleichs zu drängen.

Von Thomas Öchsner, Berlin

Wenn sich Ehepaare trennen, geht es nicht nur ums eigene Haus, das Auto oder das Recht, die Kinder zu sehen. Es geht auch um die in der Ehezeit erworbenen Ansprüche auf die gesetzliche Rente, und die werden geteilt. Das hilft in der Regel denen, die sich stärker um die Kinder gekümmert haben - also meist den Frauen, während Männer, die mehr Rentenbeiträge gezahlt haben, ihrer früheren Gattin Rentenpunkte abgeben müssen. Bei der verbesserten Mütterrente führt dies nun zu einem politisch ungewollten Nebeneffekt: Immer mehr geschiedene Väter rollen diesen Versorgungsausgleich neu auf und fordern ihren Anteil an der zusätzlichen Mütterrente.

Auf die Gerichte könnten Hunderttausende neue Verfahren zukommen

Seit 1. Juli 2014 erhalten Mütter (und einige wenige Väter) mit vor 1992 geborenen Kindern mehr Geld aus der Rentenkasse. Pro Kind und Monat gibt es für sie einen Rentenpunkt mehr. Dadurch hat sich ihr Altersgeld pro Kind um 28,61 Euro brutto erhöht, im Osten Deutschlands sind es 26,39 Euro. 6,7 Milliarden Euro im Jahr kostet dieses bisher teuerste Sozialprojekt der Bundesregierung. Mehr als neun Millionen Mütter profitieren davon, darunter viele längst geschiedene Frauen. Deren ehemalige Männer waren bei der verbesserten Mütterrente nicht gerade als Nutznießer auserkoren. Doch genau diese Männer ziehen jetzt verstärkt vor die Familiengerichte. Das ergibt sich aus Zahlen der Deutschen Rentenversicherung (DRV), die der Süddeutschen Zeitung  vorliegen.

Erhöht sich das Altersgeld durch die Mütterrente, ist es möglich, den Versorgungsausgleich neu berechnen zu lassen. Der Antrag geht ans Familiengericht, das die Rentenversicherung nach den dafür notwendigen Daten abfragt. Hat das Gericht einen neuen Ausgleich zwischen den Geschiedenen gebilligt, muss die Rentenversicherung die Rentenkonten anpassen. Die Zahl dieser Änderungsverfahren ist allein bei der DRV Bund im zweiten Halbjahr 2014 auf mehr als 2000 gewachsen. Von Juli bis Dezember 2013, also noch vor Inkrafttreten des Rentenpakets der Bundesregierung, waren es nur knapp 300. Das entspricht einem Plus von fast 700 Prozent.

Die Rentenversicherung erfasst dabei nicht, warum Versicherte solche Anträge stellen. Ein Sprecher der Behörde teilt aber mit: "Es liegt nahe, dass dieser Anstieg zu einem nicht unerheblichen Teil aus den zum 1. Juli 2014 eingeführten Regelungen zur Mütterrente resultiert." Tatsächlich dürfte die Zahl der Änderungsverfahren deutlich höher sein, da die DRV Bund nur etwa die Hälfte der Rentenversicherten betreut. Der andere Teil ist bei den verschiedenen Regionalträgern der Rentenversicherung gemeldet. Anträge sind aber nur dann möglich, wenn mindestens einer von beiden Geschiedenen bereits eine Rente bezieht oder innerhalb der nächsten sechs Monate in Rente gehen wird.

Wer die Justiz bemüht, muss aufpassen

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände hatte bereits im Herbst 2013 gewarnt, dass auf die Familiengerichte "viele Hunderttausende neue Verfahren" zukommen könnten. Auch die Rentenversicherung wies - wohl auch mit Blick auf die eigenen Sachbearbeiter - auf "zusätzliche Belastungen der Familiengerichte" hin. Die nun vorliegende erste Bilanz deutet nicht auf eine Antragslawine hin. Doch was nicht ist, kann ja noch werden, sollten mehr Väter mitbekommen, was dabei drin ist: Schließlich können drei vor 1992 geborene Kinder schon knapp 43 Euro mehr Rente im Monat bedeuten, wenn für sie die Hälfte abfällt.

Heinrich Schürmann, stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Familiengerichtstags, warnt allerdings davor, voreilig auf eine Abänderung des Versorgungsausgleichs zu drängen. "Es werden dann alle Berechnungen neu ausgeführt. Dabei kann es passieren, dass Väter von der Mütterrente etwas abbekommen, aber dafür von ihren Ansprüchen auf eine betriebliche Altersversorgung mehr abgeben müssen, weil sich hier die Gesetzeslage für sie verschlechtert hat." Sobald andere Anwartschaften vorlägen, "würde ich das sehr genau prüfen lassen, damit das Ganze nicht zum Bumerang wird", sagt er. Ein Antrag empfehle sich ohnehin erst bei zwei gemeinsamen Kindern. Bei nur einem vor 1992 geborenen Kind werde der vom Gesetz vorgegebene Grenzwert für eine Abänderung nicht erreicht. Ob sich die Betroffenen an seinen Ratschlag halten, ist eine andere Frage: Es soll ja Menschen geben, die nach einem Rosenkrieg schon für kleinere Beträge gegen den oder die Ex vor Gericht gezogen sind.

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