Verhandlungen mit Griechenland:Was Tsipras noch lernen muss

Greece's Prime Minister Alexis Tsipras In Parliament

Alexis Tsipras doziert in Brüssel, anstatt in Athen aufzuräumen (Archivbild).

(Foto: Bloomberg)

Tsipras' Erfolgsrausch verleitet ihn zu dem Trugschluss, nicht er sei in Europa isoliert, sondern die Bundeskanzlerin. Zeit, dass er zur Besinnung kommt. Dann könnte er beweisen, dass seine Regierung eine Chance für Griechenland sein kann.

Kommentar von Claus Hulverscheidt

Wer mit Zyprern über die schwierige Lage ihres Landes spricht, bekommt gelegentlich Erstaunliches zu hören. Vielleicht, so heißt es dann, sei der Finanzkollaps des Jahres 2012 zur rechten Zeit gekommen, denn ohne Reformdruck von außen wäre es schwierig geworden, die Abwärtsspirale zu durchbrechen. Auf die Idee, nicht sie selbst seien schuld an der Krise, sondern Angela Merkel und Wolfgang Schäuble, kommen dagegen nur wenige Inselbewohner, wie der weitgehend geräuschlose wirtschaftliche Umbau des Landes zeigt.

Das ist der Unterschied zum großen Bruder Griechenland, wo dem Links-Politiker Alexis Tsipras mit einer solch plumpen Verdrehung von Ursache und Wirkung ein Erdrutsch-Wahlsieg gelungen ist. Selbstverständlich kann man über die Ausrichtung der in Berlin ersonnenen Hilfestrategie für hoch verschuldete Euro-Länder grundsätzlich streiten. Aber zu behaupten, es seien in Griechenland nicht Klientelismus, Reformverweigerung und Verschwendung gewesen, die die Krise verursacht hätten, sondern die Programme - das zeugt im besten Fall von Ahnungslosigkeit, im schlechteren von Wählertäuschung. Gäbe es die Hilfspakete nicht, wäre das Land schon seit 2010 nicht mehr Teil der Euro-Zone.

Fundamental falsches Verständnis der EU

Tsipras' fulminanter Sieg hat ihn zu dem Trugschluss verleitet, nicht er sei in Europa isoliert, sondern die Bundeskanzlerin. Schon nach seinen Antrittsvisiten in Paris und Rom hätte ihm schwanen müssen, dass dem so nicht ist: Merkels Grundprinzip, dass Europas Bürger milliardenschwere Bürgschaften für die Menschen in den Krisenländern nur mittragen werden, wenn im Gegenzug die Ursachen der Krise beseitigt werden, wird allgemein anerkannt. Und so war es bei den jüngsten Treffen der Euro-Finanzminister nicht etwa Schäuble, der die Schar der Hellas-Kritiker anführte. Es waren die Portugiesen, die Iren und die Spanier - jene Regierungen also, die ihren Bürgern längst zugemutet haben, was den Griechen angeblich nicht zuzumuten ist.

Tsipras und sein Finanzminister Yanis Varoufakis rechtfertigen ihre Forderung nach bedingungslosen Hilfen der Euro-Partner damit, dass die bisherige Politik der Kredite gegen Reformen am 23. Januar abgewählt worden sei. Das mag man so sehen. Die Schlussfolgerung aber, ein durch nationale Wahlen legitimiertes politisches Programm stehe über dem europäischen Recht, zeugt von einem fundamental falschen Verständnis der EU als Vertragsgemeinschaft. Wie wenig etwa den Ökonomen Varoufakis Recht und Gesetz scheren, zeigt sein Vorschlag, die Europäische Zentralbank möge den Euro-Ländern einen Teil ihrer Schulden abnehmen und einen hohen dreistelligen Milliardenbetrag für Investitionen zur Verfügung stellen. Beides wäre schlicht illegal.

Man fragt sich, was möglich wäre in Athen, wenn Tsipras beim Aufräumen daheim den gleichen Eifer an den Tag legte wie beim Dozieren in Brüssel. Was eigentlich hält eine Links-Regierung davon ab, eine Steuerreform vorzulegen, die die Reichen des Landes endlich an der Finanzierung des Gemeinwohls beteiligt? Warum führt der Premier keine Kapitalverkehrskontrollen ein, die eben jene Reichen daran hindern, Million um Million außer Landes zu schaffen? Der Hinweis auf rechtliche Probleme kann doch für eine Regierung, die eben noch die EU-Verträge außer Kraft setzen wollte, im Ernst kein Hindernis sein. Der sofortige Einstieg in eine solche Reformagenda würde es umgekehrt den Partnern erleichtern, einem Stillhalteabkommen zuzustimmen, das Zeit für neue Verhandlungen verschafft.

Tsipras muss endlich aufwachen

Mit ihren offenen Hemden, den Lederjacken und der James-Dean-Attitüde haben Tsipras und Varoufakis in den Feuilletons und unter linken Schwärmern zuletzt viele Bewunderer gefunden. Und in der Tat sollte man nicht vergessen, dass die Wahl eines Premiers, der erstmals seit Jahrzehnten nicht mehr der alten kleptokratischen Elite des Landes angehört, auch Chancen bietet. Das gilt aber nur, wenn Tsipras aus dem Erfolgsrausch aufwacht und seinen Spielraum zu mehr nutzt, als in Brüssel eine unrealistische Forderung auf die andere zu türmen.

Der junge Regierungschef sieht sich im strategischen Vorteil, weil er weiß, dass ein Zerfall der Währungsunion für den Kontinent hohe ökonomische und noch höhere politische Kosten nach sich ziehen würde. Deshalb rechtfertigt der Verbleib Athens in der Euro-Zone auch einen hohen Preis. Aber nicht jeden! Schluss sein muss dort, wo ein einzelnes EU-Land das Europa-Engagement seiner Partner für eine plumpe Erpressung missbraucht. Anspruch auf Solidarität kann auch künftig nur haben, wer diese Solidarität mit Solidität vergilt. Einige wenige Stunden hat Tsipras noch, um das endlich zu lernen.

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