Krieg in der Ukraine:Putin legt Kiew Aufgabe von Debalzewe nahe

  • Eine Waffenruhe habe nach Ansicht von Russlands Präsident Putin dann Bestand, wenn ukrainische Soldaten in Debalzewe ihre Waffen niederlegten.
  • Der UN-Sicherheitsrat hat in einer Resolution eine sofortige Waffenruhe in der Ostukraine angemahnt.
  • Vor zwei Tagen trat die Vereinbarung von Minsk in Kraft, doch die Kämpfe in der Ostukraine gehen weiter. Die Separatisten meldeten den Vormarsch nach Debalzewe - Kiew bestätigt diese Darstellung.
  • Die USA werfen Russland vor, Berichten zufolge weiterhin Nachschub für die Separatisten in Debalzewe zu schicken.

Putin rät ukrainischen Soldaten zur Niederlegung der Waffen

Präsident Wladimir Putin erklärte am Dienstagabend bei einem Besuch in Budapest, die Kämpfe bei Debalzewe seien zu erwarten gewesen. "Die ukrainischen Offiziellen sollten ihre Soldaten nicht daran hindern, die Waffen niederzulegen", fügte er hinzu. Dann würde die Waffenruhe auch Bestand haben. Allerdings sei die Gewalt insgesamt seit der Einigung auf eine Waffenruhe deutlich zurückgegangen. Er hoffe, dass die Rebellen die eingeschlossenen Regierungstruppen abziehen ließen, erklärte er weiter.

Fighters with separatist self-proclaimed Donetsk People's Republic army ride atop moving armoured personnel carrier in village of Nikishine

Ein Transportpanzer der Separatisten im zerstörten Dorf Nikishine südöstlich der Stadt Debalzewe

(Foto: REUTERS)

Dem Westen warf Putin vor, der Ukraine bereits Waffen zu liefern. Russland verfüge über entsprechende Informationen. Er beteuerte, dass es für die Lösung des Ukraine-Konflikts "keine militärische Lösung" geben könne.

UN-Sicherheitsrat fordert sofortige Waffenruhe in Debalzewe

Der UN-Sicherheitsrat hat die Konfliktparteien in der Ostukraine bei einer kurzfristig angesetzten Sondersitzung zur sofortigen Einhaltung der Waffenruhe aufgefordert. Der Rat nannte am Dienstag ausdrücklich auch den strategisch wichtigen Ort Debalzewe.

Alle Seiten des Konflikts müssten die Ergebnisse des Minsker Gipfels respektieren und umsetzen, stand in einer von den 15 Mitgliedern einstimmig verabschiedeten Resolution. "Vereinbarungen hat es vorher schon gegeben", warnte der britische UN-Botschafter Mark Lyall Grant. "Diesmal müssen Taten folgen."

Der Resolutionsentwurf war von Russland eingebracht worden, das zu den Ständigen Mitgliedern des Rates gehört. Die Regierung in Moskau wird vom Westen beschuldigt, die Rebellen zu unterstützen. Sie hat dies zurückgewiesen.

Prorussische Separatisten nehme Debalzewe ein

Die Aufständischen in der Ostukraine hatten zuvor die Stadt Debalzewe nach eigenen Angaben "zu 80 Prozent" eingenommen. "Nur ein paar Wohnviertel sind noch übrig, dann haben wir den Ort völlig unter Kontrolle", sagte Separatistensprecher Eduard Bassurin in Donezk. Mehr als 300 gegnerische Soldaten seien gefangen genommen worden. Es gebe "viele Tote". "Wir durchkämmen die Stadt nach weiteren Soldaten", sagte Bassurin.

Auch die prowestliche Führung in Kiew hatte von heftigen Straßenkämpfen in Debalzewe berichtet und bestätigten die Darstellung der Separatisten. "Straßenkämpfe dauern an", teilte das Verteidigungsministerium in Kiew mit. Die Aufständischen setzten dabei Artillerie und Panzertechnik ein. Regierungstreue Einheiten versuchten, den Gegner aufzuhalten.

Die Gefechte gelten als massiver Verstoß gegen ein erst vor wenigen Tagen in Minsk geschlossenes Friedensabkommen. Demnach sollten die Konfliktparteien eigentlich ihre schweren Waffen aus dem Donbass abziehen. "Es gibt vonseiten der Aufständischen keine wirkliche Waffenruhe, deshalb sind die Voraussetzungen (für einen Abzug) nicht gegeben", sagte Militärsprecher Andrej Lyssenko in Kiew. Die Armee sei weiter bereit zur Bildung einer Pufferzone. "Unsere Stellungen werden aber wiederholt unter Feuer genommen", beklagte er. In Donezk warf Separatistensprecher Eduard Bassurin den Regierungseinheiten vor, besonders bei Debalzewe die Waffenruhe nicht zu befolgen. "Wir mussten das Feuer erwidern", meinte Bassurin.

Angeblich 7000 Soldaten eingekesselt

Die Rebellen wollen den Eisenbahnknotenpunkt einnehmen, weil er die beiden von ihnen kontrollierten Gebiete um Donezk und Luhansk verbindet. In dem Ort sind ukrainischen Militärexperten zufolge bis zu 7000 Soldaten eingeschlossen. Der Generalstab in Kiew bestätigte die Einkreisung der Soldaten nicht. "Wir können unsere Stellungen mit Munition und Lebensmitteln versorgen", sagte Sprecher Wladislaw Selesnjow. Die Separatisten hatten laut Interfax angeboten, einen Korridor zu öffnen, damit die Regierungssoldaten abrücken können. Die ukrainische Regierung wies dies zurück. Der Ort bleibe unter Kontrolle der Armee, wie es im Minsker Protokoll vorgesehen sei, und werde nicht aufgegeben. Nun sollen Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) versuchen, die belagerte Stadt zu erreichen.

OSZE klagt über verweigerten Zugang

Die OSZE hatte am Sonntag mitgeteilt, Aufständische hätten ihr den Zutritt nach Debalzewe verweigert. Die USA riefen die Separatisten zur Kooperation mit der OSZE auf. Washington hatte am Montagabend mitgeteilt, es gebe Berichte über eine neue Kolonne mit russischen Militärgütern, die auf dem Weg in die Region um Debalzewe sei, ohne eine genauere Quelle zu nennen.

Merkel telefoniert mit Putin und Poroschenko

Bundeskanzlerin Angela Merkel telefonierte am Montag erneut mit den Präsidenten der Ukraine und Russlands, Petro Poroschenko und Wladimir Putin. In dem Gespräch äußerten sich Merkel und Poroschenko beunruhigt über die anhaltenden Kämpfe um Debalzewe. Beide appellierten den Angaben nach in dem Telefonat an Putin, seinen Einfluss auf die Separatisten geltend zu machen, damit diese das Feuer einstellten.

Regierungssprecher Steffen Seibert teilte am Morgen mit, in dem Gespräch seien "konkrete Schritte" vereinbart worden, um eine Beobachtung der Lage im umkämpften ostukrainischen Debalzewe durch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zu ermöglichen. Die Beobachter der Organisation sollen die Einhaltung der Waffenruhe in der Ostukraine überwachen.

Gefährdeter Friedensplan

Die Konfliktparteien in der Ostukraine sollten eigentlich am Dienstag mit dem Abzug schwerer Waffen aus einer Sicherheitszone beginnen. Die anhaltenden Verstöße gegen die seit der Nacht auf Sonntag geltende Feuerpause gefährden jedoch den Friedensprozess.

Der in der vergangenen Woche in Minsk vereinbarte Friedensplan sieht vor, dass der Abzug schwerer Waffen am zweiten Tag nach der Feuerpause beginnt. Für den Abzug aus einer - je nach Reichweite der Waffenart - 50 bis 140 Kilometer breiten Sicherheitszone haben die Konfliktparteien zwei Wochen Zeit. Die Regierungseinheiten müssen sich hinter die aktuelle Frontlinie zurückziehen, die Separatisten hinter eine im September vereinbarte Waffenstillstandslinie. Die OSZE soll Feuerpause und Abzug der Waffen überwachen.

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