Strafe für Armstrong:Doping kostet ein Vermögen

Stencil Graffiti Depicts Lance Armstrong In Yellow Jersey With IV Drip

Lance und die Lüge: Ein Graffiti in Los Angeles zeigt einen Radler am Doping-Tropf

(Foto: Kevork Djansezian/AFP)

Lance Armstrong wird zu einer Zehn-Millionen-Dollar-Zahlung verurteilt, doch der größte Prozess steht dem früheren Radprofi noch bevor: der gegen die US-Regierung.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Wird ein Sportler des Dopings überführt, werden Titel und Rekorde aberkannt, werden Sperren ausgesprochen, doch ans Eingemachte, ans Finanzielle und damit Existenzielle, geht es nur selten. Vor allem dann nicht, wenn der Athlet erst gegen oder gar nach Ende seiner Karriere mit leistungsfördernden Mitteln in Verbindung gebracht wird - und ihm Sperren daher nicht mehr weh tun. Das könnte sich nun ändern, beispielhaft wird dafür der Fall Lance Armstrong.

Ein dreiköpfiges Schiedsgericht in Dallas hat den einstigen Radprofi mit 2:1-Stimmen dazu verurteilt, zehn Millionen US-Dollar (8,8 Millionen Euro) an einen früheren Sponsor, das Versicherungsunternehmen SCA, zu zahlen. Es handelt sich um eine Rückzahlung millionenschwerer Boni für mittlerweile aberkannte Tour-de-France-Titel - und um Schadenersatz. Die Summe soll Armstrong gemeinsam mit Tailwind Sports, jener Firma, die früher seinen Rennstall betrieb, aufbringen. Ein texanisches Landesgericht muss diese Empfehlung bestätigen.

"Es ist schwer zu beschreiben, wie sehr das Lügennetz von Lance Armstrong unserer Firma geschadet hat", sagt SCA-Chef Bob Hamann. Jeff Tillotson, ein Anwalt des Unternehmens, kündigte an: "Wir sind mit Herrn Armstrong noch nicht fertig." Es gibt noch eine Zivilklage gegen den lebenslang gesperrten Radfahrer, SCA verlangt noch einmal zwischen fünf und zehn Millionen Dollar. In einem Statement der Firma wird Armstrongs Verhalten als "unvergleichliches Zusammenspiel von Meineid, Betrug und Verschwörung" bezeichnet.

Villa und Privatjet hat der einstige Toursieger schon verkauft. Wie viel Geld er noch hat: unklar

Es dürfte langsam auch finanziell eng werden für Armstrong, 43, dessen Vermögen von der New York Times noch vor drei Jahren auf 125 Millionen Dollar geschätzt wurde. Armstrong hat mittlerweile seine Villa in Texas ebenso verkauft wie seinen Privatjet. Er selbst gab an, aufgrund gekündigter Sponsorenverträge etwa 75 Millionen Dollar verloren zu haben, sein aktuelles Vermögen ist nicht bekannt.

Konkretere Auskünfte dazu dürfte ein Prozess liefern, der wohl erst 2016 beginnen wird. Der Kläger: die US-Regierung, speziell das Justizministerium. Es geht um einen Streitwert von circa 100 Millionen Dollar. Das von 1999 bis 2004 von der staatlichen Post geförderte US-Postal-Team und dessen damaliger Anteilseigner Armstrong sehen sich vom Vorwurf der arglistigen Täuschung verfolgt. Unter Umgehung der Anti-Doping-Richtlinien hätten Armstrong und sein Team zu Unrecht 32 Millionen Euro an Sponsorleistungen aus Steuergeldern erhalten.

Armstrong, der sechs seiner sieben Tour-Siege im Trikot von US Postal herausfuhr, sagte dazu dem Fernsehsender CNN: "Niemand kann ernsthaft argumentieren, dass US Postal ein Schaden entstanden ist, denke ich. Sie haben mit dem Deal eine Menge Geld gemacht und bekommen, was sie ausgehandelt hatten. Ich habe mir den Arsch aufgerissen für sie - und ich bin stolz drauf."

Uneinsichtigkeit passt zu Armstrong

Der Streit mit SCA dürfte womöglich ein Wegweiser für das juristische Duell mit der US-Regierung sein. Im Jahr 2006 hatte Armstrong ein Schlichtungsverfahren gegen die Versicherung gewonnen mit seiner unter Eid erfolgten Aussage, dass er niemals dopen würde und ihm das Geld zustehe, weil er ja noch immer ganz offiziell siebenmaliger Tour-de-France-Sieger sei. Als die SCA die Schlichtung nach Armstrongs Doping-Geständnis im Jahr 2013 anfocht, gab sich der keineswegs geläutert: Eine Übereinkunft sei eine Übereinkunft. Dieser Ansicht jedoch wollte das Schiedsgericht in Dallas nicht folgen, in einem schriftlichen Statement heißt es: "Meineid darf niemals profitabel sein, weil sonst die Abschreckung fehlt. Betrug verlangt richtige, bedeutsame Sanktionen."

Die Uneinsichtigkeit passt zu Armstrong, über den die New York Times-Journalistin Juliet Macur berichtet, er habe ihr einmal gesagt, er könne seine Reputation rasch wieder herstellen: "Er sagte, dass er sich in Zurückhaltung üben und das Vertrauen der Öffentlichkeit ruhig zurückgewinnen werde - zum Teil auch dadurch, indem er sich bei den Leuten entschuldigt, auf denen er herumgetrampelt ist oder die er teilweise zu zerstören versucht hat."

Genau solche Geschichten lieben sie eigentlich in den USA: Wenn jemand am Boden liegt, sich geläutert gibt, Buße tut und auf den Pfad der Gerechten zurückfindet und am Ende obsiegt, ob nun auf dem Spielfeld oder anderswo. Solchen Büßern wird gerne die zweite, dritte Chance eingeräumt. Auch in Hollywood wird diese Geschichte immer wieder erzählt, gerade gehört der Film "Birdman" über einen gefallenen Schauspieler zu den Oscar-Favoriten.

Nur: In Armstrongs Fall funktioniert das überhaupt nicht, weil Lance Armstrong eben Lance Armstrong ist. In einem Interview mit dem britischen TV-Sender BBC sagte er kürzlich auf die Frage, ob er wieder dopen würde: "Würde man mich zurück ins Jahr 1995 schicken, würde ich es vielleicht wieder tun." Statt Reue zu zeigen, beschwerte er sich darüber, lebenslang im Sport gesperrt zu sein: "Ich glaube, das hält niemand für gerecht, dass Lance Armstrong weder an einem Ping-Pong-Turnier noch an einem Bogenschieß-Wettbewerb teilnehmen darf."

Betrunken rammte er kürzlich zwei Autos - seine Freundin gab an, sie sei am Steuer gesessen

Es kommt aber noch ärger: Vor zwei Wochen fuhr Armstrong nach durchzechter Nacht in Aspen/Colorado zu schnell und rammte mit dem Auto zwei Fahrzeuge - die Schuld nahm zunächst seine Freundin Anna Hanson auf sich. "Ich wollte nur meine Familie schützen", sagte Hanson und behauptete, dass es eine gemeinsame Entscheidung von ihr und ihrem Freund gewesen sei, sich schuldig zu bekennen: "Ich dachte, dass es nicht in den Zeitungen auftauchen würde, wenn ich ein paar Autos angefahren habe." Die Wahrheit kam jedoch heraus - und Armstrong gilt mehr denn je als uneinsichtiger Lügner, der weder Vergebung noch Vertrauen verdient hat.

Der gestürzte Tour-Heros sendet derzeit unfreiwillig ein Signal an all jene, die sich überlegen, ihren Körper mit leistungsfördernden Mitteln vollzupumpen. Natürlich ist er aufgrund seiner Prominenz ein nicht zu vergleichender Einzelfall, doch zeigen die zahlreichen Klagen auch: Falls Doping künftig Vermögen kosten kann, könnte das die effektivste Abschreckungsmaßnahme werden.

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