Krieg in der Ukraine:Muskeln für die OSZE-Beobachter

Krieg in der Ukraine: Sollten die Kompetenzen der OSZE-Beobachter ausgeweitet werden? Inspektoren nach dem Beschuss von Mariupol Ende Januar.

Sollten die Kompetenzen der OSZE-Beobachter ausgeweitet werden? Inspektoren nach dem Beschuss von Mariupol Ende Januar.

(Foto: AP)
  • Der ukrainische Präsident Poroschenko regt an, über die Einladung einer UN-Friedensmission zu diskutieren.
  • Der Vorschlag sorgt in der EU für Diskussionen, die bereits laufende OSZE-Mission in der Ukraine gerät in die Kritik.
  • Bislang sind 361 OSZE-Beobachter in der Ukraine stationiert, ein Teil davon allerdings ziemlich unterbeschäftigt in den friedlichen Teilen des Landes.
  • Nun diskutiert man in Brüssel darüber, die OSZE-Mission zu stärken und besser auszustatten.

Von Daniel Brössler, Brüssel

Die Zahl klingt ein bisschen überraschend - zumindest für jene, die die Europäische Union sicherheitspolitisch für irrelevant halten. 18 Missionen unterhält die EU derzeit weltweit. Sie erstrecken sich von Bosnien über den Kongo bis nach Afghanistan. Es sind militärische Stabilisierungseinsätze darunter wie in Mali, Rechtsstaatsmissionen wie in Kosovo und Polizeimissionen wie in den Palästinenser-Gebieten. Ginge es nach dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko, so würde die EU demnächst auch im Donbass Flagge zeigen. "Ich rege an, über die Einladung einer UN-Friedensmission zu diskutieren, die gemäß einem Mandat des Weltsicherheitsrats handeln wird - das für uns beste Format ist eine Polizeimission der Europäischen Union", sagte er. Es ist ein Vorschlag, der so kaum Wirklichkeit werden dürfte, in der EU aber durchaus für Diskussionen sorgt.

"Das ist ein Hilferuf", sagt der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europäischen Parlament, Elmar Brok (CDU). Die bereits vor Ort befindliche Mission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zur Beobachtung der Lage sei überfordert. "Um den Frieden zu sichern, war Poroschenko bereit zu Zugeständnissen, die ihn nun bei einem Scheitern des Waffenstillstandes unter Druck bringen könnten. Europa darf ihn nicht im Stich lassen." Allerdings hält Brok den Vorschlag Poroschenkos wegen des erwarteten Vetos Russlands im UN-Sicherheitsrat für kaum umsetzbar.

Europas Engagement in der Welt

Europas Engagement in der Welt

(Foto: SZ-Grafik)

Tatsächlich hatte der russische UN-Botschafter Witalij Tschurkin Poroschenkos Vorstoß postwendend kritisiert und als Gefahr für das Minsker Abkommen bezeichnet. Falls die Führung in Kiew nun ein "anderes Schema" vorschlage, statt die Vereinbarungen von Minsk umzusetzen, wolle sie das Abkommen offenbar "zerstören".

Die EU stelle für die Separatisten ein Feindbild dar

Die EU wiederum hält sich bisher bedeckt. "Zu diesem Zeitpunkt ist unsere Priorität die Umsetzung des Minsker Abkommens und die Unterstützung der OSZE-Mission", sagte eine Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini. Klar ist aber, dass EU-Diplomaten sich nur schwer eine Mission unter der blauen Fahne mit den zwölf Sternen vorstellen können. Sie verweisen darauf, dass die EU für die von Russland unterstützten Separatisten ein Feindbild darstelle und daher kaum als Vermittler agieren könne.

Allerdings sieht man in Brüssel durchaus eine Rolle für die EU, die in der Ukraine bereits eine zivile Rechtsstaatsmission betreibt. Immerhin verfüge sie über weit mehr Erfahrung als die OSZE mit Missionen in Konfliktgebieten, wird argumentiert. Diese könne, eine politische Entscheidung vorausgesetzt, stärker nutzbar gemacht werden. Unterstützung in begrenztem Umfang gibt es schon jetzt. So holt die EU nicht mehr benötigte gepanzerte Fahrzeuge von Missionen in Tunesien und Georgien zurück, um sie der OSZE in der Ukraine zur Verfügung zu stellen. Sollte die unbewaffnete OSZE-Mission im eigentlichen Konfliktgebiet substanziell vergrößert werden, so wäre die EU in der Lage, den Aufbau logistisch zu unterstützen.

Bislang sind 361 unbewaffnete OSZE-Beobachter aus 41 Staaten in der Ukraine stationiert, ein Teil davon auf russischen Wunsch allerdings ziemlich unterbeschäftigt in den vollkommen friedlichen Teilen des Landes. In der jüngsten in Minsk getroffenen Vereinbarung wird der OSZE nun die "Nutzung aller notwendigen technischen Ausrüstung, einschließlich Satelliten, Drohnen, Radarausrüstung" zugesagt. Schon seit Oktober steht das Angebot Deutschlands, Drohnen vom Typ Luna zur Verfügung zu stellen. Aber auch nach der neuen Minsker Vereinbarung ist nicht klar, ob dafür nun der Weg frei ist - und ob die OSZE-Mission künftig über mehr Autorität verfügen soll.

Eine Kontrolle der Grenze zu Russland lehnen die Separatisten ab

Der Europaparlamentarier Brok spricht sich dafür aus, "die OSZE-Mission zu stärken und robuster" zu machen. "Die OSZE-Beobachter müssen auch in die Lage versetzt werden, sich angemessen selbst zu schützen", fordert er. Einer Vergrößerung der Mission oder einer Veränderung der Aufgabenbeschreibung müssten alle 57 OSZE-Staaten zustimmen, also auch Russland. Wenn Kremlchef Wladimir Putin eine solche Mission nun verhindern sollte, habe er jede Glaubwürdigkeit als Verhandler verloren, argumentiert Brok.

Die Separatisten haben immerhin signalisiert, dass sie unter bestimmten Umständen einer internationalen Friedensmission zustimmen würden. Allerdings komme eine solche Mission ausschließlich an der Grenze zwischen dem von ihnen beherrschten Gebiet und den unter ukrainischer Kontrolle stehenden Regionen in Frage, sagte Separatistenführer Eduard Bassurin am Donnerstag in Donezk. Einen internationalen Einsatz an der Grenze zu Russland schloss Bassurin der Agentur Interfax zufolge aus. Über diese Grenze werden die Separatisten bislang mit Waffen und Kämpfern versorgt.

Die OSZE verlangt derweil wenigstens Bewegungsfreiheit für ihre Beobachter vor Ort. OSZE-Sprecher Michael Bociurkiw beklagte am Donnerstag, eine Beobachtergruppe sei zuletzt erneut nicht nach Debalzewe gelassen worden, das zwischen Donezk und Luhansk liegt und von den Separatisten trotz Waffenruhe eingenommen wurde.

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