Geplantes Verbot von "Die Rechte":Wenn Nazis Parteien gründen

Grüne Aktion gegen Rechtsextremisten

Grüne Aktion gegen Rechtsextremisten vor dem Rathaus in Dortmund im Mai 2014.

(Foto: picture alliance / dpa)
  • Von Dortmund bis Sachsen tritt die kleine Neonazi-Partei "Die Rechte" immer aggressiver auf.
  • Rufe nach einem Parteiverbot werden lauter, doch das ist in Deutschland fast unmöglich.
  • Gegner von "Die Rechte" wollen ihr deshalb den Parteistatus absprechen - um sie dann nach dem Vereinsrecht einfacher verbieten zu können. Juristen sind skeptisch.

Von Jannis Brühl, Köln

Vor zwei Wochen kamen sie mit Fackeln, und an diesem Freitagabend kommen sie wieder. In Dortmund wollen Neonazis wieder Angst verbreiten, sie versammeln sich nahe der Notunterkunft für Flüchtlinge im Stadtbezirk Eving.

In Dortmund marschieren Rechtsextremisten im Stil von NSDAP-Aufmärschen und veröffentlichen gefälschte Todesanzeigen mit den Namen kritischer Journalisten. Neonazis aus Sachsen schicken nachgemachte One-Way-Tickets mit dem Aufdruck "from Germany to Israel", mit denen sie Juden die Ausreise nahelegen, an eine jüdische Zeitung. Beide Gruppen, die so organisiert und aggressiv auftreten, gehören zur Partei "Die Rechte". Während das Verbotsverfahren gegen die NPD seit zwei Jahren nur langsam Fahrt aufnimmt, könnte "Die Rechte" Ziel eines weiteren Verbotsversuchs werden.

Die Partei bildet das Zentrum der Dortmunder Neonazi-Szene. Bundesweit hat sie 500 Mitglieder. Ihr Dortmunder Stadtrat stellt Anfragen wie die, alle Juden der Stadt zählen zu lassen. Auch im westfälischen Hamm und im sächsischen Bautzen sitzt je ein Mitglied im Stadtrat.

Die Anhänger der "Rechten" sind auffallend brutal: Nach der Dortmunder Kommunalwahl versuchten sie, ins Rathaus einzudringen, griffen vor dem Tor linke Aktivisten und bürgerliche Politiker an. Im Januar störten sie eine Infoveranstaltung über die Evinger Flüchtlingsunterkunft, ein Neonazi verletzte einen Polizisten. "Die werden in meinem Wahlkreis immer aggressiver", sagt der Piraten-Landtagsabgeordnete Thorsten Sommer aus Dortmund. Vor seinem Büro sitze jeden Tag ein Rechter und schreibe auf, wer komme und wer gehe. Auch er will ein Verbot.

Die freie Bildung von Parteien ist im Grundgesetz verankert. Deshalb ist selbst ein Verbot radikaler Parteien kaum durchzusetzen. Es gelang bisher nur zweimal. 1952 wurde die nazistische Sozialistische Reichspartei verboten, 1956 die Kommunistische Partei Deutschlands. 2003 scheiterte der Versuch, die NPD zu verbieten, vor dem Bundesverfassungsgericht. Die Frage ist, wie "aggressiv-kämpferisch" die Partei dem Staat gegenübersteht und wie gefährlich sie ihm tatsächlich werden kann. Um den riskanten Weg über Deutschlands höchstes Gericht zu vermeiden, könnten Gegner von "Die Rechte" eine Abkürzung wählen: Indem sie in Frage stellen, ob die Gruppe überhaupt eine Partei ist, oder doch nur wenig mehr als eine rechte Schlägertruppe.

Denn die könnte eine Regierung vergleichsweise einfach mit dem Vereinsrecht verbieten.

Der Kölner Anwalt Gerhard Militzer behauptet nun in seinem Gutachten für die Linke, bei der er auch Mitglied ist: "Die Rechte ist keine Partei im Sinne des Grundgesetzes."

Sie sei nicht aus Überzeugungen gegründet, sondern aus taktischen Überlegungen. Ihr Parteienprivileg - und damit den besonderen Schutz von Parteien - missbrauche sie nur, um ungestört weiter agieren zu können wie die verbotenen rechtsextremen Kameradschaften, aus denen sie entstanden ist, vor allem der "Nationale Widerstand Dortmund" (NWDO) und die "Kameradschaft Hamm".

"SS-Siggi" war überall dabei

Die NPD mit ihren lange bestehenden Strukturen und ihren mehrfachen Einzügen in Landtage ist wohl klar eine Partei. Im Fall der "Rechten" führen Linke und Piraten nun unter anderem an, dass die Gründung des Landesverbandes der "Rechten" kurz nach dem Verbot des NWDO erfolgte und die Personen teils identisch seien, darunter der jetzige Stadtrat Dennis Giemsch und sein Vorgänger Siegfried Borchardt alias "SS-Siggi", lange Kopf der rechtsradikalen Dortmunder Hooligangruppe "Borussenfront". Als Nachfolgeorganisation der Kameradschaften kann sie aber nicht einfach verboten werden - weil sie ja mittlerweile als Partei gilt.

Der "Rechten", argumentiert das Gutachten, sei es zum Beispiel in der vergangenen Bundestagswahl gar nicht darum gegangen, möglichst viele Stimmen zu gewinnen wie jeder normalen Partei. Der Antritt zur Wahl habe lediglich dazu gedient, zu beweisen, dass sie überhaupt eine Partei sei.

In Brandenburg besteht die Partei aus einer einzelnen Familie

Außerhalb Nordrhein-Westfalens sei die Partei sowieso praktisch ein Witz: "Der Landesverband Brandenburg wurde am 26.01.2013 gegründet. Er hat ca. fünf (!) Mitglieder, von denen drei Eltern und Sohn einer Familie sind."

Was dem Linken-Anwalt als Schwäche der "Rechten" gilt, halten andere Juristen für deren Stärke. Der Nachweis, dass eine Gruppe keine Partei ist, sei äußerst schwierig, sagt Heike Merten, Geschäftsführerin des Instituts für Deutsches und Internationales Parteienrecht und Parteienforschung. Sie spricht von einer geschickten "Flucht in den Parteienstatus", der den Rechten als Schutzschild diene.

Auch der Pirat Sommer kündigt ein neues Gutachten zum Parteienstatus der "Rechten" an. Im nordrhein-westfälischen Innenministerium ist man vorsichtiger. Minister Ralf Jäger (SPD) ließ Anfang 2013 ein eigenes Gutachten anfertigen, das zu dem Schluss kam, dass "Die Rechte" als Partei im Sinne des Grundgesetzes gelten müsse. Damit genieße sie das Parteienprivileg. Bedeutet im Klartext: Wer sie verbieten will, muss vors Verfassungsgericht. Und da sind Innenminister seit dem gescheiterten NPD-Verfahren äußerst vorsichtig.

"Das Gutachten ist der Status quo", sagt ein Sprecher Jägers. Aber die Behörden beobachteten die Partei genau, das Ministerium sammle Informationen, die bei einem Verbot eine Rolle spielen könnten. Auch die Bundesregierung erklärte auf Anfrage der Linken im Januar, sie "verfolge die Entwicklung der Partei in Bezug auf die Verbotsvoraussetzungen" (PDF).

Juristen wie Horst Meier, die sich intensiv mit Parteiverboten beschäftigen, sind skeptisch, ob ein Verbotsverfahren erfolgreich sein kann. Er sieht es ohnehin als Zeichen politischer Hilflosigkeit: "Wenn Kommunalpolitiker nicht mehr mit einzelnen Rechten in einem Stadtrat zurechtkommen, müssen sie einem leidtun."

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