"Newtopia" bei Sat 1:Bessere Welt auf dem Matschacker

Keine Toiletten, Duschen oder Öfen: Sat 1 schickt 15 Freiwillige aufs Land, um dort ein Jahr lang ein gemeinsames Leben aufzubauen. Doch ganz ohne Außenwelt kommt auch dieses Reality-Format nicht aus.

Von David Denk

Die Kühe sind schon da. Für die beiden Jerseyrinder ist das hier wie Urlaub, auf diesem matschigen Acker im brandenburgischen Königs Wusterhausen. Sie stammen aus einem Großbetrieb und sollen nun den Bewohnern von Newtopia Milch geben und womöglich irgendwann auch mal Fleisch. Bis dahin aber werden sie ein ruhiges Landleben führen mit viel Gras, Platz, frischer Luft und eigener Tierärztin, die sich auch um die 25 Hühner nebenan kümmert.

Ihre menschlichen Nachbarn haben es ungleich schwerer, denn auf die 15 sogenannten Pioniere wartet nach dem Einzug abends noch nicht mal ein Bett, nur ein bisschen Stroh. Betten müssen sie sich selber bauen. Oder kaufen. Auch Toiletten, Duschen oder Öfen gibt es nicht - nur die Anschlüsse. Zwei Hektar Land mit Scheune, Stall, Teich und etwas fruchtbarem Ackerland stehen der Gruppe zur Verfügung. 5000 Euro Startkapital müssen für die wichtigsten Anschaffungen reichen.

Die Chance, eine eigene vielleicht bessere Gesellschaft zu erschaffen

Als das "größte TV-Experiment aller Zeiten" bewirbt Sat 1 Newtopia. Wenn die Ausstrahlung am heutigen Montag beginnt, leben die Pioniere schon eine knappe Woche vor Ort. "Ein Jahr lang erhalten sie die Chance, sich eine eigene, andere, vielleicht bessere Gesellschaft zu erschaffen", beschreibt der Sender John de Mols Idee, als Utopia in den Niederlanden sehr populär, in den USA gefloppt, betont aber zugleich, dass in Newtopia deutsche Gesetze gelten.

Sat 1 setzt große Hoffnungen ins Format und räumt ihm daher viel Sendeplatz ein: von Montag bis Freitag je eine knappe Stunde, eine Reality-Daily-Soap wie einst Big Brother, aber mit mehr Online-Content. Sat 1 könnte einen Quotenerfolg mal wieder gut gebrauchen. Entsprechend viel Wind wird um Newtopia gemacht - auch gegenüber Journalisten, die aus dem 40 Kilometer entfernten Berlin zur Besichtigung herangekarrt werden.

Die 450 Quadratmeter große Scheune in Backsteinoptik, Herzstück des Geländes, sieht aus wie hundert Jahre alt, steht aber noch keine 100 Tage hier. Ein Handwerker ist gerade damit beschäftigt, eine der Industrielampen zu patinieren, ein anderer markiert das Fenster zur Terrasse mit Klebeband, weil ihm aufgefallen ist, dass die Deckenscheinwerfer durch die Scheibe strahlen.

Da müssen sie sich was überlegen, die Illusion soll ja perfekt sein. Auch von den 105 ferngesteuerten Kameras, die jeden Winkel abdecken, soll im Fernsehen möglichst wenig zu sehen sein. Damit der Zuschauer nichts verpasst, verfolgen bis zu zehn Regiemitarbeiter das Leben in Newtopia im Dreischichtbetrieb.

Die Containerstadt der Produktion, in der rund 100 Menschen arbeiten, ist gut verborgen hinter einem grünen Doppelzaun, hier verläuft auch ein Großteil der 40 Kilometer Glasfaserkabel. Zumeist sind nur die Bewohner auf dem Gelände, zu den wenigen Ausnahmen zählen die Setrunner, die die Kameras putzen. Doch die in Newtopia kasernierten Pioniere dürfen Besuch empfangen - ganz ohne Austausch und Handel mit der alten Welt dürfte die neue nicht funktionieren.

Newtopia, Sat 1, 19 Uhr.

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