Energiewende:Die lange Leitung der CSU

Stromtrasse

Streit um Stromtrassen: Aufnahme vom Sternenhimmel über einer Hochspannungsleitung bei Sehnde in Niedersachsen

(Foto: dpa)
  • In der großen Koalition herrscht Streit über die Frage, ob und wie viele Stromleitungen in Deutschland nötig sind.
  • Eine Entscheidung ist nun für Juni geplant.
  • CSU-Chef Seehofer lehnt eine Südost-Trasse vehement ab und will stattdessen neue Gaskraftwerke bauen.
  • Sogar in der CDU gibt es nun Unmut über die Blockadehaltung der CSU in Bayern.

Von Michael Bauchmüller, Berlin, und Frank Müller

Das neue Papier kommt genauso daher wie das alte, nur die Pfeile zeigen jetzt woanders hin: fast alle in den Juni. Seit Mittwoch kursiert die neueste Energie-Planung von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), sie soll einen groben Überblick geben über die nächsten Vorhaben, eine "Fortschreibung" der bisherigen Agenda. Auf einem Zeitstrahl ist da nachzulesen, wann das Ministerium was anpacken will. Die Planung der Stromnetze etwa steht darin, oder auch die Reform des Kraftwerke-Marktes. Für letztere etwa wollten sich Gabriels Leute eigentlich noch bis zum Herbst Zeit lassen. Jetzt aber soll bis Juni der Großteil auf den Tisch. Bei den Stromnetzen sollten eigentlich schon Ende 2014 die wesentlichen Entscheidungen gefallen sein, jetzt stehen sie erst in vier Monaten an, kurz vor der Sommerpause.

Und das passt zufällig ziemlich genau zu den Energiebeschlüssen des Koalitionsausschusses vom Dienstagabend, die kurz gefasst so lauten: Das klären wir im Juni. CSU-Chef Horst Seehofer, selbsterklärter Schutzpatron der Trassengegner, hat damit abermals eine Verschiebung ausgehandelt. Womöglich wachsen für ihn so die Chancen, halbwegs gesichtswahrend aus seiner Rolle herauszufinden.

Im Kern geht es nach wie vor um die Frage, ob und wie viele neue Leitungen nötig sind, um künftig Windstrom aus dem Norden auch Richtung Bayern zu transportieren. Weite Teile der Koalition und auch die zuständige Bundesnetzagentur halten solche Stromtrassen für bitter nötig, der CSU-Chef aber nicht. Geplant sind derzeit zwei Leitungen: Eine Südost-Trasse aus Sachsen-Anhalt und eine Nordsüd-Trasse aus Schleswig-Holstein, genannt Suedlink.

Unverständnis für kompromisslose Haltung wächst - selbst bei der CDU

Vor allem von der Südost-Variante hält Seehofer wenig. Für die Zeit nach der Abschaltung der letzten bayerischen Atomkraftwerke hätte er lieber ein paar neue Gaskraftwerke, auch wenn die mutmaßlich teurer würden als der Windstrom aus Nord- und Ostdeutschland.

Bleibt es bei der neuen Planung des Wirtschaftsministeriums, wird der Streit nun parallel zu einer anderen großen Frage gelöst: Der nach einem Strommarkt, in dem es auch bei Flaute und wolkenverhangenem Himmel genügend Elektrizität gibt. Überlegungen in Gabriels Ressort gehen dahin, die bisherige Kraftwerksreserve fortzuschreiben; womöglich auch mit Gaskraft-Reserven in Bayern. Deals zwischen der einen und der anderen Frage lehnt Gabriel aber bisher kategorisch ab.

"Was da passiert, ist nicht akzeptabel"

Derweil wächst das Unverständnis für die kompromisslose Haltung Seehofers, und das selbst in der Schwesterpartei CDU. "Was da passiert, ist nicht akzeptabel", sagt etwa Joachim Pfeiffer, wirtschaftspolitischer Sprecher der Unionsfraktion. Bayern habe schließlich die Energiewende im Bundesrat mitbeschlossen.

Auch in der Koalitionsrunde soll es bei der Energiefrage emotionaler zugegangen sein als bei den anderen Themen, hieß es am Mittwoch. SPD-Chef Gabriel, der sich offenbar konkretere Ergebnisse gewünscht hatte, reagierte forsch: "Wir können die Energiewende nicht aufs Eis legen, bis die internen Differenzen in der Union geklärt sind", sagte der Wirtschaftsminister. Deswegen würden die bestehenden Trassenpläne vorangetrieben. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sprach von einer teuren Blockadepolitik Seehofers.

Eine Lösung der Energiefrage im Laufe des Jahres reiche völlig aus, meint der CSU-Chef

Die CSU selbst ist mit der erreichten weiteren Verzögerung zunächst einmal zufrieden. "Wir wollen ein Paket und keine Einzellösungen", sagte Generalsekretär Andreas Scheuer. "Dieses Ziel haben wir erreicht." Seehofer hatte schon seit Wochen darauf hingearbeitet, die Entscheidung auf die lange Bank zu schieben. Ursprünglich wollte er die Entscheidung in der Koalition unmittelbar nach einer mehrmonatigen Energiedebatte mit Bürgern und Verbänden im Freistaat. Die endete Anfang Februar, Seehofer hatte danach plötzlich viel Zeit.

Nicht mehr vor Ostern müsse das Thema gelöst werden, sagte er dann. "Eine Verständigung im Lauf dieses Jahres reicht völlig aus." Dass dies auch die bayerische Energieministerin Ilse Aigner so sieht, wird in der CSU bezweifelt. Sie selbst wollte sich am Mittwoch nicht äußern, gilt aber als Anhängerin schnellerer Lösungen. Und sie hat auch schon mehrmals zu erkennen gegeben, dass sie nicht an eine Energiewende in Bayern ohne neue Leitungen glaubt.

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