Zitate von Fritz J. Raddatz:"Manchmal war ich mir selber ziemlich peinlich"

Fritz J. Raddatz

Gnadenloser Kritiker - nicht nur, wenn es um Literatur ging: Fritz J. Raddatz.

(Foto: dpa)

Ob Günter Grass, Helmut Schmidt oder Selfie-Süchtige - nichts und niemand war vor dem beißenden Urteil von Fritz J. Raddatz sicher. Zum Tod des Publizisten: eine Auswahl seiner Aussprüche.

Fritz J. Raddatz ist im Alter von 83 Jahren gestorben. Bekannt war der Publizist und Literaturkritiker auch für seine Schonungslosigkeit - sich selbst und anderen gegenüber. Sein autobiografischer Band "Unruhestifter" sorgte bei Erscheinen 2003 für geteilte Meinungen, weil Raddatz darin detailliert sein eigenes Elternhaus, aber auch die Eigenheiten und Eitelkeiten prominenter Zeitgenossen schilderte. Ähnlich teilte er in seinen Tagebüchern und in Interviews aus. Die unterschiedlichsten Themen besprach er bis zuletzt in seiner Kolumne in der Welt - unter dem Titel "Der Nörgler". Eine Auswahl seiner Aussprüche.

Fritz Raddatz ... über seine berüchtigten Tagebücher:

"Mein Tagebuch hat davon gelebt, dass ich Menschen treffe, von ihnen entzückt bin oder sie karikiere. (...) Einige Menschen melden sich seitdem seltener." (Bunte, 7. August 2014)

"Rache ist keine Kategorie für mich. Ich habe mein Tagebuch nicht geschrieben, um jemanden in die Pfanne zu hauen."

"Am meisten sind doch die gekränkt, die nicht in meinen Tagebüchern vorkommen." (beides: Stern, 6. März 2014)

"Manchmal war ich mir selber ziemlich peinlich, besonders in den larmoyanten Passagen." (Die Zeit, 9. September 2010)

... über Günter Grass:

"Er betrügt seine Frau an jeder Ecke - Katholizität und Größenwahnrotz." (Tagebuch)

"Grass brüstet sich doch geradezu mit seinen Liebschaften und unehelichen Kindern. Ich lege Wert auf die Feststellung, dass ich keine Intimitäten ausplaudere, nicht über Grass, Augstein, Kempowski, Walser oder die Dönhoff." (Bunte, 24. März 2011)

Nachdem Günter Grass sein israelkritisches Gedicht "Was gesagt werden muss" veröffentlichte, schrieb Raddatz:

"Der Ex-Freund ist artistisch impotent geworden. Wieso hält er nicht die Klappe? Er kommt mir vor wie die alternden Schwulen in den Parks, die an sich herumfummeln, ihn kaum oder nicht oder knapp hochkriegen - und dann kommt ein widerliches Tröpf'chen."

... über Marcel Reich-Ranicki:

"Er kann nicht ein Wort über ein Buch reden, es geht nur um Literaturklatsch." (Focus, 13. September 2010)

... über Helmut Schmidt:

"Er ist ein fürchterlicher Besserwisser und ein gescheiterter Politiker."

"Ein Bescheidenheitsprotz! Ist ja leicht, bescheiden zu sein, wenn ich mir vom Kanzleramt meine Dienstboten bezahlen lasse." (Stern, 6. März 2014)

... über den Autor Johannes Bobrowski:

"Man hat ja damals unter DDR-Schriftstellern unglaublich viel getrunken, vor allem Kognak." (Die Welt, 26. Juni 2009)

... über Sexualität:

"In der Zeit, als ich bei Rowohlt war, war das Schwulsein noch eine anrüchige Sache, es war jedenfalls nicht gesellschaftsfähig. (...) Damals galt: 'Sprich nicht darüber, dann lassen wir dich in Ruhe.'" (Die Zeit, 9. September 2010)

"Schön übrigens, dass ich, nach wie vielen Jahrzehnten, nun so frei mit meinen Freunden über meine Homosexualität sprechen kann." (Tagebuch)

... über Medien:

"Wir sind heute mit all diesen Medien dümmer, als wir ohne sie waren. Wir leben in einer Zeit des pseudo-informierten Analphabetentums. Was ich in den Medien lese oder höre, ist fast nur noch Schrott." (Frankfurter Rundschau, 31. Januar 2015)

"Das wirft neben den ethischen auch einige andere Fragen auf, die zu beantworten fast alle kommentierenden Journalisten zu faul waren." (Die Welt, "Der Nörgler" 23. August 2014)

.. über den Kunst- und Kulturbetrieb:

"Welche Bilder werden gezeigt, welche Bilder gelten etwas? Wenn es ganz hoch kommt, ist es Neo Rauch. Das kann ich nicht hoch nennen. Das ist nichts als Plakatkunst. Meine kulturelle Sozialisation ist für die jungen Leute von heute so fern wie das 'Nibelungenlied'."

"Was die heute Zwanzigjährigen machen, das weiß ich nur zu genau und Sie doch auch: Die posten sich. Wenn das noch so heißt. Sie twittern. Das ist eine ganz beschränkte Anzahl von Zeichen. Das ist eine andere Kultur. Die 'Marienbader Elegie' kann man aber nicht twittern." (beides: Frankfurter Rundschau, 31. Januar 2015)

"Was interessiert mich Tarantino?" (Interview mit dem SZ-Magazin, 14/2014)

... über Selfies:

"Die neueste Verhübschungsplage heißt 'Selfie'. Da posieren frisch dauergewellte Damen in grässlich gepunkteten Blusen vor sich selber, schauen sich (leider nicht vorher im Spiegel) wohlgefällig an, was sie sehen ist keine Lauren Bacall, keine Marilyn Monroe: eine hängebusige Hausfrau bewundert sich, bewundert die flimmernde Fälschung. Daneben ihr 'Männe' im Sweatshirt, der Bauch so imposant, dass man fragen möchte: 'Wird es ein Mädchen?' - sie sind sich selber so wohlgefällig, als blickten sie auf das Cover des Herren-Magazins Men's Health mit einem neiderregend flotten Burschen, der seinen Waschbrettbauch feilbietet. Das Foto als Zierlichkeitslüge." (Die Welt, "Der Nörgler", 6. September 2014)

"So wird in Wahrheit doch das ganze Technik-Zeug nicht genutzt. Man nimmt es, um zu sagen: "Hallo, ich bin am Strand. Ich mach jetzt ein Selfie von mir am Strand und ruf zurück!" (Frankfurter Rundschau, 31. Januar 2015)

... über Eitelkeit:

Als Antwort auf die Feststellung, dass er "großsprecherisch" aufgetreten sei:

"Ganz sicher. Großkotzig." (Stern, 6. März 2014)

"Ich habe nie geleugnet, eitel zu sein. Es gibt einen Unterschied zwischen intelligenter und dummer Eitelkeit. Ich nehme für mich die intelligente Form der Eitelkeit in Anspruch." (Bunte, 7. August 2014)

... über sich selbst:

"Ich bin schwer zufriedenzustellen." (Die Zeit, 9. September 2010)

Auf die Frage, als was er in Erinnering bleiben wolle:

"Ich will gar nicht in Erinnerung bleiben. Es gibt diesen schönen Satz von Walt Whitman: 'Ich bin eine Vielheit.'" (beides: Die Zeit, 9. September 2010)

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