Gladbachs Aus gegen Sevilla:Endlich mal großes Kino

Gladbachs Aus gegen Sevilla: Intensives Duell: Sevillas Benoit Tremoulinas (links) und Gladbachs Patrick Herrmann

Intensives Duell: Sevillas Benoit Tremoulinas (links) und Gladbachs Patrick Herrmann

(Foto: AP)

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

Plötzlich sagte jemand "Paderborn", und dieses Wort zersäbelte das Stimmengewirr im Souterrain des Mönchengladbacher Stadions. Die Fußballer der Borussia hatten sich zuvor in der Europa League einen berauschenden Kampf mit dem Titelverteidiger FC Sevilla geliefert. Nach einem spektakulären Spiel mit fünf Toren, drei Gestängetreffern und einem Platzverweis waren die Gladbacher zwar als 2:3-Verlierer vom Platz gegangen und betrauerten ihr Ausscheiden aus dem internationalen Wettbewerb.

Dennoch standen sie wie euphorisierte Krieger im Bauch jener Arena, in der das Publikum mit seiner vom alten Bökelberg geprägten Wehmut zum ersten Mal ein Europapokal-Spiel von überragendem Schauwert erlebt hatte.

Die Zuschauer schwenkten in den letzten Minuten des Spiels trotz der Niederlage begeistert ihre Schals und schmetterten Lobeshymnen - die Verlierer fühlten sich wie moralische Sieger. Es sprudelte danach nur so aus den Gladbacher Spielern heraus. Sie hatten Sevilla an die Wand gespielt und ihre Gegner zu zeitverzögernden Schmierenkomödianten degradiert. Die Gladbacher erzählten also stolz vom Geschehen auf dem Rasen, als sie plötzlich an die Rückkehr in den grauen Alltag erinnert wurden. Am Sonntag kommt der SC Paderborn nach Mönchengladbach. Das ist, als müsse man nach einer rauschenden Party wieder ins Büro.

Der Borussia-Park war in seiner inzwischen elfjährigen Geschichte bisher selten ein Ort für großes Open-Air-Kino. Natürlich: Die Borussia ist mittelfristig im Aufwärtstrend, die Mannschaft ist jung und spielt oft schön, sie ist Tabellendritter und lässt den Ball so geschmeidig zirkulieren wie nur wenige andere Teams der Liga. Aber großes Kino gibt es im Borussia-Park trotzdem selten zu sehen.

Das liegt auch am eisernen Willen des pedantischen Trainers Lucien Favre.

Selbst der strenge Favre ist begeistert

Fußballerischer Kontrollverlust ist ihm ein Gräuel. Aber genau das war den Gladbachern gegen Sevilla passiert. Sie verloren die Sinne wie ein Bergsteiger, der zu schnell in die dünne Luft eines Achttausenders klettert. Deshalb ließen sie die mauernden Spanier mehrfach entkommen. "Man muss diese Art von Spiel beherrschen", sagte Favre hinterher streng, "es ist gefährlich." Der Schweizer schaute enttäuscht, aber dann brach sich seine Begeisterung Bahn: "Das war ein tolles Spiel. Viel Risiko, viele Torchancen, viel nach vorn, wir sind gelaufen wie noch nie und waren über Hin- und Rückspiel betrachtet die bessere Mannschaft."

Wer jetzt glaubt, Favre habe Feuer gefangen und werde seine Fußballer gegen Paderborn wieder auf einen hohen Berg schicken, kann sich den Weg ins Stadion am Sonntag sparen. "Es ist nicht unsere Art, so zu überpacen", sagte Abwehrmann Toni Jantschke schon kurz nach Abpfiff in einem Tonfall, als bereue ein ernüchterter Partyfreund vor dem Jugendrichter seine Eskapaden. Die Gladbacher werden am Sonntag wieder zur Vernunft kommen. Sie werden kontrollieren und geduldig sein, und sollten sie den äußerst SC Paderborn dadurch mit 1:0 bezwingen, so wird das Publikum brav jubeln. Aber eben nur brav - nicht euphorisch.

Gute Aussichten für die Champions League

Doch Favres Kontrollfußball winkt eine gewaltige Belohnung. Sollten die Gladbacher nur noch ein paar Mal mit 1:0 gewinnen, wäre ihnen der neuerliche Start in der Europa League sicher. Und sollten sie noch häufiger kontrolliert gewinnen, dürften sie kommende Saison erstmals in der Champions League mitspielen und große Gegner in Serie bespielen. "Jetzt können wir uns ganz auf die Bundesliga konzentrieren", sagte der Gladbacher Torschütze, der beim Stand von 2:2 vom Platz gestellte Schweizer Granit Xhaka und gestand listig: "Jetzt, wo wir ausgeschieden sind, kann ich's ja sagen: Wir wollen unbedingt in die Champions League."

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