Neureuther in Garmisch:Erfolg mit 3,28 Sekunden Rückstand

Neureuther of Germany celebrates after men's Alpine Skiing World Cup giant slalom in Garmisch-Partenkirchen

"Oha, du bist schnell unterwegs, Kollege": Felix Neureuther, der verlässlich zur Spitze im Riesenslalom aufgeschlossen hat.

(Foto: REUTERS)
  • Felix Neureuther ist beim Heim-Riesenslalom in Garmisch schneller als fast alle anderen Fahrer.
  • Vorne allerdings deklassiert Marcel Hirscher die Konkurrenz wie eins Ingemar Stenmark.
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Von Gerald Kleffmann, Garmisch-Partenkirchen

Um halb elf am Sonntag begann der Riesenslalom in Garmisch, zehn Minuten später war er vorbei, und das lag nicht am Wetter, das zwar "nicht sehr schön" war, wie Felix Neureuther, der heimische Held, "freundlich" umschrieb, aber einen Weltcup-Wettbewerb zuließ. Besser: Es ließ zwei Wettbewerbe zu. Einer wurde von einem Fahrer bestritten, der andere von 57 Fahrern.

Als erster war Felix Neureuther gestartet, dann kam Landsmann Fritz Dopfer, die beiden sind im deutschen Ski und speziell in ihrer Heimat Garmisch das, was Joko und Klaas im Fernsehen darstellen, Gute-Laune-Zuständige, untermauert nur mit sportlich anregenderen Leistungen. Als Dritter fuhr Benjamin Raich los, der sich knapp vor Dopfer und Neureuther im ersten Durchgang platzierte. Und dann?

War er dran, Marcel Hirscher, der Mann, der sich nicht auf einen Schwerpunkt im Körper beim Kurvenziehen konzentrieren muss, weil sein muskulöser, 1,73 Meter großer Körper ein einziger Schwerpunkt ist. Als der Österreicher im Ziel über den roten Strich zischte, war klar: Ab jetzt beginnt ein neuer Wettkampf. Der um Platz zwei.

"Ahhh, brutal", so kommentierte Neureuther die Leistung Hirschers, der im ersten Lauf 1,99 Sekunden vor dem da noch Zweiten Raich gelegen hatte. Auf Dopfer betrug der Vorsprung 2,18. Auf Neureuther 2,20. Wenn der FC Bayern zur Halbzeit mit 4:0 führt, zweifelt auch kein Normalsterblicher mehr, dass die das vermasseln, und so war es keine Überraschung, als am Nachmittag Hirscher als Sieger feststand, mit einem Vorsprung von 3,28 Sekunden. "Da muss man Respekt zollen", sagte Wolfgang Maier, Sportdirektor des Deutschen Ski-Verbandes, der die Zeitdifferenz griffig als "nicht handelsüblich" einstufte. Nur der Schwede Ingemar Stenmark siegte 1979 zweimal mit größerem Abstand. In dieser Kategorie ist Hirschers Triumph gelandet.

Kein weiterer Super-G: Garmisch sollte Rennen von Bansko nachholen

Der Weltcup der Frauen im bulgarischen Bansko erlebte keine guten Tage, wegen Nebels fielen zwei Super-G-Rennen aus, von denen einer an diesem Montag nachgeholt wird. Der zweite sollte nach dem Wunsch des Weltverbandes FIS am Freitag in Garmisch stattfinden, wo am Samstag ohnehin die Abfahrt und am Sonntag ein Super-G auf dem Programm stehen. Peter Fischer, Präsident des Gastgebers SC Garmisch, erklärte sich bereit, auszuhelfen, allerdings unter der Zusage, dass die Finanzierung gesichert werde. Für einen zusätzlichen Renntag wäre ein unterer sechsstelliger Betrag nötig gewesen. Er konnte nicht aufgetrieben werden, so bleibt es diese Woche bei zwei Frauenrennen in Garmisch. Gerald Kleffmann

Das zweite Rennen gewann, das war aus nationaler Sicht eine ebenso beeindruckende Geschichte, Neureuther, der am Freitag bei der Ehrung für ihn und Dopfer auf dem Mohrenplatz anlässlich ihrer WM-Medaillen bewies, dass er ob seines Charmes und Wortwitzes "Wetten, dass ... ?" hätte retten können als Moderator. Aber noch ist er ja ein aktiver, exzellenter Fahrer "mit dem Genie-Gen" (Maier), im Slalom bekanntermaßen schon lange, aber im Riesenslalom schließt er nun auch verlässlich zu den "großen Drei" auf, wie er Hirscher, den dreimaligen Weltmeister Ted Ligety (Vierter) und den Franzosen Alexis Pinturault (Fünfter) nennt. An Tagen wie diesem Sonntag bezwingt er sie gar, zumindest all jene, die nicht Hirscher heißen.

Hirscher: "Ich hatte im ersten Lauf kein so gutes Gefühl"

"Der Riesenslalom ist für mich auch für den Slalom wichtig", erklärte Neureuther, der sich, wenigstens öffentlich, nicht über den Zeitverlust ärgerte: "Ein zweiter Platz ist ein zweiter Platz." Gerade im zweiten Lauf führte er vor, welches Niveau er sich in seiner zweitbesten Disziplin erarbeitet hat, enge Radien, viel Risiko, unten im Zielraum johlte die Menge, "oha, du bist schnell unterwegs, Kollege!", das dachte er als Führender bei der Zwischenzeit, selbst ein Fahrfehler kostetet ihn nicht entscheidend Zeit.

Anders als Dopfer, der sich im zweiten Lauf "nicht so frisch" gefühlt hatte und auf Rang elf zurückfiel. Stefan Luitz (Bolsterlang) wurde 20., Alexander Schmid (Fischen) und Dominik Schwaiger (Königssee) hatten den zweiten Lauf verpasst.

Wie sehr Neureuther, der später noch spielend die Gäste im VIP-Zelt unter Anwesenheit des Neureuther-Clans bespaßte, immer auch ehrgeiziger Sportler ist, unterstrich er bei seinen ernsteren Analysen. Ihn beeindruckte, "wie aggressiv Marcel auch im zweiten Durchgang ans Werk gegangen ist" - er, hieß das, hat noch Spielraum, um sich zu verbessern. Der Sieger wiederum gab eine erstaunliche Erkenntnis von sich: "Das macht mich sicher nicht sympathisch", sprach Hirscher, "aber ich hatte im ersten Lauf kein so gutes Gefühl."

Was erst los ist, wenn er mal ein gutes hat? Ach, die anderen 57 Fahrer würden sicher gerne auf diese Erfahrung verzichten. Lieber wäre es ihnen, sie könnten mal wieder mit Hirscher gemeinsam ein Rennen bestreiten.

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