ZDF-Kostümdrama "Die Seelen im Feuer":Der Teufel kann in jeden fahren

Die Seelen im Feuer/ZDF

Der Arzt Cornelius Weinmann (Mark Waschke, re.) versucht, den kleinen Antoni Wolff (Philipp Franck, li.) aus dem Malefizhaus (Hexengefängnis) zu retten.

(Foto: Alfons Kowatsch)

Männer, Frauen, selbst Kinder bringen sich gegenseitig in den Folterkeller: Schmerzhaft genau erzählt "Die Seelen im Feuer" von der Hexenverfolgung, von Aberglauben und Denunziation.

Von Claudia Tieschky

Das Münchner Restaurant mit seiner mittelalterlichen Bausubstanz ist vom ZDF womöglich gewählt worden, um alle stimmungsmäßig abzuholen, wie man so sagt, hinein ins neueste Vergangenheitsfernsehen. Die Schauspieler Silke Bodenbender, Mark Waschke, Axel Milberg und der Autor Stefan Kolditz sitzen dort Ende Januar vor Journalisten, um über ihren Film Die Seelen im Feuer zu sprechen. Das Drama spielt zur Zeit der Hexenverfolgung im Bistum Bamberg, es hatte Premiere beim Münchner Filmfest, die zuständige ZDF-Redakteurin Karina Ulitzsch sagt, dass sie das Thema an ihre frauenbewegte Studienzeit erinnere.

Die Frage, die auf der Hand liegt an diesem Vormittag: Braucht man das? Nach der Wanderhure, dem Medicus, den Säulen der Erde, der Hebamme, Hildegard von Bingen und all den anderen Produktionen mit bekannten Schauspielern in pittoresken Kostümen, mit draufgeschminktem Schmutz und der faulen Pracht der Paläste? Ist das Genre Historienfilm nicht heute noch mehr von gestern als sowieso schon?

Doch dann passiert Bemerkenswertes. Axel Milberg tut das, was Fußballspieler nicht dürfen, aber nach Torerfolgen trotzdem gern tun - er zieht sich das Oberteil aus und zeigt, was er so drunterträgt: "Freiheit für Raif" steht auf dem T-Shirt. Milberg ist im Film der Mann, der Menschen der Tortur unterzieht, die angeblich mit dem Teufel im Bund sind. Ein Ideologe ohne Skrupel.

Raif Badawi ist der saudische Blogger und Aktivist, der als "Beleidiger des Islam durch elektronische Mittel" zu zehn Jahren Haft und 1000 Peitschenhieben verurteilt wurde. Die ersten 50 Schläge erhielt er am 9. Januar, Schicksal und Zustand Badawis sind seither ungewiss. "Ich dachte, als Hexenkommissar bin ich den Opfern der Folter verpflichtet", begründet Milberg die Ausziehaktion.

Die Quellenlage: hervorragend und grauenvoll

Doch zum Film: Das halbe deutsche Tatort-Ensemble hat sich dafür verkleidet. Neben Milberg (Kiel) und Waschke (demnächst Berlin) spielt auch Richy Müller (Stuttgart) mit, als Bürgermeister Johannes Junius. Von Ko-Drehbuchautor Stefan Kolditz kommt der erste Tatort mit Waschke und Meret Becker. Jetzt also Tatort Bamberg - was 400 Jahre vorher geschah?

Eher nicht. Die Seelen im Feuer ist trotz Kostümierung ein ziemlich harter Film, denn er folgt Fakten und setzt sie deutlich ins Bild. Mehr als 1000 Menschen sind zwischen 1612 und 1632 im Hochstift Bamberg umgebracht worden; wer unter mehrmaligen Folterdurchgängen gestand - und das waren fast alle - wurde lebendig verbrannt. So hatte nach der Vorstellung dieser Zeit die dann voll und ganz feuergereinigte Seele immerhin noch die Chance, der ewigen Verdammnis zu entgehen.

Die Quellenlage für den Film ist so hervorragend wie grauenvoll, die Dokumente aus dem Bamberger Malefizhaus, dem Foltergefängnis, sind erhalten und zugänglich. Die Geschichtswissenschaftlerin Sabine Weigand, Verfasserin mehrerer historischer Romane, hat für ihr Buch, auf dem der gleichnamige Film basiert, diese Quellen ausgewertet, was vermutlich kein Vergnügen war. Dazuerfunden hat sie die Hauptfiguren und ihre Liebesgeschichte: den Arzt und Forscher Cornelius Weinmann (Waschke) und die kundige Apothekerstochter Johanna Flock (Bodenbender).

Der Film zeigt, wie Männer, Frauen und selbst Kinder sich gegenseitig in die Folterkeller bringen und beschuldigen, wegen der Tortur, aber auch aus Aberglauben, und so geht das Menschenbrechen und Menschenverbrennen immer weiter. Vielleicht sei der Teufel ja doch in sie gefahren, ohne dass sie es bemerkt habe, sagt Johanna einmal.

Gratwanderung zwischen Genauigkeit und Pornografie

Alle am Set hat das sehr beschäftigt; Stefan Kolditz, der zusammen mit Annette Hess das Drehbuch schrieb, fragte sich auch, wie mit der Gewalt umzugehen sei: "Wo schlägt etwas in der Genauigkeit in den pornografischen Blick um?" Und Milberg erinnert sich an sein Treffen mit einem Mann, der wie im Malefizhaus von Bamberg mit dem sogenannten Zug gefoltert wurde, der die Schultern ausrenkt: Die SS hat den Schriftsteller und Widerstandskämpfer Jean Améry so gequält. "Die Entwertung des Ichs brennt dann noch lange nach", sagt Milberg in Erinnerung an Améry, der 1978 Suizid beging.

Trotzdem gibt es dann auch leichtere Gesprächsthemen. Mark Waschke, der an der Schauspielschule den Reitkurs nicht belegt hat, erzählt, wie ihn eine famose Lehrerin in sechs oder sieben Doppelstunden in die Lage versetzt habe, diese "nicht ganz unspektakulären" Reitszenen hinzulegen. Als Cornelius Weinmann muss er die Strecke zwischen Wien und Bamberg bewältigen, im Galopp, mit fliegendem Mantel. Waschke hat einen sehr schönen Vollbart in der Rolle; sein Weinmann ist Doktor der Medizin in Wien, ein hoher Herr in Schwarz, der seine Heimat weit hinter sich gelassen hat, als er ans Sterbebett seines Vaters gerufen wird. Er kommt, so drückt es Milberg aus, wie ein Gesandter aus der Zukunft. Ein Mann mit ruhigen Gesten und der Sicherheit eines Menschen, der weiß, dass er auf dieser Welt kein Verständnis, sondern Erkenntnis braucht.

Das enthusiastisch Hochfliegende in Mark Waschkes Rede an diesem Tag merkt man ihm in der Rolle nicht an. Das körperlich Zappelige beim Formulieren ziemlich intellektgesteuerter Sätze - dieses ganze Temperament, das den Teufel in der Luft zerreißt. Man braucht ihm nicht damit kommen, dass der Glaube im frühneuzeitlichen Sinn keine gesellschaftliche Bedeutung mehr habe. Der Glaube, sagt Waschke, "ist heute das absolute Primat des Marktes. Das Fehlen jeder gesellschaftlicher Utopie und das sich bedingungslose Einordnen, das ist vergleichbar mit dem selbstverständlichen Glauben, dass es Hexen gibt. So wie wir auch an Vitamine glauben, ohne je eins gesehen zu haben."

Gezwungen zu kämpfen

Cornelius Weinmann, der nur glaubt, was er sieht, ist in diesem Sinn ein tragischer Held. "Der will nicht kämpfen. Er gerät aber in eine Lage, in der er gezwungen ist, sich zu verhalten." In diesem Film etwas über "die Hexenverfolgung aus dem Geist der Denunziation zu erzählen", findet Waschke "ähnlich spannend wie die Erzählung von Michael Haneke über die Entstehung des Nationalsozialismus aus der repressiven Gesellschaft des ausgehenden Kaiserreichs."

Natürlich muss man jetzt mit dem künftigen Tatort-Ermittler Waschke noch über den deutschen TV-Kommissar und den deutschen Krimi sprechen. Dazu hat er Beobachtungen, die bündig zusammenfinden: "Die Deutschen mögen es, sich als Opfer zu empfinden, und die Deutschen mögen es auch, wenn ein Verbrechen ordnungsgemäß aufgeklärt wird. Der deutsche Kommissar hat aus diesem Grund in der Regel eine Geschichte, in der er selber Opfer ist. Der deutsche Kommissar ist kein Jean Gabin."

Es wird jetzt natürlich Waschkes Hoffnung und Aufgabe sein, im RBB-Tatort demnächst dieses kleine Problem zu lösen.

Die Seelen im Feuer, ZDF, 20.15 Uhr.

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