Nachlese zum "Tatort" aus Wien:Wunderbar garstiges Gezanke

Tatort Wien/"Grenzfall"

Wenn Diensteifer auf Routine trifft: die Kommissare Fellner (Adele Neuhauser) und Eisner (Harald Krassnitzer, rechts) mit ihrem neuen Kollegen Schimpf (Thomas Stipsits, Mitte).

(Foto: ARD Degeto/ORF/Allegro Film/Mile)

Sie wollen mitreden über den "Tatort" aus Österreich? Hier erfahren Sie, welche Gefahr in einem plätschernden Fluss lauert und wer den Kommissaren in Sachen Schmäh Konkurrenz macht. Die Nachlese mit den besten Zuschauerkommentaren.

Von Johanna Bruckner

Darum geht's:

Um Verbrechen, die begangen wurden, als Österreich und Tschechien noch durch den Eisernen Vorhang getrennt waren. Und um einen aktuellen Mord: Ein Mann treibt in einem Kajak den Grenzfluss Thaya hinab. Dann kippt das Boot plötzlich um und taucht nicht wieder auf. Der Tote ist der tschechische Geheimdienstler Radok, er wurde mit einer Überdosis Insulin umgebracht. Also werden die Wiener Ermittler Moritz Eisner und Bibi Fellner im Tatort "Grenzfall" ins Waldviertel beordert. Das allein ist für den notorisch grantelnden Oberstleutnant Eisner ein Ärgernis, dazu ist der Fall so undurchsichtig wie die Thaya: Was hat ein ungelöster Vermisstenfall aus dem Jahr 1968 mit dem Mord zu tun?

Lesen Sie hier die Rezension von SZ-Tatort-Kritiker Holger Gertz:

Bezeichnender Dialog:

Eisners Chef Ernst Rauter erkundigt sich nach dem Stand der Ermittlungen.

Rauter: Was tut sich im Fall Radok?

Eisner (spricht in sein Handy): Bibi, dritter Anruf, bitte melden. (Dann in Richtung Rauter:) Einbruch in seiner Wohnung in Prag, seine Sachen in der Waldviertler Pension sind vermutlich auch durchsucht worden.

Rauter: Nach Zufall schaut's also nicht aus.

Eisner: Nein. Irgendwer wollte was von ihm.

Rauter: Und wer?

Eisner: Daran arbeiten wir.

Rauter: Heikles Gelände.

Eisner: Ist mir klar.

Rauter: Möglicherweise Anti-Personen-Minen.

Eisner: Ganz was Neues.

Rauter: Im Falle des Falles: Es kommt kein Räumkommando. Ich will's nur sagen.

Eisner: Dann sag's.

Rauter: Ich hab's gesagt. Hast es gehört?

Eisner: Wenn du's gesagt hast.

Rauter: Ich hab's gesagt.

Eisner: Dann hab ich's gehört.

Die besten Zuschauerkommentare:

Beste Szene:

Die Thaya plätschert den lieben langen Tatort so vor sich hin. Doch dann, pünktlich zum Krimi-Finale, schnellt aus dem seichten Wasser ein schwarzer Neoprenarm und packt den Angler Fritz Gassinger am Bein. Kommissarin Bibi Fellner eilt zur Hilfe, zieht ihn an Land und beobachtet mit gezückter Pistole die Wasseroberfläche. Der Froschmann schießt abermals hoch, ein Messer in der Hand - dann fallen zwei Schüsse.

Top:

Eisner und Fellner, Fellner und Eisner: Die beiden zanken sich so wunderbar garstig wie ein altes Ehepaar. Zum Beispiel über den Journalisten Max Ryba, den der Kommissar so gar nicht leiden mag, seine Kollegin dafür umso mehr. Als sich Eisner bei der Vorstellung der beiden als Liebespaar gar nicht mehr halten kann vor Lachen, ist Fellner sauer. Eisner: "Du hast doch selber gesagt, das ist lächerlich!" Fellner: "Moment. Wenn ich das sage, ist das was anderes. Wenn du das sagst, ist das eine Frechheit! Ich glaub', du brauchst dringend Nachhilfe in weiblicher Logik."

Flop:

Gelungene Komik macht noch keinen guten Krimi (siehe Münster). Der Tatort "Grenzfall" hat Längen: Bis Eisner und Fellner das Knäuel an Handlungssträngen so weit entworren haben, dass der Zuschauer bei dem Fall durchsteigt, ist die letzte Viertelstunde angebrochen.

Bester Auftritt:

Auch wenn Harald Krassnitzer und Adele Neuhauser keinen Sidekick bräuchten, hat ihnen der ORF einen maßschneidern lassen: Thomas Stipsits spielt den neuen Kollegen des Wiener Ermittlerduos, Manfred Schimpf. Auf Augenhöhe mit den Kommissaren ist er schon - zumindest in Sachen Schmäh. Schimpf: "Frau Kollegin, finden Sie nicht auch, dass die komisch riechen, die Akten? Irgendwie so nach Ärger, mit einem Hauch Bürokratie." Fellner: "Sie sind ein richtiger Gourmet, he?" Schimpf: "Nein, ich bin ein Geruchsjunkie, so ein echter Schnüffler."

Erkenntnis:

Aus der Vergangenheit für die Zukunft lernen? Das klingt in der Theorie gut, ist in der Praxis aber manchmal desillusionierend - in diesem Fall für den Journalisten Max Ryba, der erkennen muss, dass sein Vater für ein Motorrad zum Landesverräter wurde.

Schlusspointe:

"Alles okay?", fragt Eisner seine Kollegin, als die beiden am Ende an der Thaya stehen und sich eine Zigarette teilen. Die sagt: "Nah. Aber alles is' nie okay."

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