Abgeordnetenaffäre:Schneller Schlussstrich

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Sein früher so gewinnendes Lächeln ist verschwunden: Georg Schmid am Montag auf dem Weg in den Gerichtssaal. (Foto: Aren Kamm/dpa)
  • Im Jahr 2013 erschütterte den Bayerischen Landtag eine Affäre um die Privilegien der Abgeordneten.
  • Dabei ging es um Staatszuschüsse für teure Technik, Zahlungen für Abgeordnetenbüros, verbotene finanzielle Verquickung von Partei- und Fraktionsarbeit und vieles mehr.
  • Knapp zwei Jahre später ist davon kaum mehr die Rede. Bislang wurde nur ein SPD-Abgeordneter verurteilt - und wohl bald der CSU-Mann Georg Schmid.

Von Frank Müller, München

"Die Preisspanne für die Kameras reichte von 84 bis knapp 6000 Euro": So lautete ein Schlüsselsatz in dem Bericht, mit dem der bayerische Rechnungshof die Abgeordnetenaffäre im Landtag auseinanderklamüserte. 6000 Euro Staatszuschuss für eine einzige edle Leica, angeschafft vom unglückseligen oberfränkischen CSU-Abgeordneten Alexander König - das war eines jener Details, die den Unterschied ausmachen zwischen bloßer Misswirtschaft und handfestem Skandal. Dass ein Abgeordneter eine einfache Digitalknipse braucht, um seine Website mit Bildern zu bestücken, leuchtet ein. Dass es eine komplizierte Leica sein muss, nicht.

Als mitten im vergangenen Landtagswahlkampf die Affäre um Privilegien der Abgeordneten hochkochte, gab es ganz viele solcher Unterschiede. Und eine sehr breite Spielwiese. Erst ging es nur um Abgeordnete, die ihre Verwandten als Mitarbeiter beschäftigten. Als Landtagspräsidentin Barbara Stamm die Selbstverteidigung gründlich misslang, war plötzlich alles auf dem Tapet: Staatszuschüsse für Technik, die Zahlungen für Abgeordnetenbüros, verbotene finanzielle Verquickung von Partei- und Fraktionsarbeit und vieles mehr.

Bevor die Skandalwelle noch weiterschwappen konnte, um etwa die großzügige Altersversorgung für Abgeordnete zu unterspülen, machten alle Fraktionen gemeinsam Schluss: Sie drehten den Spieß um und verabschiedeten die in Teilbereichen schärfsten Richtlinien der deutschen Politik. Hauptsache: Schluss der Debatte.

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Wird Georg Schmid verurteilt, könnte das gravierende Folgen für die Alterssicherung des 61-Jährigen haben. Tatsächlich deutet der Staatsanwalt eine Bewährungsstrafe von bis zu 24 Monaten an.

Von Stefan Mayr, aus dem Gericht, und Frank Müller

Eine spannende, aber nicht mehr zu beantwortende Frage ist: Was wurde damit alles unter den Teppich gekehrt? Alleine bei der technischen Ausstattung überprüfte der Rechnungshof nur die Ausgaben über 6000 Euro vollständig. Von den darunter liegenden Ausgaben nahm er sich nur eine Stichprobe von 15 Prozent vor. Dass sich unter den verbleibenden 85 manch weiteres schöne technische Gerät finden lassen würde, darauf kann man wetten.

Ein Transparenzbericht? Steht bis heute aus

Am Rechnungshof lag es nicht, dass nur zögerlich aufgeklärt wurde. Manche seiner Forderungen, etwa nach einem jährlichen Transparenzbericht im Landtag, sind bis heute offen. Die Landtags-Spitze störte sich zudem an dessen Forderung, der Landtag solle sich von den Abgeordneten die Gelder für beschäftigte Ehegatten und Kinder zurückzahlen lassen. Das hätte 79 Parlamentarier in Turbulenzen gestürzt. Sie beschäftigten auch nach dem Jahr 2000 noch Ehefrauen und Kinder und nutzten damit eine umstrittene Altfallregelung.

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In Rekordzeit macht Georg Schmid als Politiker bei der CSU Karriere - bringt sich sogar als bayrischer Ministerpräsident ins Gespräch. Dann taucht sein Name bei der "Verwandtenaffäre" auf. Der Vorwurf: Er habe seine Frau 22 Jahre lang als Scheinselbstständige beschäftigt. Nun steht er vor Gericht.

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Die meisten dieser Fälle kamen aus der CSU, aber es gab sie auch bei allen anderen Fraktionen mit Ausnahme der damals noch im Landtag sitzenden FDP. Aber nur wenige gerieten dadurch in ernste Probleme. Ex-CSU-Fraktionschef Georg Schmid ist der bei weitem gravierendste Fall. Der bislang einzige vor Gericht wegen Betrugs verurteilte Abgeordnete ist jedoch der vormalige Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Harald Güller, der bis heute im Landtag sitzt. Er hatte mit der Beschäftigung seines Stiefsohns gegen das Verbot verstoßen, Angehörige ersten Grades anzustellen. Ein ähnliches Verfahren gegen die als Schlagersängerin bekannte frühere Freie-Wähler-Abgeordnete Claudia Jung wurde gegen eine Geldauflage eingestellt.

Wie sich Schmids Fall unterscheidet

Zu Schmids Konflikt mit dem Sozialversicherungsrecht gibt es in der Verwandtenaffäre ansonsten keine Parallele - die Abgeordneten stellten ihre Verwandten üblicherweise direkt an und kamen so gar nicht erst in Versuchung, die Sozialversicherungen zu beschummeln. Dafür musste sich der frühere Chef des Haushaltsausschusses unangenehme Fragen wegen des Jugendschutzes stellen, weil er seine minderjährigen Kinder beschäftigt hatte.

Tradition hat Schmids Versuch, sich durch freiwillige Rückzahlungen moralisch freizukaufen. Genau dies verlangte Regierungschef Horst Seehofer auch von den sechs in die Affäre verstrickten Kabinettsmitgliedern, den Ministern Ludwig Spaenle, Beate Merk und Helmut Brunner sowie den Staatssekretären Franz Pschierer, Bernd Sibler und Gerhard Eck. Sie zahlten mehr als 150 000 Euro zurück. Und blieben im Amt.

© SZ vom 03.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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