Ebersberg:Ein Wort zu viel

Weil sie eine Mitarbeiterin des Jobcenters als "Neonazi" bezeichnet hat, wird eine 56-Jährige zu einer Geldstrafe verurteilt.

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Der Umgang mit Behörden ist für den Bürger nicht immer leicht. Schon manchem ist ob des langwierigen Briefwechsels mit diesem oder jenem Amt schon ein deftiger Fluch oder auch ein Schimpfwort entfleucht. Dieses dann aber aufzuschreiben und an die betreffende Behörde zu schicken, würden wohl die wenigsten. Eine 56-Jährige aus dem südlichen Landkreis tat aber genau dies. In einem Beschwerdebrief an das Jobcenter beschimpfte sie eine Mitarbeiterin als "Neonazi". Dafür wurde sie nun vom Amtsgericht zu einer Geldstrafe verurteilt.

Die Angeklagte machte nicht die geringsten Anstalten, die Beleidigung zu leugnen - ganz im Gegenteil. Es sei doch schließlich ihr gutes Recht, sich über eine Mitarbeiterin des Jobcenters bei deren Chef zu beschweren, erklärte die 56-Jährige. Dass sie dabei das Wort "Neonazi" benutzte, "das habe ich nicht als Beleidigung empfunden, denn ich bin zu dieser Überzeugung gelangt", sagte die Angeklagte. Daher habe sie auch gegen einen Strafbefehl in Höhe von 750 Euro Einspruch eingelegt.

Auch wie sie zu dieser Überzeugung gelangt war, schilderte die Frau, auch wenn es einiger Nachfragen von Richterin Susanne Strubl bedurfte, um die Geschichte verständlich zu machen. Diese beginnt vor etwa sechs Jahren, als das Leben der nun Angeklagten eine durchaus tragische Wendung nahm. Die gelernte Bürokauffrau verlor nicht nur ihre Arbeit, sondern auch ihre Gesundheit. Sie berichtete von mehreren "Zusammenbrüchen", die letztlich in längere psychotherapeutische Behandlung mündeten. Auch körperlich gehe es ihr schlecht, so die Angeklagte, sie müsste eigentlich dringend an der Schulter und am Knie operiert werden.

Doch genau das habe die von ihr schließlich als "Neonazi" bezeichnete Sachbearbeiterin des Jobcenters verhindert, sagte die 56-Jährige. Denn als Voraussetzung für die Operation müsse sie zuerst eine neue Wohnung finden. "So lange ich in dieser heruntergekommenen Pension hausen muss, kann man die Reha nicht machen." Denn der Arzt habe ihr erklärt, dass sie nach der Operation nicht mehr als fünf Treppenstufen am Stück steigen dürfe. Nötig wäre daher eine Bleibe im Erdgeschoss oder in einem Haus mit Aufzug, ihr jetziges Zimmer liege aber im Dachgeschoss. Das Jobcenter habe jeden ihrer Anträge auf eine andere Wohnung abgelehnt, beklagte die Angeklagte, sie habe sogar den Eindruck, dass ihre Eingaben gar nicht beantwortet worden seien.

Dies habe sie der Sachbearbeiterin zu Anfang auch gar nicht besonders übel genommen, meinte die 56-Jährige, "ich dachte sie will einfach nur Geld sparen, das ist ja schließlich ihre Aufgabe." Doch bei einem Termin im Jobcenter, als sie der Sachbearbeiterin erneut ihre gesundheitlichen Probleme schilderte und um eine neue Bleibe bat, habe diese gesagt: "Wenn Sie Ihre Wohnung zum Invaliden macht, dann um so besser." Daraufhin habe sie dann eine Beschwerde an den Amtsleiter des Jobcenters geschrieben, schilderte die Angeklagte. Dies habe sie der Sachbearbeiterin aber zuvor auch ausdrücklich angekündigt. "Ist es denn eine Straftat, wenn man sagt, was man denkt?"

In diesem Fall auf jeden Fall, so das Urteil von Richterin Strubl. Sie bestätigte die bereits im Strafbefehl verhängte Geldbuße. Zugunsten der Angeklagten müsse man zwar werten, dass ihr aufgrund ihrer schwierigen Situation ein objektiver Blick auf die Dinge schwer bis unmöglich falle. Und natürlich habe die Angeklagte jedes Recht sich über Mitarbeiter des Jobcenters zu beschweren und natürlich auch bei deren Chef. "Aber doch nicht so, Sie können doch nicht mit Beleidigungen um sich werfen." Und um eine solche handele es sich bei dem Wort "Neonazi" ganz eindeutig, machte die Richterin deutlich. "Ich bin mir sicher: im umgekehrten Fall hätten Sie es auch als Beleidigung aufgefasst, wenn man Ihnen so etwas an den Kopf geworfen hätte", so Strubl zur Angeklagten. Diese zeigte sich nicht überzeugt und kündigte noch im Gerichtssaal an, sich jetzt einen Anwalt zu nehmen und in Berufung zu gehen.

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