Vor 70 Jahren:Bombenhagel kurz vor Kriegsende

Am 18. April 1945 sterben 224 Menschen in Freising. Die Stadt veranstaltet dazu am 18. April einen ökumenischen Gottesdienst. Im Juni wird in einem Vortrag mit Fotos über die Ereignisse berichtet. Stadtarchivar Notter hofft auf Zeitzeugen, die sich erinnern können

Von Peter Becker, Freising

Der 18. April 1945 war einer der schwärzesten Tage in der Freisinger Geschichte. Der Zweite Weltkrieg neigte sich bereits seinem Ende zu, als die Alliierten nachmittags gegen 15 Uhr den Bahnhof bombardierten. 224 Menschen kamen damals, kurz vor dem Einmarsch amerikanischer Truppen, ums Leben. Die Stadt Freising gedenkt am 18. April mit einem ökumenischen Gottesdienstes dieses Tages. Am 10. Juni wird der Schweizer Jan Stiefel in einem Vortrag über die Ereignisse vor 70 Jahren berichten. Sein Vater weilte damals als Brauereistudent in der Stadt, seine Mutter als polnische Kriegsgefangene. Darüber hinaus ruft Stadtarchivar Florian Notter Zeitzeugen dazu auf, über ihre Erlebnisse in den Wochen vor und nach dem Kriegsende zu berichten.

Der Krieg war für die Nationalsozialisten längst verloren, als am Nachmittag des 18. April 1945 Flugzeuge am Himmel erschienen, die einen Bombenhagel auf den Freisinger Bahnhof und das benachbarte Stadtviertel herabregnen ließen. Noch heute sind die Löcher zu sehen, welche die Splitter in das Geländer der Moosachbrücke beim Vinzentinum gerissen haben. Die evangelische Christi-Himmelfahrtskirche stürzte ein. In deren Neubau findet am 18. April ein ökumenischer Gedenkgottesdienst statt. Dieser beginne um 14 Uhr, kündigte Hauptamtsleiter Rupert Widmann an. Er endet gegen 15 Uhr, zu der Zeit, als das Bombardement begann.

bahnhof

Der Freisinger Bahnhof einst und heute: Die zerstörten Bahnhofsgebäude wurden nach dem Bombenangriff notdürftig instand gesetzt...

(Foto: Stadtarchiv)

Am 29. April rückten US-Truppen in Freising ein und befreiten die Stadt endgültig von den Nationalsozialisten. Hautnah miterlebt hat diese Ereignisse Walter Stiefel, ein Schweizer, der zu jener Zeit in Freising Brauereiwesen studierte. Aufgrund der dürftigen Quellenlage aus diesen Tagen sind seine Fotos und Erinnerungen umso wichtiger. Sein Sohn Jan wird die Bilder zeigen und kommentieren. In diesen Tagen kurz vor der Kapitulation war das öffentliche Leben in Freising zum Erliegen gekommen. Die letzte Zeitung erschien aus Papiermangel am 19. April, dem Tag nach dem Bombardement des Freisinger Bahnhofs. Trotz Fotografierverbots schoss Stiefel aus den Fenstern verschiedener Häuser der Stadt Bilder, welche die Ereignisse in Freising nach der Besetzung durch die US-Amerikaner dokumentieren. Er riskierte, im Falle einer Entdeckung verhaftet zu werden. Einige Fotografien gelangen ihm aus den Fenstern des ehemalige Café Fraunhofer an der Oberen Hauptstraße, der damaligen Hitlerstraße, heraus. In einem Hinterhofgebäude war seine spätere Frau, eine polnische Zwangsarbeiterin untergebracht. Ihre Berichte kratzen am gängigen Image, dass es Kriegsgefangenen in eher ländlich geprägten Städten und Gemeinden um vieles besser ging als ihren Leidgenossen, die in der Schwerindustrie schuften mussten. Ihre Erzählungen, sagte Notter während eines Pressegesprächs, belegten, dass Freisinger Zwangsarbeiter in ihrem Alltag ebenfalls Drangsalierungen ausgesetzt waren.

Der Stadtarchivar verband die Ankündigung des Vortrags von Jan Stiefel mit einem Appell an Zeitzeugen. Wer seine Erlebnisse aus den Monaten kurz vor und nach der Befreiung Freisings durch die US-Amerikaner erzählen möchte, kann sich beim Stadtarchiv (0 81 61/5 44 47 10) melden. "Die Leute haben interessante Dinge zu erzählen", vermutet Notter. Insbesondere gelte dies für Frauen. Sie waren in diesen Tagen in Freising in der Überzahl, da die Männer entweder noch im Krieg waren oder sich bereits in Gefangenschaft befanden. Weil eben offiziell so wenig über die Ereignisse in den letzten Kriegstagen in Freising und dem anschließenden Alltageleben unter amerikanischer Besatzung dokumentiert ist, wäre es umso bedauerlicher, wenn das Wissen der Zeitzeugen verloren ginge, betonte Notter.

Vor 70 Jahren: ...damit der Zugbetrieb wieder aufgenommen werden konnte.

...damit der Zugbetrieb wieder aufgenommen werden konnte.

(Foto: Marco Einfeldt)

Die Erzdiözese München-Freising hat in diesem Zusammenhang schon Wertvolles geleistet. Kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs wies der damalige Erzbischof Michael von Faulhaber die Pfarreien an, über den Einmarsch der Amerikaner in den Gemeinden zu berichten. 562 von 670 leisteten dem Auftrag Folge. Ihre Berichte hat die Erzdiözese im Jahr 2005 in einem Sammelband herausgegeben.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: