Fürstenfeldbruck:"Jetzt scheint ein Tabu gebrochen zu sein"

Robert Andreasch von der Antifaschistischen Informationsstelle findet, Neonazis profitieren von Bagida-Demonstrationen

Interview von Peter Bierl, Fürstenfeldbruck

Über Bagida, Rassismus und Neonazis in Bayern spricht der Journalist Robert Andreasch am Donnerstag, 5. März, auf Einladung des Bündnisses "Bruck ist bunt nicht braun" in Fürstenfeldbruck. Er arbeitet für die Antifaschistische Informations-, Dokumentations- und Archivstelle (Aida) in München. Die SZ fragte Andreasch, wie gefährlich Neonazis sind und ob Pegida schon wieder abflaut.

SZ: Pegida-Aufmärsche gab es in Fürstenfeldbruck bisher nicht. Gibt es rassistische Strukturen oder Nazi-Gruppen im Landkreis?

Robert Andreasch: Der Landkreis ist keine Insel. Neonazis aus dem "Freien Netz Süd" trafen sich zum Beispiel in Puchheim zu einem "Gedenken" an den Stelen für Heimatvertriebene an der Ecke Birken- und Bürgermeister-Ertl-Straße. In Olching gab es im August 2013 rassistische Ausfälle bei einer Bürgerversammlung und im Januar 2014 den Brandanschlag auf die Unterkunft für Asylsuchende in Germering.

Aber es gibt keine festen Kameradschaften im Landkreis?

Unser Eindruck ist, dass lokale Kameradschaftsstrukturen nicht so angesagt sind. Die Szene hält über Facebook und Internet Kontakt und trifft sich dann überregional zu Aktionen auf der Straße.

Worin besteht der Zusammenhang zwischen Rassismus, Bagida und den Neonazis?

Umfragen haben ergeben, dass in Bayern etwa 33 Prozent der Bevölkerung stark rassistisch eingestellt sind, mehr als in anderen Bundesländern, in München ist ein antiislamischer Rassismus weit verbreitet. Ich habe im Frühjahr 2014, noch vor Pegida, flächendeckend weit über 150 lokale Kampagnen gegen Flüchtlingsheime in Bayern gezählt. Da werden Unterschriften gesammelt, Transparente aufgehängt, auf Bürgerversammlungen und in sozialen Netzwerken getobt. Jetzt scheint ein Tabu gebrochen zu sein und ein Teil dieser Leute geht auch aktiv auf die Straße. Die Neonazis haben diese Stimmungen aufmerksam registriert, konzentrieren sich schon seit längerer Zeit auf ihre rassistischen Kernthemen und nehmen auch bei Bagida teil. Eine Gefahr besteht insbesondere aus der Dynamik von rassistischen Bürgern auf der Straße einerseits und neonazistischen Aktionen andererseits.

Marcus Buschmüller und Robert Andreasch im Aida-Archiv, 2015

Robert Andreasch recherchiert für die Antifaschistische Informations-, Dokumentations- und Archivstelle, die Material über rechte Umtriebe sammelt.

(Foto: Florian Peljak)

Dennoch ist Pegida in Dresden gestartet und der Zulauf zum Bagida-Ableger in München ist viel geringer. Woran liegt das?

Dafür gibt es mehrere Gründe, dazu zählt unter anderem ein noch rechterer Diskurs in Sachsen, außerdem boten Hooligans in Dresden von Anfang an ein organisatorisches und personelles Grundgerüst für die Märsche. Die ersten Dresdner Versammlungen im Herbst an relativ lauen Abenden, mit Deutschland-Fahnen wie nach einem WM-Fußballspiel und den "Wir sind das Volk"-Rufen, waren für die Teilnehmer emotional beeindruckend, sie hatten richtigen Eventcharakter. Während man in Dresden meinte, man müsste auf die Rassisten eingehen und ihre "Sorgen verstehen", sind in München sofort Antifaschisten, Künstler, aber auch Kirchen und Oberbürgermeister dagegen auf die Straße gegangen.

Momentan scheint es, als würde Pegida sich von selbst erledigen.

Entwarnung möchte ich nicht geben. In München gibt es ein rassistisches Potenzial. Im vergangenen Sommer sind einmal in der Nacht etwa 100 Leute in Freimann in der Nähe der Bayern-Kaserne aufmarschiert, um gegen Flüchtlinge zu krakelen. Selbst wenn die Teilnehmerzahlen zurückgehen, verschwindet damit ja nicht die Einstellung dieser Leute. Außerdem hätten Pegida, Bagida und Co. schon jetzt durchaus mit Erfolg abgeschlossen: Die CSU erfindet jetzt sichere Drittländer, in die man Menschen abschieben kann, und Horst Seehofer spricht davon, dass Deutschland nicht Weltsozialamt werden darf.

Die Veranstaltung im Pfarrsaal von Sankt Bernhard am Donnerstag beginnt um 20 Uhr

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